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Mannheimer Widerstandskämpfer im Ausland

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Gedenktafel auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs für die Widerstandkämpfer des Spanischen Bürgerkrieges.

Widerstand von Mannheimern gegen den Nationalsozialismus fand nicht nur in der Quadratestadt selbst, sondern auch im Ausland statt. Schon frühzeitig mussten zahlreiche Exponenten der Arbeiterbewegung über die Grenzen wechseln – nahe lag die Flucht nach Frankreich, die eine Aussicht bot, weiterhin in Wort und Schrift in das Geschehen einzugreifen eingreifen zu können.

Einige Biografien zeugen von diesem zähen Widerstandskampf, für den der damals noch junge SAP-Funktionär Max Diamant oder der erfahrene SPD-Politiker Georg Reinbold beispielhaft genannt werden sollen. Dass es sich dabei wie im Fall von Diamant häufig um Menschen jüdischer Abstammung handelte, belegt den extremen Verfolgungsdruck, dem gerade sie sich ausgesetzt sahen. Zahlreiche jüdische Mannheimer setzten daher auch auf die zionistische Bewegung, die dabei war, den verfolgten Juden in Palästina eine neue Heimat zu schaffen. Dort „halfen [sie] in schwerster Arbeit unter größten Verzichten dieses Land zum Wohle und zum Ruhme des jüdischen Volkes aufbauen“, wie der Mannheimer Kinderarzt Julius Moses 1934 berichtete. Aber auch im Spanischen Bürgerkrieg stritten junge Menschen aus Mannheim auf Seiten der Republik, sahen im Kampf gegen die Franco-Truppen eine willkommene Möglichkeit, den Gegner mit offenem Visier anzugehen. Aus dem Mannheimer Arbeiterwiderstand sind 26 Frauen und Männer bekannt, die sich in die Reihen der Internationalen Brigaden durchschlugen, darunter der spätere Verteidigungsminister der DDR Karl-Heinz Hoffmann.


Widerstandskämpfer Max Diamant mit Familie in Frankreich um 1940. AB02114-053

Mit dem Anbruch des Zweiten Weltkriegs und den überraschenden militärischen Erfolgen der Deutschen Wehrmacht schien weiterer Widerstand vorerst zwecklos. Zahlreiche Verfolgte konnten das nackte Leben nur durch die Flucht über die Weltmeere retten. Andere, die sich in den Grenzländern in Sicherheit wähnten, gerieten nun wieder in den Machtbereich ihrer Verfolger, wurden aufgegriffen und in die Todeslager verschleppt. In der Hauptsache junge Menschen suchten sich diesem Schicksal zu widersetzen und schlossen sich der Widerstandsbewegung an. Vor allem im besetzten Frankreich finden sich zahlreiche Hinweise auf Widerstandskämpfer aus Mannheim. Zwei Beispiele mögen zur Veranschaulichung solcher Lebenswege dienen:


Marainne Cohn um 1944. AB02114-051

Marianne Cohn, am 17. September 1922 in Mannheim geboren, zog mit Eltern und Schwester 1929 nach Berlin, wohin ihr Vater vermutlich aus beruflichen Gründen wechselte. 1933 floh die jüdische Familie nach Spanien. Die Niederlage der spanischen Republikaner trieb sie in das Millionenheer der Flüchtlinge, die 1939 über die Grenze nach Frankreich auswichen. Während ihre Eltern im Lager Gurs interniert wurden, gelang Marianne und ihrer Schwester Lisa der Schritt in den Untergrund. Marianne ging bei der Besetzung der Vichy-Zone durch deutsche Truppen nach Grenoble und betätigte sich in der jüdischen Widerstandsbewegung. Ende des Jahres 1943 übertrug man ihr die Aufgabe, jüdische Kinder über die Schweizer Grenze zu bringen. Über Monate versah sie ihren Auftrag mit Erfolg, wurde jedoch am 31. Mai 1944 als Fahrerin eines Lastwagens, auf dessen Ladefläche 30 Jungen versteckt waren, kurz vor der Grenze von einer deutschen Militärpatrouille angehalten. Über mehrere Wochen hinweg wurde sie im französischen Städtchen Annemasse im dortigen Gestapohauptquartier, dem ehemaligen Hotel „Pax“, festgehalten und gequält. Am 8. Juli schleppte man sie zusammen mit fünf weiteren verhafteten Widerstandskämpfern zum Wald von Villa-la-Grand, wo sie unter bestialischen Umständen ermordet wurde.

Josef Bösche wurde am 1. August 1922 in Mannheim als unehelicher Sohn der Haushälterin Henriette (Henny) Bösche geboren, bei der er auch seine ersten Lebensjahre verbrachte. Sein leiblicher Vater war der aus Ungarn stammende, verheiratete jüdische Schausteller und Kaufmann Jakob Wertheim. Er erkannte den Sohn an, starb aber bereits am 4. April 1930 in Mannheim. Zwischen 1930 und 1935 lebte Josef in Wien bei Verwandten des Vaters und kehrte dann nach Mannheim zu seiner Mutter zurück, die 1931 Leopold Wertheim geheiratet hatte, der vermutlich ein Bruder von Jakob Wertheim war. Durch diese Heirat erhielt Josef 1933 den Nachnamen Wertheim. Obwohl er nur „Halbjude“ war, wurde er zusammen mit über 6.000 anderen jüdischen Männern und Frauen aus Baden und der Pfalz am 22. Oktober 1940 von den NS-Behörden in das Lager Gurs nach Südfrankreich deportiert. Später verrichtete er Zwangsarbeit in der Organisation Todt; vom 11. März bis 19. Juli 1941 war er im Lager Rivesaltes inhaftiert und kam mit einer Gruppe Zwangsarbeiter nach Egletons, wo ihm die Flucht gelang. Nachdem er sich 1943 in Theil bei einer französischen Familie verstecken konnte, schloss er sich der F.T.P Widerstandsgruppe „Léopold Réchaussièr“ an. Mit hervorragenden Französischkenntnissen und akzentfreiem Deutsch wurde Josef Wertheim bald ein wichtiges Mitglied der Organisation. Am 1. Juni 1944 wurde er bei den Vorbereitungen zum allgemeinen Aufstand getötet. Sein Engagement und sein Wirken sind bis heute in der Erinnerung der Menschen in Frankreich lebendig, und man gedenkt seiner mit großer Hochachtung.

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