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Der Hauptfriedhof Mannheim - ein Ort des Verweilens und der Erinnerung

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schwarz-weiß Fotografie der Leichenhalle und Einsegnungskappelle auf dem Hauptfriedhof, 1903

Bis zur Errichtung des Hauptfriedhofs waren die Friedhöfe in Mannheim zunächst konfessionell aufgeteilt. Erst im 18. Jahrhundert sollten alle Konfessionen einen eigenen Friedhof bekommen, die allesamt innerhalb der Stadt und zwar an der Festungsmauer angesiedelt waren.

Der katholische Friedhof befand sich in den Quadraten K 2 und K 3, der lutherische in den heutigen Quadraten Q 7 und P 7 und die Angehörigen der Deutsch-reformierten Gemeinde bestatteten ihre Toten in F 6, direkt neben dem jüdischen Friedhof in F 7.

Die Praxis, Verstorbene innerhalb der Stadtgrenzen zu beerdigen, hielt sich bis zu den Anfängen der Säkularisierung Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Beschneidung der kirchlichen Befugnisse machte sich auch im Bestattungswesen bemerkbar. Künftig stand nicht mehr der bis dato vorherrschende religiöse Gedanke der Auferstehung und Andacht im Vordergrund, sondern der rational geprägte Aspekt der neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse. Man glaubte, dass "schädliche Dämpfe" von den Verstorbenen ausgingen und Seuchen hervorriefen und erwog zunehmend die Errichtung von Friedhöfen außerhalb der Stadtgrenzen.

In Mannheim kamen bereits schon 1723 Pläne für einen zentralen Friedhof bei der sogenannten Kuhweide jenseits des Neckars auf, die jedoch nicht verwirklicht wurden. Spätestens Anfang des 19. Jahrhundert aber waren die Belegungsmöglichkeiten der drei christlichen Friedhöfe in der Stadt heillos ausgeschöpft. So mussten beispielsweise auf dem katholischen Friedhof bereits nach fünf oder sechs Jahren die Gräber geräumt und neu belegt werden. Mit der Einführung der amtlichen Leichenschau im Jahr 1812 wurde die Notwendigkeit der Errichtung einer Leichenhalle mit angrenzendem Bestattungsfeld neu diskutiert.

In langjährigen Überlegungen erwog man u.a., den ehemaligen Militärkirchhof oder auch ein Gelände hinter dem Lindenhof zu nutzen, was in Bezug auf eine spätere Stadtentwicklung hätte kritisch werden können und im Nachhinein betrachtet zum Glück nicht zum Tragen kam. Am 6. Dezember 1838 erließ die Kreisregierung ein Edikt, Friedhöfe künftig außerhalb der Stadt anzusiedeln. Dies trieb nun endgültig die Planungen voran.

Man einigte sich schließlich auf das hochwassersichere Gebiet bei den "Sandäckern" unweit des Neckars, das auch den Vorteil bot, durch Ankauf weiterer Felder das Gelände vergrößern zu können. Außerdem konnte ein am Neckarufer langführender Weg mit geringem finanziellem Aufwand ausgebaut und damit eine Wegführung über die schon damals sehr verkehrsreiche Käfertaler Straße vermieden werden.

Aber wiederum erst 1840 genehmigte der Bürgerausschuss für dieses Projekt die Anleihe von 230.000 Gulden. Als eine der Voraussetzungen galt jedoch die Errichtung einer festen Neckarbrücke, um auch im Winter die Toten aus der Stadt transportieren zu können. Am 13. April 1841 fand die feierliche Grundsteinlegung des neuen Friedhofs statt, die Einweihung erfolgte dann am 14. Juli 1842. An diesem Tag fand auch die erste Beerdigung statt.
Beigesetzt wurde mit Philipp Hornig ein 34-jähriger Zimmermann, der zwei Jahre zuvor von Kreuznach nach Mannheim gezogen war. Er erhielt das erste Grab in der ersten Reihe. Die feste Neckarbrücke konnte wegen langwieriger Brückenplanungen allerdings erst 1845 fertiggestellt werden.

