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Albert Speer senior - Ein Architekt im Schatten seines Sohnes

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Firma Benz & Cie auf dem Waldhof

Albert Speer – diesen Namen verbinden viele mit dem nationalsozialistischen Architekten und Rüstungsminister. Weniger bekannt ist, dass sein Vater in Mannheim ein vielbeschäftigter und hoch angesehener Architekt war, der mit seinen Bauten das Stadtbild der Zeit um 1900 eindrucksvoll prägte. Wir wissen viel über den Sohn, aber was wissen wir über den Vater?

Geboren wurde Albert Speer senior am 6. Mai 1863 in Dortmund. Seine Eltern waren Emilie Speer, geborene Frantzen, und Berthold Speer, ein Maurermeister und Brauereibesitzer. Albert, der mit Vornamen Albert Friedrich hieß, sich aber stets nur Albert nannte, studierte in München und Berlin Architektur. Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Studium ließ er sich 1890 in Mannheim nieder. Offenbar lockten den jungen Architekten die Karrierechancen, die sich in der aufstrebenden Handels- und Industriemetropole boten.

Zu seinen ersten Aufträgen in Mannheim zählen zwei Magazingebäude in J 5, 13 (1892-94) und P 7, 7 (um 1895). Gegen 1898 erweiterte er die Rheinische Gummi- und Zelluloidfabrik in Neckarau und zeichnete kurz danach für ein Wohn- und Geschäftshaus in E 1, 3/4 (1899) sowie das Kaufhaus Kander in T 1 (1900) verantwortlich. Diese Gebäude stehen am Beginn der Karriere des Architekten und deuten bereits die Bandbreite seines architektonischen Schaffens an.

Wohn- und Geschäftshaus in J 1, 3/4, erbaut um 1910, Foto um 1917

Weitere Industriebauten folgten mit den Hommelwerken in Käfertal (1905-07) und der Rheinischen Automobil- und Motorenfabrik Benz & Cie. auf dem Waldhof (1907-09). Auch schuf er weitere Wohn- und Geschäftshäuser sowie ein zweites Kaufhaus, das Hirschland in P 7 (1914-18). Außerdem baute Speer die Rheinische Creditbank in B 4 aus (1902) und erweiterte sie durch ein Tresor- und Bürogebäude (1905-06 und 1911).

Verwaltungsgebäude der Rheinelektra (Rheinische Schuckert-Gesellschaft) in der Augustaanlage 32, erbaut 1914-17, Foto um 1920

Seiner Planung verdanken sich auch die Verwaltungsgebäude der Rheinschiffahrts AG im Hafen (um 1905-10) und der Rheinelektra in der Augustaanlage 32 (1914-17). Bei all dem beschränkte sich seine Bautätigkeit nicht nur auf Mannheim. Speer plante und baute selbstverständlich auch in anderen Städten.

Der vielbeschäftigte Architekt verstand sich bestens auf die Gestaltung ansprechender Räume und Fassaden und traf so den Geschmack seiner zumeist großbürgerlichen Auftraggeber. Als Vertreter des Historismus folgte er jenem Architekturstil, der sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte und sich an den Baustilen früherer Epochen orientierte. Dabei ließ er sich von Renaissance, Barock und Klassizismus inspirieren. Vereinzelt griff er aber auch Elemente des Jugendstils auf. Eine Sonderstellung nahmen freilich die Fabrikhallen ein, bei denen er den ansonsten reich eingesetzten Bauschmuck stark reduzierte.

Spektakulär war der Sonderweg, den er beim Kaufhaus Kander beschritt. Andere Architekten hätten die dem Gebäude zugrundeliegende eiserne Trag- und Stützkonstruktion mit einer verzierten Steinfassade verkleidet, nicht aber Speer, der die Konstruktion entgegen aller Konvention offen zeigte und mit großen, geschosshohen Fensterflächen kombinierte. Was wir heute als modern empfinden, war damals so neu, dass selbst aus Fachkreisen Unverständnis und Kritik laut wurde.

Kaufhaus Kander in T 1, 1, erbaut 1900 (nicht erhalten), Foto um 1903

Erstaunlicherweise spielt der Villenbau im Werk des Architekten eine untergeordnete Rolle. Für Mannheim sind nur zwei Villen Speers nachgewiesen: eine in der Karl-Ludwig-Straße 31 (1909), die andere in der Erzbergerstraße 10 (um 1900). Das einzige Wohnhaus, das nicht gleichzeitig als Geschäftsgebäude errichtet wurde, ist das Doppelhaus in der Stresemannstraße 19 und 21 (1900-01). Heute ist es vielleicht das bekannteste Werk des Architekten, denn in der Nummer 19 wurde am 19. März 1905 sein Sohn Albert geboren.

Wohnhaus in der Prinz-Wilhelmstraße, heute Stresemannstraße 19/21, erbaut 1900-01 (Nr. 21 nicht erhalten), Foto um 1917

Speer hatte fünf Jahre zuvor Wilhelmine Hommel geheiratet. Sie war die Tochter des Kommerzienrats Hermann Hommel in Mainz, für den der Architekt bald nach der Heirat die Hommelwerke in Käfertal schuf. Wilhelmine schenkte drei Söhnen das Leben. Der mittlere war der spätere NS-Architekt und Rüstungsminister. Seine Brüder Hermann und Ernst wurden 1902 und 1906 geboren.

Albert Speer senior mit seiner Gattin Wilhelmine Speer, geborene Hommel, Foto von 1930

Die Kinder wuchsen in großbürgerlichen Verhältnissen auf. Als zweiten Familiensitz baute Speer 1905 sogar eine Villa am Heidelberger Schlossberg. Die Familie zog 1918 ganz nach Heidelberg, wobei das Architekturbüro – es lag im hinteren Teil des Mannheimer Hauses – zunächst erhalten blieb. Dort arbeitete 1932 Sohn Albert, der sein Architekturstudium nach eigener Aussage nur auf Drängen des Vaters begann. 1970 wird er berichten, dass sein Vater stets von liberaler Gesinnung war – eine Haltung, von der er sich bekanntlich radikal abwandte.

Albert Speer senior starb 83-jährig, am 31. März 1947 in Heidelberg – nur wenige Monate nach der Verurteilung seines Sohnes als Kriegsverbrecher und Verbrecher gegen die Menschlichkeit. Heute sind nur wenige Gebäude von Albert Speer senior erhalten. Diejenigen aber, die noch existieren, stehen in der Regel unter Denkmalschutz.

 

 

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