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Tonpfeifen aus Mannheim

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Tonpfeife

Auch wenn heute der Tabakkonsum zunehmend in Verruf gerät, kommt ihm noch immer eine große wirtschaftliche Bedeutung zu. Nicht anders ist es im 17. Jahrhundert in Mannheim, wo der Tabakanbau, seine Verarbeitung und der Tabakgenuss eine wichtige Rolle spielen. In größerem Umfang in England bereits im späten 16. Jahrhundert verbreitet und 1598 auch in der Kurpfalz eingeführt, verbreitet sich "Rauchschlürfen" oder "Tabaksaufen" insbesondere durch die Soldaten im Dreißigjährigen Krieg in der Kurpfalz und ist in allen Gesellschaftsschichten beliebt.

Zum raschen Anstieg des Anbaus tat die Fruchtbarkeit des Bodens und das Klima ihr Übriges. Dies gereicht Kurfürst Karl Ludwig zum Vorteil, dem der Wiederaufbau Mannheims nach dem Dreißigjährigen Krieg zu verdanken ist. Seine Bevölkerungs- und Wirtschaftspolitik bringt nach dem Westfälischen Frieden einen schnellen Aufschwung. Die Religionsflüchtlinge aus den Niederlanden und Frankreich, die durch die Privilegien von 1652 nach Mannheim gelockt werden, bringen die Kenntnisse des Tabakanbaus und der Pfeifenherstellung mit.

Die Tabakgroßhändler, unter ihnen der Stadtdirektor Heinrich Clignet, kaufen den Tabak bei den Bauern auf und lassen ihn dann während des Winters in ihren Tabakstuben von Arbeitern spinnen. Hierbei werden die Blätter zu spiralförmigen Wickeln aufgerollt, bevor sie weiter vertrieben werden. Zahlreiche Arbeiter sind in den Tabakmanufakturen beschäftigt, die nur unterste Löhne zahlen. Bis in die jüngere Gegenwart spielt der Tabakanbau eine große Rolle für die Stadt. Nach 1945 lohnt sich das Geschäft mit dem Tabak zusehends weniger. Vor wenigen Jahren wird in der Region der Anbau endgültig eingestellt. Lange bleibt z.B. der Stadtteil Seckenheim ein typisches Tabakdorf, wo heute noch die steilen Dächer der Tabakscheunen mit ihren Entlüftungsgauben vom Aufhängen und Trocknen der Tabaksblätter künden und einen Eindruck geben, wie zahlreiche Dörfer der Kurpfalz vom Tabakanbau geprägt sind.

In Zusammenhang mit der Tabakverarbeitung entwickelt sich auch die Tonpfeifenproduktion unter niederländischem Einfluss in Mannheim. Die Fersenpfeifen holländischen Stils bestehen aus weißbrennendem Pfeifenton. Am Ende eines langen, dünnen Stiels befindet sich der Pfeifenkopf mit einer Ferse, die eine mit Stempel eingedrückte sogenannte Fersenmarke als Fabrikzeichen trägt. Unterschiedliche Fersenmarken können auf unterschiedliche Werkstätten verweisen und tragen gelegentlich auch das Kürzel des Pfeifenherstellers. Auf dem Stiel dagegen findet sich in einigen Fällen neben Blütenranken auch die vollständige Namensumschrift oder sogar der Herstellungsort und das Herstellungsjahr der Pfeife. Die Pfeifenköpfe sind unterschiedlich stark verziert, häufig sind sie sogar als menschliches Gesicht gestaltet.

Die Pfeifenbäcker im Mannheim der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts sind, wie ihre Namen verraten, niederländische Einwanderer, unter ihnen Reichard und Julius West oder Hans Philipp Vintzler, auch Finsler geschrieben, der auf Fersenmarken mit HP V signiert. Auf Stielfragmenten findet sich auch sein vollständiger Name. Er wird im Mannheimer Ratsprotokoll in der Sitzung vom 18. Oktober 1661 erwähnt, da er in diesem Jahr sein Mannheimer Haus verkauft und nach Frankenthal zieht, wo er nachweislich seine Tätigkeit fortführt. Das ehemals Vintzlersche Haus steht damals auf dem heutigen Quadrat H 3.

Auch die Pfeifenmacherfamilie West wohnt in der Nähe dieses Quadrats. Sicherlich nicht zufällig heißt die Straße in den frühen Stadtplänen "Haffner Gasz". Ausgrabungen in der Innenstadt können in H 3, 15 die Werkstatt des Pfeifenmachers Jakob Grittmann (Grüttmann) lokalisieren. Er signiert auf den Fersenmarken mit "I G". Bei den Ausgrabungen finden sich auch Pfeifen des aus Ratsprotokollen bekannten Hans Henrich Rijswijk oder Riesenweickh. Das in der Abbildung gezeigte Beispiel lässt auf dem Stil verteilt auf drei Bänder die Umschrift "HANS HENRICH RISWICH MANHEIM 1684" erkennen. Insgesamt kann man in Mannheim im 17. Jahrhundert bisher 15 Pfeifenmacher unterscheiden.

Wichtige Belege für die frühe Produktion in Mannheim sind zwei Pfeifenstiele mit floralen Ornamenten und der einzeiligen Umschrift "MAHNHEIM ANNO 1650". Dabei handelt es sich um archäologische Funde vom Mannheimer Marktplatz und aus dem Quadrat B 2.

Das Bild im Header zeigt eine verzierte Tonpfeife aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts aus den rem:
Fersenpfeife mit männlichem Gesicht zum Raucher schauend. Umschrift verteilt auf drei Bänder: HANS HENRICH RISWICH MANHEIM 1684. Ausgrabungsfund aus H 3, 15. L: 15,9 cm.

 

 

Blick in die Roden-Ausstellung: Der Seiltänzer

Das Titelbild zur Ausstellung "Alltagswelten einer Industriestadt. Fotografien von Maria und Hans Roden" zeigt den in Deutschland bekannten Hochseilartisten Alfons Traber, wie er 1949 in luftiger Höhe über den Mannheimer Marktplatz balanciert. Das Bild macht neugierig, weshalb uns schon viele Fragen dazu erreichten.

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