Breadcrumb-Navigation

Dokumentation der Migrationsgeschichte: Aus dem Interview mit Frau Binaey Taneri (Teil 2)

Kategorien
Frau Taneri im Portrait

Im Auftrag des Gemeinderats wurde unser Projekt „Dokumentation der Migrationsgeschichte“ ins Leben gerufen. Aufgabe des MARCHIVUM ist es nun, historisch relevante Materialien zur Mannheimer Migrationsgeschichte zu sammeln und sicher aufzubewahren, um einen wichtigen Teil unserer Gesellschaft sichtbar zu machen. Elementarer Bestandteil der Überlieferung sollen neben physischem Material migrantischer Institutionen auch die Eindrücke der Migrant*innen selbst sein, die in Interviews festgehalten werden. Frau Binaey Taneri, eine angehende Lehrerin an einer Mannheimer Schule, hat sich mit uns über ihren Lebensweg und ihre Erfahrungen ausgetauscht. Um einen Einblick in das Projekt zu geben, möchten wir Teile dieses Gesprächs in zwei Schüben auf unserem Blog veröffentlichen:

In Teil 1 des Interviews mit Frau Taneri, das im Rahmen des Projektes zur Dokumentation der Migrationsgeschichte entstand, ging es um persönliche aber auch grundlegende gesellschaftliche Themen. In Teil 2 soll es nun ein bisschen mehr auf die lokale Ebene gehen, der Bezug zu Mannheim hergestellt werden.

Wie definieren Sie für sich die Heimat und den Heimatort? Ist Mannheim Ihr Heimatort?
Ich bin schon sehr mit Mannheim verwurzelt. Allein schon deswegen, weil ich, wenn ich an Mannheim denke, an meine Kindheit denke, ich denke auch immer sofort an die Spielplatz-Treffen mit den Kindern, damals, als wir gespielt haben. Und ich denke dann daran, durch die Planken zu schauen oder zu laufen, die ganzen Leute zu sehen – das ist Mannheim für mich.
Wenn ich durch die Straßen laufe, ist es so toll und man merkt dann so die Kindheit, die eine Stelle, an der man mit den Eltern rumgelaufen ist und im Café gesessen hat, also alle Erinnerung ist mit Mannheim verbunden. Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Mannheim nicht meine Heimat ist oder Deutschland.

Was ist für Sie typisch Mannheim?
Ich glaube, typisch Mannheim ist: multikulturell, würd´ ich sagen. Ich glaub, typisch Mannheim ist auch „Monnemerisch“, die Offenheit. Aber die Offenheit auf der Straße. Die Offenheit allein schon, dass es sich in Mannheim schon verbreitet hat, dass es Little Istanbul gibt. Und typisch Mannheim ist auch für mich, dass, wenn ich als Kind hier aufgewachsen bin und gesagt wurde, dass die Neckarpromenade, also diese drei Hochhäuser, dass die drei Hochhäuser dafür stehen, dass sehr viele Leute mit Migrationshintergrund dort leben. Wenn ich da durch die Straßen laufe, dass ich dann höre, wie zwei ältere Menschen miteinander auf Monnemerisch reden. „Ach, des is schee heute, dieses Wedder.“

Ist die Atmosphäre in Heidelberg anders?
Ich bin froh, dass ich in Heidelberg studiert habe, weil Heidelberg war für mich Stadt der Freiheit. Es war für mich tatsächlich Freiheit, weil wenn man als Kurdin hier groß wird in Mannheim, wird man als kurdische Frau oder kurdisches Mädchen dazu aufgefordert, aufzupassen, wie man redet, wie man sich gibt, auf der Straße in Mannheim. Heidelberg ist für mich Freiheit gewesen. Ich konnte mein Leben leben. Ich habe dort gelebt, konnte meinen eigenen Alltag leben.
Und Heidelberg ist für mich, ja – es ist ein bisschen, so dieses intellektuelle Leben.

