Breadcrumb-Navigation

Fritz Wichert - Mannheimer Kunstbewegung

Kategorien
schwarz-weiß Fotografie des Kunsthistorikers Fritz Wichert, umringt von Freunden

1909 - mit gerade einmal 31 Jahren - wird der Kunsthistoriker Fritz Wichert Direktor der neugegründeten Mannheimer Kunsthalle; zwei Jahre nach seiner Promotion. Der 1878 in Mainz-Kastel geborene Wichert konzentriert sich bei seiner Sammeltätigkeit in Mannheim vorwiegend auf das 19. Jahrhundert; seine Vorliebe ist jedoch die französische Moderne.

Von den neu aufkommenden kunsttheoretischen Ansätze, die das Sehen der Kunst und die Erziehung durch Kunst propagieren, ist Wichert sehr angetan. 1911 gründet er den "Freien Bund zur Einbürgerung der Kunst" und öffnet so der modernen Bildungsarbeit in Mannheim die Türen. Mit einem umfassenden Vortragswesen, Führungen und didaktischen Ausstellungen wirkt er weit über Mannheim hinaus und die "Mannheimer Bewegung" wird zu einem Modell städtischer Kunstpolitik.


Fritz Wichert mit seinem ersten Sohn Jan 1909/10 auf dem Balkon seiner Wohnung in der Mollstraße

Im Ersten Weltkrieg in den diplomatischen Dienst berufen, arbeitet er in leitender Funktion bei deutschen Botschafter in Den Haag. Der Botschafter, Richard von Kühlmann, ist so von Wichert überzeugt, dass er ihn 1917 als seinen Privatsekretär nach Berlin beruft.

1919 kehrt er nach Mannheim zurück, zurück auf seinen Direktorenposten. Im Jahr 1923 scheidet er jedoch bereits wieder aus. Er ist resigniert; seine Ideen sind nicht mehr so umsetzbar wie bisher. Ohne ihn als treibende Kraft sind die finanzielle und ideelle Spielräume nicht mehr im vorherigen Umfang vorhanden. 1921 stirbt zudem seine Frau, und er bewirbt sich auf den Direktionsposten in Kiel. Aber es kommt anders: Ludwig Landmann, späterer Oberbürgermeister von Frankfurt, beruft ihn als Leiter an die neugegründete "Frankfurter Schule für freie und angewandte Kunst". In Frankfurt will er eine ähnliche Bewegung wie einst in Mannheim auf die Beine stellen und gibt u.a. die Zeitschrift "Das Neue Frankfurt" heraus.

Plastik von Alexander Archipenko zum Abschied von Fritz Wichert, 1923

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Wichert entlassen. Er versucht noch seiner Entlassung entgegenzuwirken und zu Goebbels vorzudringen; es missglückt. Wichert zieht sich auf seinen Hof in Kampen auf der Nordseeinsel Sylt zurück. In dieser Zeit besuchen ihn viele Künstler auf seinem Hof in der Abgeschiedenheit.

Wicherthof in Kampen, erbaut nach den Plänen von Walther Baedeker

Bei der ersten demokratischen Wahl nach dem Krieg wird Fritz Wichert zum Bürgermeister der Gemeinde Kampen gewählt und bleibt es bis 1948. Am 24. Januar 1951 stirbt der Kunsthistoriker und wird in Keitum beigesetzt.

Wichert war von 1908 zunächst mit Magareta (Greta) Brouwer verheiratet und hatte vier Kinder. Nach dem Tod von Magareta heiratete er 1922 Magaret Helene Wetzlar-Coit und hatte mit ihr drei Töchter.

Weber, Friedländer, Heuss, Archipenko - große Namen im Nachlass

Im MARCHVIUM befindet sich seit 1980 der Nachlass von Fritz Wichert, der ca. 6 laufende Meter umfasst. Der Nachlass war eine Schenkung der Familie seiner Tochter, Dr. Henriette Bender-Wichert, an das Stadtarchiv Mannheim. Er gehört noch heute zu einem der bedeutendsten Bestände im MARCHIVUM. Besonders die umfangreiche Korrespondenz Wicherts mit diversen Partner*innen ist hervorzuheben. So zum Beispiel mit den Kunsthistorikern Alfred Lichtwark, Heinrich Wölfflin und Max Friedländer, dem Künstler Alexander Archipenko, dem Journalisten und späteren ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, dem späteren Reichsaußenminister Walther Rathenau, dem Soziologen Max Weber, dem Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal. Aber auch mit Richard Kühlmann und vielen anderen. Auch seine Dissertation und zahlreiche Vortragsmanuskripte sind vorhanden. Die Forschung interessiert sich neben den Briefwechsel auch für seine Tage- und Notizbücher, die Gästeliste zu seiner Verabschiedung in Mannheim 1923 und die Unterlagen zur Freistellung vom Militärdienst und vieles mehr.

Mehrfach diente der Nachlass als Quelle für kunsthistorische Arbeiten, und auch heute noch werden die Archivalien stark nachgefragt.

Der Nachlass wurde auch bereits in einer Veröffentlichung des ehemaligen Stadtarchiv Mannheims gewürdigt. Unter dem Titel "Kunst für alle! Der Nachlass Fritz Wichert" erschien 2003 eine CD-Rom u.a. mit einem ausführlichen Vorwort zu Wichert, einer Liste seiner kuratierten Ausstellungen, einem Essay zum "Freien Bund zur Einbürgerung der bildenden Kunst in Mannheim", dem Findmittel zum Nachlass und mehreren Videosequenzen mit Kommentaren vom ehemaligen Kunsthallendirektor Professor Manfred Fath zu Bildern, die von Fritz Wichert für die Kunsthalle erworben wurden.

Screenshot aus "Kunst für alle" - Prof. Fath vor Manets "Erschießung" - einer der ersten Ankäufe Wicherts und damals die teuerste Erwerbung, die durch Spenden finanziert wurde

Die kurzen Videosequenzen mit Manfred Fath schlagen hier auch den Bogen zu einem 2020 neu eingetroffenen Nachlass im MARCHIVUM. Manfred Fath hat im Juli des Jahres seinen Vorlass an das MARCHIVUM übergeben. Fath war von 1982 bis 2002 Direktor der Mannheimer Kunsthalle und zuvor Gründungsdirektor des Wilhelm-Hack-Museums in Ludwigshafen. Der Vorlass wird in den kommenden Monaten verzeichnet und aus archivischen Gründen als Nachlass geführt, 40 Jahre nachdem der Nachlass von Fritz Wichert ins Stadtarchiv gelangte.

Der Nachlass wird 2021/22 dank einer Förderung des Programms „Neustart Kultur“ digitalisiert und online gestellt.

alles zum Thema: Fritz, Nachlasswelten, Wichert

Jakob Sommer - "Kämpfer für Menschenwürde"

Sein Leben hatte er den Menschen in Mannheim und den Arbeiterrechten gewidmet. Als aufrechter und toleranter Mann blieb er den Mannheimerinnen und Mannheimer in Erinnerung. Er stand mit Leidenschaft für seine Überzeugungen ein, konnte aber auch die Meinungen und Argumente anderer anerkennen. Als "Kämpfer für Toleranz und Gerechtigkeit", aber auch als "Mann des Ausgleichs", so charakterisierte Oberbürgermeister Hermann Heimerich seinen Freund Jakob Sommer bei dessen Beerdigung (Allgemeine Zeitung, 16.3.1955).

Ganzer Beitrag