Grabstätte der Familie Raphael Hirsch auf dem jüdischen Friedhof, um 1910

Fast zeitgleich mit dem Hauptfriedhof wurde auf dessen östlicher Seite der jüdische Friedhof errichtet, nachdem sich der Synagogenrat gegen einen gemeinschaftlichen Friedhof ausgesprochen hatte. Parallel dazu – gemäß jüdischen Ritus des Wahrens der Totenruhe – bestand der alte jüdische Friedhof in F 7 noch bis zum Jahr 1938 weiter, ehe er im Zuge der Arisierung der Grundstücke von der Stadt erworben wurde und die im jüdischen Glauben eigentlich verbotene Umbettung von mehr als 3.500 Toten durchgeführt wurde, die meisten alten Grabsteine aber zerstört wurden.

Die Erstanlage des Hauptfriedhofs umfasste 3,2 Hektar und wurde kontinuierlich bis 1965 auf acht Teile erweitert. Jede Erweiterung folgte dabei der jeweils aktuellen Gartenarchitektur. Heute umfasst das weitläufige Gelände rund 35 Hektar.

Der von 1839-1842 als Stadtbaumeister tätige Architekt Alois Mutschlechner entwarf ein bewusst parkähnlich gehaltenes Friedhofsareal sowie die Arkaden im Eingangsbereich, die das älteste Gebäude der Anlage darstellen. Ursprünglich befanden sich in diesen Arkaden eine Bethalle und die Wohnung des Friedhofaufsehers.

Die bis dahin noch weit verbreitete Gewohnheit, die Verstorbenen zunächst zu Hause aufzubahren, barg besonders in den beengten Wohnverhältnissen der Arbeiterbevölkerung zu große gesundheitliche Gefahren, so dass die Begräbnis- und Friedhofsordnung im Jahr 1898 den Leichenhallenzwang vorschrieb. Waren bis dato noch die älteren Leichenhallen an der Ostseite des Friedhofs sowie ein weiterer Bau im dritten Teil des Friedhofs ausreichend gewesen, musste ein neues Gebäude dieser Entwicklung Rechnung tragen.

Nach den Entwürfen des Vorstandes des städtischen Hochbauamtes Gustav Uhlmann und des Architekten A. Arnold entstand ein Gebäude im damals für Sakralbauten beliebten neugotischen Stil, das eine Leichenhalle und eine Kapelle umfasste. Der Bau gestaltete sich langwierig. Begonnen im Jahr 1900 überschattete ein schweres Bauunglück das Geschehen. Beim Einsturz eines Giebels fanden zwei Arbeiter den Tod, drei wurden schwer verletzt. Der Bau musste für die Dauer von rund fünf Monaten unterbrochen werden.

Leichenhalle und Einsegnungskappelle, Westfassade, 1903

Die schließlich 1903 in Betrieb genommene Halle verfügte sogar über eine elektrische Alarmanlage. Den Leichen wurden elektrische Kontakte an den Händen angebracht, so dass im Falle eines Scheintodes das Friedhofspersonal durch den ausgelösten Alarm schnell zur Hilfe eilen konnte. Es ist allerdings nicht überliefert, ob und wie oft dieser Alarm ausgelöst wurde.

Schon in den Anfängen des Bestattungswesens wurde die Feuerbestattung praktiziert, ging aber während der Christianisierung in unserem Kulturkreis stark zurück. Erst Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich diese Idee wieder durch. In der Frage Erd- oder Feuerbestattung standen religiöse Argumente wie die leibliche Grablegung Christi und die Auferweckung am Jüngsten Tag den hygienischen und ästhetischen Gründen für eine Einäscherung entgegen.