In Mannheim gibt es einen Migrationsbeirat und ein MigrationsFORUM. Es gibt auch Vereine, die die Interessenten der Menschen mit Migrationshintergrund vertreten und versuchen, die Vermittlerrolle zu übernehmen. Wie sehen Sie das?
Also meine Meinung ist dazu wirklich gespalten. Man hat manchmal das Gefühl oder die Auffassung, dass solche Migrationsbeiräte oder Treffen, dass man die nur gemacht hat, damit man´s gemacht hat. Aber es ist ein Unterschied, ob man sie gemacht hat, damit man wirklich auf sie hört und deren Vorschläge ernst nimmt und wirklich im Parlament zum Beispiel bespricht oder ob man es sich einfach angehört hat und die Vorschläge mal einfach auf Papier gebracht hat und man dann im Nachhinein nur sagen kann: Ey, wir haben´s doch gemacht. Also das ist noch mal ein Unterschied.

In Mannheim gibt es eine Diskussion darüber, ein Denkmal zu Ehren der Menschen mit Migrationshintergrund zu errichten.  Wie würden Sie sich dieses Denkmal vorstellen? Welche Darstellungsform wünschen Sie sich?
Man müsste dann wirklich alle, da es nicht die eine Migrationsgeschichte gibt, wirklich verschiedene darstellen. Dafür braucht man verschiedene Fotos, Darstellungsarten, Symbole, die die jeweiligen Geschichten repräsentieren. Vielleicht eine Art Ausstellung oder ein Raum einfach, wo man reingehen kann und die Geschichten lesen kann. Wenn man diese Geschichten liest und merkt, was eigentlich hinter diesen Geschichten steckt und, dass es Menschen sind, egal, ob Migrationshintergrund oder nicht.

Dieses Gespräch findet im Rahmen des Projekts „Dokumentation der Migrationsgeschichte“ im MARCHIVUM statt. Sie haben sich auch sofort bereit erklärt mitzumachen. Was erhoffen Sie von dem Projekt? Was wünschen Sie sich?
Ich habe mich deswegen gefreut, dass es gemacht wird, weil ich der Meinung bin, dass Aufklärung wichtig ist. Dass man gewissen politischen Statements entgegenwirken kann mit solchen Projekten. Dass gerade jetzt in meiner Heimatstadt Mannheim, wo ich lebe und wo ich erklären kann, warum ich hierhergekommen bin und wieso und warum und weshalb, find ich toll, weil ich mit verschiedenen Geschichten zusammenkomme.
Ich finde Aufklärung wichtig. Es ist wichtig, dass man eigentlich darstellt, dass diese Menschen, die hierherkommen, genauso die gleichen Ziele haben wie die Menschen, die hier leben. Ich wünsche mir auch, dass man, wenn man so eine Aufstellung zur Dokumentation gibt, dass man dann wirklich die einzelnen Geschichten hervorheben kann, um dann zu zeigen: Es sind verschiedene Geschichten. Es sind verschiedene Menschen. Es sind verschiedene Erzählungen. Aber dennoch haben sie eines wahrscheinlich alle gemeinsam. Da macht es keinen Unterschied, ob ich jetzt aus dem Irak komme, oder jemand aus Syrien, Arabien oder sonst irgendwoher kommt oder jemand in Deutschland lebt, das haben wir alle gemeinsam.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch. Es war wirklich sehr nett und wir haben uns sehr gefreut. Ich bedanke mich auch im Namen unseres ganzen MARCHIVUM-Teams, für Ihr Engagement, für Ihren Beitrag.
Vielen Dank. Gerne. Ich mach das gerne.

 

alles zum Thema: Forschung, Migration

Dokumentation der Migrationsgeschichte: Aus dem Interview mit Frau Binaey Taneri (Teil 1)

Im Auftrag des Gemeinderats wurde unser Projekt „Dokumentation der Migrationsgeschichte“ ins Leben gerufen. Aufgabe des MARCHIVUM ist es nun, historisch relevante Materialien zur Mannheimer Migrationsgeschichte zu sammeln und sicher aufzubewahren, um einen wichtigen Teil unserer Gesellschaft sichtbar zu machen. Elementarer Bestandteil der Überlieferung sollen neben physischem Material migrantischer Institutionen auch die Eindrücke der Migrant*innen selbst sein, die in Interviews festgehalten werden. Frau Binaey Taneri, eine angehende Lehrerin an einer Mannheimer Schule, hat sich mit uns über ihren Lebensweg und ihre Erfahrungen ausgetauscht. Um einen Einblick in das Projekt zu geben, möchten wir Teile dieses Gesprächs in zwei Schüben auf unserem Blog veröffentlichen:

Ganzer Beitrag