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Vom Jungbusch in die gute Küche

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Palmin-Verpackung

Fast alle kennen Palmin, aber wenigen fällt auf, dass die charakteristische Verpackung im Retrostil die Mannheimer Stadtfarben und die Wolfsangel aus dem Stadtwappen trägt. Dieses Produkt nimmt nämlich seinen Anfang in Mannheim.

Das sortenreine und geschmacksneutrale Kokosfett ist seit 1894 ein Dauerbrenner auf dem Markt. Das Besondere ist seine feste Konsistenz bei Zimmertemperatur, seine weiße Farbe und seine Neutralität im Geschmack, was berühmte Rezepte wie den Kalten Hund möglich macht. Die Werbung suggeriert seit jeher Glück und Zufriedenheit für Hausfrau und Familie beim Gebrauch in der Küche.

Die Idee des Erfinders Dr. Heinrich Schlinck entspricht durchaus modernen Vorstellungen nachhaltiger veganer Ernährung. Dessen Ziel im 19. Jahrhundert ist es jedoch, einen preisgünstigen Butterersatz zu entwickeln. Er erkennt, dass Produkte aus tierischen Fetten nicht die wachsende Weltbevölkerung ernähren können. Ein bezahlbarer Ersatz für die teure Butter wird damals überall gesucht und verschiedene Margarinen sind bereits auf dem Markt.

Der 1840 in Worms geborene Schlinck zieht als Kind mit seiner Familie nach Ludwigshafen und studiert nach dem Abitur in Heidelberg. Dort wird er Assistent des berühmten Chemikers Robert W. Bunsen. Auf einer Weltreise lernt Heinrich Schlink die Kokospalme kennen und beginnt anschießend 1866, im eigenen Labor in Ludwigshafen mit dem Fett der Kokosnuss zu experimentieren.

Bald entwickelt er eine Methode, das Fett der Kokosnuss zu extrahieren und einen Butterersatz zum Braten, Backen und Kochen herzustellen. 1882 meldet er das Verfahren an und gründet 1887 gemeinsam mit der Mannheimer Ölfabrik "P. Müller & Söhne" die "Mannheimer Cocosnussbutterfabrik P. Müller & Söhne" im Quadrat Z 5, 5 im Jungbusch. Das Fett wird zunächst in Eimern für Großbetriebe angeboten und seit 1900 in der heutigen Plattenform in Pergamentpapier verpackt. 1892 wird der als Markenzeichen geschützte Name "Palmin" geprägt, auf neueren Verpackungen findet sich davon abweichend der Verweis "seit 1894". Damit ist der bis heute gültige Name erfunden, denn der Begriff "Butter" darf für diese Ersatzprodukte nicht mehr verwendet werden.

Palmin Packung in den Mannheimer Farben mit Wolfsangel, 2006

Die Wolfsangel aus dem Mannheimer Wappen, die Packung in den Mannheimer Farben Weiß, Rot und Blau und das Signet von Schlink verbunden mit dem Schriftzug Palmin verweisen seit damals auf die Herkunft aus Mannheim, auch wenn bereits 1909 die Hauptproduktion nach Hamburg-Wilhelmsburg verlegt wird. Durch die direkte Anbindung an den Hafen kann die Firma Kosten und Transportwege sparen und wird bald zum Marktführer für Speisefett.

Vor dem Ersten Weltkrieg sind 325 Angestellte und 950 Arbeiter beschäftigt. Das Werk verarbeitet in einem Jahr Früchte von 6 bis 7 Millionen Kokospalmen oder produziert jährlich etwa 8.500 Tonnen Palmin. Kriegsbedingt wird 1917 die Herstellung in Mannheim aufgegeben. Doch wächst der Erfolg der Firma in der Weimarer Republik weiter. Auch steigt die Produktion trotz erneutem kriegsbedingtem Herstellungsverbot und mehrfachem Besitzerwechsel im Nachkriegsdeutschland stark an. Seit den 1970er Jahren wird sogar zeitweise in Mannheim wieder die traditionelle Palminplatte hergestellt, jetzt "mit Knick zum exakteren Portionieren".

Werbekunstplakat für Palmin von Ivo Puhonny aus der Plakatsammlung des MARCHIVUM, 1911

Nicht zuletzt verhelfen innovative Werbekampagnen zum Erfolg. Die Strategien für Palmin sind wegweisend und werden zum Impulsgeber für die Werbekunst. Ein Plakat im Bestand des MARCHIVUM wird bereits 1911 vom Baden-Badener Grafiker Ivo Puhonny (1876 – 1940) signiert, der längere Zeit für Palmin tätig ist. Er entwirft Sammelbildserien und die Palmin-Post für Kinder, die den Verkauf ankurbeln sollen. Auf dem Plakat sind zwei fröhliche Kinder aus dem einfachen Volk zu sehen. Vor ihnen steht ein Einkaufskorb mit zwei verschiedenen Packungen Palmin sowie einer Packung Palmona, einer Margarine aus Butter und pflanzlichen Ölen. Der Junge zeigt auf ein Stück Kuchen, in das er gerade gebissen hat. Offensichtlich ist es sehr lecker, aber die Mimik und Gestik des Mädchens gibt zu bedenken, dass der Kuchen eigentlich nicht gegessen, sondern nach Hause gebracht werden sollte. Da er aber mit Palmin gebacken ist, schmeckt er einfach unwiderstehlich gut, was die Tat des Jungen entschuldigt. Betrachter und Betrachterinnen könnten geneigt sein, den kleinen Akteuren dieser Episode die Namen Palmin und Palmona zuzuordnen.

 

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