Die überzeugten Anhänger der Feuerbestattung formierten sich 1892 im "Verein für Feuerbestattung Mannheim-Ludwigshafen", der sich 1897 in "Mannheim-Ludwigshafener Verein zur Erbauung eines Krematoriums" umbenannte. Seine Mitglieder, die sogenannten Krematisten, unterstützten den Bau mit 60.000 Mark Spendengelder. Das Gebäude konnte 1901 seiner Bestimmung übergeben werden. Ein prominenter Anhänger dieser Bewegung war der während seiner Amtszeit verstorbene Oberbürgermeister Paul Martin, der hier 1913 kremiert wurde. Die Feuerbestattung erfreute sich zunehmend größerer Akzeptanz, nicht zuletzt auch durch das II. Vatikanische Konzil, welches den Katholiken ausdrücklich diese Bestattungsform einräumte. In diesem Zusammenhang war die Mannheimer jüdische Gemeinde eine der ersten in Deutschland, die die kultischen Bestattungsriten im Krematorium ausübte, wenn auch gegen den anfänglichen Widerstand der orthodoxen Gemeindemitglieder.

Die letzte Einäscherung wurde 1983 durchgeführt, das Gebäude dann von 1987-1990 aufwendig saniert, von den architektonischen Sünden eines Anbaus in den 1950er Jahren befreit und in eine Urnenhalle umgewandelt.

Das Krematorium, 1904

Das neue Krematorium im Betriebshof in der Gutenbergstraße konnte nach 18-monatiger Bauzeit am 10.01.1983 eingeweiht werden. Man erbaute den vom Architekten Seraphin Zimmermann entworfenen Zweckbau bewusst nicht in der Nähe der Trauerhalle, sondern aus Kostengründen im Betriebshof, da man so einen größeren architektonischen und damit finanziell höheren Aufwand vermeiden wollte. 1999 erfolgte eine größere Sanierung, um das Gebäude auf den Stand der neueren Gesetzeslage zu bringen. Eine jüngere statistische Erhebung erbrachte, dass mit 74% die Feuerbestattung gegenüber 26 % der Erdbestattung mittlerweile weitaus vorgezogen wird.

Heute befinden sich auf dem Mannheimer Hauptfriedhof ganze 78 zum Teil denkmalgeschützte Ehrengräber. Zahlreiche historische Grabstätten bekannter Mannheimer Familien und Persönlichkeiten laden besonders im alten Teil der Anlage zu ausladenden Spaziergängen und dem Abtauchen in die Mannheimer Stadtgeschichte ein.

Rund 3.800 Bäume und die weitläufigen Bepflanzungen machen den Hauptfriedhof neben den Stadtparks längst zu einer grünen Lunge Mannheims und tragen somit wesentlich zur Stadtökologie bei.

Schon 1980 wurde das muslimische Gräberfeld eingerichtet. Seit 1. Januar 2014 existiert ein zweites, dessen Grabstellen nach Mekka ausgerichtet und für Muslime reserviert sind. Seitdem am 26. März 2014 die Sargpflicht wegfiel, steigt die Anzahl der Bestattungen nach muslimischem Ritus stetig. Mannheim ist für viele Mitbürger muslimischen Glaubens bereits zu der Heimat geworden, in der sie auch begraben sein möchten.

Ein Friedhof als Ort des Nicht-Vergessens darf auch dunkle Seiten der Stadtgeschichte nicht aussparen. So erinnert heute ein Mahnmal auf dem Ehrenfeld an die Opfer der Nationalsozialisten, die Opfer der Euthanasie, die polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge.

alles zum Thema: Hauptfriedhof, Stadtgeschichte

Wer trifft, gewinnt: die Schützengesellschaft 1744

Die Schützengesellschaft 1744 ist der älteste Mannheimer Verein, der durch alle Höhen und Tiefen der Zeiten seine Traditionen zu wahren und am Leben zu erhalten wusste. Dies ist nicht immer selbstverständlich, denn dafür ist nicht nur ein hohes ehrenamtliches Engagement aller Mitglieder nötig, sondern besonders ebenso die Fähigkeit, Begeisterung für die Sache auch bei jungen Menschen zu fördern. Gerade die Traditionsvereine bilden ja auch immer einen Teil der Stadtgeschichte ab und fördern die Entwicklung einer vielfältigen Vereinslandschaft, die viele Menschen in ihren Bann zieht.

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