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Auf der Reichsautobahn nach Mannheim

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Reichsautobahn

"Fanget an!" – rief ein verhinderter Bühnenstar in den Himmel. Mit diesem Diktum aus Richard Wagners "Meistersingern" leitete Hitler am 23. September 1933 in Frankfurt bei der Mainbrücke die Bauarbeiten an seinen Autobahnen ein.

Doch waren sie tatsächlich die "Straßen des Führers"? Immerhin griff das Regime Pläne auf, die vor 1933 längst in der Schublade lagen. Und wenn es Dr. Fritz Todt zum Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen berief, so dokumentierte es hiermit Kontinuität und keineswegs Revolution, war Todt doch bereits in den zwanziger Jahren maßgeblich an der Autobahnplanung beteiligt. Die Autobahn wurde zum einen willkommener Propagandaträger des Regimes, zum anderen stellten sich bei Regimegegnern mit Blick auf eine mögliche militärische Nutzung alsbald Befürchtungen ein.

Allein für die Strecke Darmstadt-Mannheim-Heidelberg waren 1,8 Mio. Quadratmeter Waldfläche zu roden und 5 Mio. Kubikmeter Erde abzuheben. Mühsam kämpften sich Mensch und Maschine durch Naturlandschaft und unwirtliches Gelände. Indes, nicht nur manches Gehölz wurde niedergeknickt; auch den ausgemergelten, sonnverbrannten Autobahnarbeiter durchzuckte nach monatelangem Schippen mit dem sogenannten "Gewehr des Friedens" bisweilen urplötzlich ein stechender Schmerz. Unbarmherzig fällte ihn die "Schipperkrankheit", ein Abrissbruch im Hals-Brust-Bereich, aufs Krankenlager. Was nutzen dann noch Brot und Arbeit, die der Autobahnbau angeblich für so viele bescherte. Dauerhaft in Brot und Arbeit wurde jedoch kaum einer gesetzt. Außerdem fanden sich für die allzu oft unmenschliche Plackerei, trotz hoher Arbeitslosigkeit und unzulänglicher Sozialabsicherung, nur schwerlich genügend Arbeitskräfte.

Ohne Zweifel wurzelt der Mythos von der "Freiheit Auto" in der NS-Ära. Doch der Wagen für die breite Bevölkerungsschicht, der Volkswagen, wurde – entgegen der Propaganda – für die "Masse" nie ausgeliefert. Sein Fahrwerk verwendeten die Militärstrategen vielmehr für die sogenannten Kübelwagen der Wehrmacht. Einen verästelten und zügigen Autobahnverkehr hätten die zahlreichen unfertigen Streckenabschnitte auch nicht gestattet.

Plakat der Stadtwerbung: Entwurf von Wiertz, um 1935; Technoseum, Mannheim

Das Plakat hingegen suggeriert die Autobahn als Lebensader, als hochfrequentierten Verkehrsweg. Präsentiert wird die "königliche Einfahrt" in das "Herz der Stadt", wie es in zeitgenössischen Stadtführern heißt; auch die Wendung "ein Schmuckstück von seltenem Gepräge" führte man auf den Lippen.

Mit Pomp wurde diese von Heidelberg kommende Teilstrecke am 3. Oktober 1935 dem Verkehr übergeben. Bereits am 26. September hatte der "Führer" höchstpersönlich die neue Strecke befahren und die Mannheimer Reichsautobahneinfahrt sowie die Neckarbrücke und das Autobahndreieck bei Seckenheim besichtigt. Mit dem Ausbau der Autobahn ins Saargebiet – die Strecke mündet bei Mannheim in die Frankfurter Linie – wurde die Bedeutung der Stadt als Verkehrsknotenpunkt um ein weiteres aufgewertet.

Das uns heute vertraute Verkehrsrondell am Autobahnende, das eine automatische Herabminderung der Verkehrsgeschwindigkeit und eine Entschärfung des Kreuzungsbereichs der Seckenheimer Landstraße bezweckt, ist auf dem Plakat noch nicht auszumachen. Zwar lagen Pläne für die Gestaltung des Adolf-Hitler-Platz genannten Rondellareals vor, doch eingerichtet wurde es erst nach dem Krieg.

Im Vordergrund rechts zeigt das Plakat die Rhein-Neckar-Hallen für Großveranstaltungen. Wie ein übermächtiger Pfeil schwebt der Wasserturm, eingebettet in warmes Orange, über der stark schematisierten Stadt. Als Denkmal des Industrialisierungsprozesses ist er zum Identifikations- und Werbeträger der Bürger und ihrer Stadt geworden.

Seit der Jahrhundertwende hatte sich im städtischen Selbstverständnis eine Umwertung vollzogen: vom Residenzcharakter hin zu Wirtschaft und Verkehr repräsentierenden Einrichtungen. In diesem Kontext steht mit Planken und Augustaanlage auch die Betonung der Ost-West-Achse der Stadt, die nun mit der Reichsautobahn gar noch eine Ausdehnung bis weit ins Umland erfuhr.

Rhein-Neckar-Halle, Gaststätte Reichsautobahn, Gaststube

Nicht zuletzt im Blick auf das vermehrte Verkehrsaufkommen durch den „königlichen“ Autobahnzubringer wurden Mitte der dreißiger Jahre die engen Planken bei P5/P6 und E5/E6 verbreitert. In einer Linie sollte der Verkehr ins linksrheinische Gebiet über eine neue sich an die Planken anschließende Rheinbrücke geleitet werden. Massenhaft hätten die Menschen mit ihren VWs durch die Planken rauschen sollen. Doch fand seinerzeit weder Massenmotorisierung statt noch die Anbindung durch eine neue, verkehrsfördernde Rheinbrücke.

Aufstellen des Adlers an der Reichsautobahn

 

 

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Die Ausstellung "Kulturbolschewistische Bilder" 1933 in der Kunsthalle Mannheim: Auftakt zur Diffamierung moderner Kunst

In den 1920er Jahren hatte es von reaktionärer Seite immer wieder Angriffe auf die moderne Sammlungspolitik des Direktors der Kunsthalle Mannheim Gustav Friedrich Hartlaub gegeben. Nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten im Jahr 1933 gipfelten diese Attacken nicht nur in der Diffamierung der von Hartlaub und seinem Amtsvorgänger Fritz Wichert angekauften Kunst, sondern auch in Hartlaubs unverzüglicher Entlassung.

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