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1815 - 1860: Einwanderung und Innovation im Mannheim der Frühindustrialisierung

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Freihafen von Mannheim um 1860

Um Ihnen unsere Publikation "Zusammenleben in Vielfalt. Zuwanderung nach Mannheim von 1607 bis heute" näher zu bringen, stellen wir Ihnen jeden Monat ein Kapitel des Sammelbandes in Kurzform vor.

Das Kapitel „1815-1860: Zwischen Umbruch und Tradition“, um das es im Folgenden geht, wurde von Eric Veyel verfasst. Dieser stellt zunächst fest, dass die Bedingungen für eine florierende Bevölkerungsentwicklung in Mannheim um das Jahr 1815 sehr ungünstig waren. Neben den Auswirkungen der Napoleonischen Kriege und dem politischen Bedeutungsverlust Mannheims sorgten Hochwasser, Missernten und Hungersnöte für nur mäßiges Bevölkerungswachstum, bzw. Stagnation und teilweise sogar Rückgang der Bevölkerung. Die Einwohnerzahl Mannheims lag in dieser Zeit bei ca. 20.000 Personen. Erst ab Mitte der 1830er Jahre mit der verbesserten Position Mannheims als Handel- und Verkehrsknotenpunkt entwickelte sich die Bevölkerungszahl positiv. Trotz mancher Rückschläge setzte sich der Aufwärtstrend fort, um 1860 wohnten über 27.000 Menschen in Mannheim.

Bevölkerungsentwicklung der Stadt Mannheim von 1815-1860. Bevölkerungszahlen nach D. Hein

Den Grund der Zunahme der Bevölkerung sieht Veyel weniger im Geburtenüberschuss, als in der Zuwanderung. Diese erfolgte vermutlich aus dem näheren Umkreis der Stadt, insbesondere aus protestantischen Gebieten. Aber auch der Bevölkerungsanteil der Menschen mit jüdischem Glauben nahm zu.
Der Zuzug verarmter Menschen war ein ständiges Streitthema. Die Stadt wollte den Zuzug möglichst begrenzen, nicht nur, weil sie Ansprüche auf Kranken- und Armenversorgung stellen konnten, sondern auch, weil man ihr revolutionäres Potential fürchtete.
Auch die Erteilung des Bürgerrechts war ein Streitthema, da daran unter anderem die Berechtigung zur Ausübung eines zünftigen Berufes gekoppelt war. Einerseits erforderte die ökonomische Entwicklung Gewerbefreiheit, andererseits wollten die alteingesessenen Zünfte den Zuzug von Konkurrenten möglichst drosseln: „Die beginnende Industrialisierung, sowie politische und ökonomische Liberalisierung stießen auch in Mannheim auf Widerstand bei denen, die an traditionellen Werten festhalten wollten. In Einwanderungsfragen kam es daher nicht selten zu Konflikten zwischen kommunalen und staatlichen Interessen. Während von staatlicher Seite Gewerbefreiheit und Freizügigkeit als dem gesamtökonomischen Fortschritt Badens dienlich angesehen wurden, hatte der Mannheimer Gemeinderat in vielen Fällen wirtschaftliche Interessen des in der Krise befindlichen, städtischen Handwerks vor Augen.“ (Veyel, S. 127).


Inhaltsverzeichnis des Gesetzes über die Rechte der Gemeindebürger und die Erwerbung des Bürgerrechts, 1831

1831 erließ der Landtag das Badische Gemeindegesetz, nach dem die Stadtgremien das Recht der Bürgeraufnahme hatten, dabei aber an klare gesetzliche Bestimmungen gebunden waren. Durch diese gesetzliche Bindung sollte unterbunden werden, dass wirtschaftliche Interessen die Aufnahme von unliebsamen Konkurrenten verhinderten. Ausländische Antragsteller wurden gegenüber badischen Antragstellern aber weiterhin schlechter gestellt. Nur wer ein gesichertes Vermögen und Einkommen besaß, einem gebilligten Berufszweig angehörte und sozial gut vernetzt war, fand leicht Aufnahme in der Stadt. Als Beispiele nennt Veyel den Norditalienischen Kaufmann Paul Franz Giulini und Ludwig Newhouse. Giulini war Gründer der ersten chemischen Fabrik in Mannheim. Er gehörte zu den erfolgreichsten Unternehmern der Frühindustrialisierung. Newhouse besaß eine Tabakfabrik und war einer der Ersten, der sich für den Eisenbahnbau in Baden stark machte.
Abschließend geht Veyel noch auf die britischen und französischen Zugezogenen ein. Damals lebten rund 200-300 Brit*innen in Mannheim, die in der Regel finanziell unabhängig waren. Durch die britischen Mitbürger*innen konnte technisches Know-how mit Großbritannien ausgetauscht werden. Auch wurden Ingenieure angeworben. Während die Briten oft nur einige Zeit blieben, sah es bei den französischen Facharbeitern anders aus. Diese arbeiteten längerfristig in der Zweigfabrik der französischen „Compagnie des Manufactures de Glaces et Verres de Saint-Quirin“ (Spiegelfabrik) auf dem Waldhof. Hier wurde eine Siedlung für die Mitarbeiter angelegt. Deutsche und französische Familien durchmischten sich durch Eheschließungen und verankerten sich so fest in der Stadt. Die ausländischen Unternehmer und Facharbeiter waren in der Stadt gerne gesehen, sofern sie für die Wirtschaft von Nutzen waren.

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Am Rande der Stadt - Der Hintere Riedweg

Offiziell wurden sie als „Kleinstwohnungen“, „Notwohnungen“ oder auch „Behelfsbauten“ bezeichnet. Zur Entschärfung der großen Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg wurden in direkter Nachbarschaft zum Benz-Werk in der 65. Sandgewann 1926 bis 1928 zunächst acht Wohnbaracken vom städtischen Hochbauamt errichtet. Diese Nähe zur Fabrik brachte ihnen schnell den Namen „Benzbaracken“ ein.

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