Breadcrumb-Navigation

"Ars longa, vita brevis": Mannheims Wasserturm

Kategorien
Bau des Mannheimer Wasserturms, 1887/88

Nicht weniger als 21 Wassertürme kann der Kundige noch heute in Mannheim entdecken – einer davon, vor dem ehemaligen Heidelberger Tor gelegen, hat es zum Wahrzeichen der Stadt schlechthin gebracht.

Als dieses Hochreservoir 1885 geplant wurde, war von Anfang an weit mehr als ein nur technisches Bauwerk intendiert, das durch seinen 2.000 m³ fassenden Behälter einen gleichmäßigen Druck von 3,5 bar für das Leitungsnetz garantieren sollte. Denn der Bau wurde zugleich sichtbarer Ausdruck des Stolzes der Stadt, das Ziel einer modernen Wasserversorgung endlich erreicht zu haben. Oskar Smreker, leitender Ingenieur der Gesamtmaßnahme, hatte vor dem Stadtrat erläutert, dass "der Wasserturm in entsprechender Ausführung eine Zierde des damit geschmückten Platzes bilden" solle.

Um auch sicherzugehen, dass herausragende Entwürfe eingingen, wurde im Oktober 1885 eine "Concurrenz-Ausschreibung" auch in der überregionalen Presse annonciert, so in der renommierten "Deutschen Bauzeitung" Berlin und der "Neuen Freien Presse" Wien. Für den ersten und zweiten Preis winkten stattliche Prämien in Höhe von 1.000 bzw. 600 Mark. Die Jury war mit hochrangigen Experten besetzt, die über insgesamt 74 eingereichte Entwürfe zu befinden hatten. Den Wettbewerb gewann der damals noch völlig unbekannte, 23-­jährige Gustav Halmhuber aus Stuttgart, dessen Beitrag mit der sinnreichen und programmatischen lateinischen Sentenz "ars longa, vita brevis" (lang ist die Kunst, kurz das Leben) versehen war.

In der Tat verstand der in technischen Fragen kaum versierte Halmhuber am besten, dass es bei diesem Objekt weit mehr auf ein Kunstwerk ankam, auf eine Krönung städtebaulichen Fortschrittsglaubens. Sein Entwurf gliedert den rund 60 m hohen Turmbau in vier Geschosszonen und zeigt bis ins kleinste Detail ein glänzendes Geschick für dekorative Wirkung. Aufbauend auf einem Sockel mit einer breitgelagerten, zweiläufigen Treppe mit Umgang erhebt sich das Hauptgeschoss aus gleichmäßigem und glattem Sandstein, untergliedert von zehn Pilastern. Daran schließt sich ein so genannter Tambour (frz. Trommel) an, der mit einem Putten­ und Girlandenfries unterhalb des Balkengesimskranzes versehen ist. Das kupferbeschlagene Kegeldach mit je zehn Gaubenfenstern und lukenartigen Lichtöffnungen, so genannten Lukarnen, ist bahnförmig gestaltet.

Bau des Mannheimer Wasserturms, 1887

Vor allem durch seine Bekrönungsfigur zieht das Dach die Blicke auf sich. Ursprünglich hatte Halmhuber diese Figur als Hebe, Göttin der Jugend, geplant. Dann aber hatte der Mannheimer Bildhauer Johannes Hoffart sie als 3,25 m hohe, etwa zwei Zentner wiegende Amphitrite, Gattin des Meeresgotts Poseidon, ausgeführt. Gerade dieser auffällige Schmuck und das weitere Bildprogramm heben den Turm fast schon in die Sphäre eines Nationaldenkmals. Hierzu tragen auch die im Barock so beliebten Sphingen bei, seit der Antike Symbole für Tempel­ oder Grabwächter, die den stilistischen Charakter des Baus unterstreichen.

Nicht weniger als 450.000 Mark hatte sich die Stadt das am 12. August 1889 feierlich eingeweihte Meisterwerk kosten lassen, rund das Zweieinhalbfache, was an Baukosten ursprünglich kalkuliert worden war. Vergessen waren die endlosen Querelen mit dem eigensinnigen Architekten wie dem Bildhauer, voller Stolz nahm die Stadtbewohnerschaft "ihren Wasserturm" an.

Danach galt es, den zunächst noch etwas einsam in der Landschaft wirkenden Recken mit einer öffentlichen Platzanlage zu umgeben, die der Stadterweiterung nach Osten ein großstädtisches, mithin großzügiges Gepräge geben sollte. Ganz allmählich setzte sich der Plan durch, in Sichtnähe des Wasserturms eine große Festhalle, den späteren Rosengarten, sowie ein den Platz begrenzendes Arkadenensemble zu platzieren, wofür der Berliner Architekt Professor Bruno Schmitz verantwortlich zeichnete. Sein neobarockes Ensemble mit dekorativen Jugendstilelementen verleiht dem Friedrichsplatz jene Aura, die bis heute viele Besucher in ihren Bann zieht.

Derart wirkungsvoll eingebettet überlebte das Monument Mannheimer Bürgerstolzes auch in schweren Zeiten. Der Wasserturm wurde im Zweiten Weltkrieg Opfer jenes massiven Bombenangriffs in der Nacht vom 5. auf den 6. September 1943, bei dem große Teile der Innenstadt in Schutt und Asche versanken. Zwar wiesen der eigentliche Turm und seine wassertechnischen Einrichtungen nur leichte Schäden auf, dafür war er gänzlich seiner Haube beraubt worden, weswegen ihm bereits kurz nach Kriegsende ein Notdach verpasst wurde. Danach folgten zahllose Debatten wie auch Meinungsumfragen in der Tageszeitung, was denn mit dem Turm geschehen solle. Alle kühnen Bauprojekte wie der preisgekrönte Entwurf von Rolf Volhard von 1956 fielen allerdings bei den Bürgern durch.

Entwurf des Wasserturms von Rolf Volhard, 1955

Der Chef des Hochbauamts Heinrich Willing lieferte dann 1960 entscheidende Argumente für die Rekonstruktion des Turms, die 1962 begann und mit der Aufbringung der Amphitrite am 6. November 1963 vollendet wurde. Mannheim hatte sein Wahrzeichen wieder, das ihm bzw. seiner Eigentümerin, der MVV Energie AG, bis heute im wahrsten Sinne des Wortes lieb und teuer ist und das seit 1988 unter Denkmalschutz steht.

 

alles zum Thema: Stadtgeschichte, Wasserturm

Höchste Zeit für ein neues Schloss!

Vor genau 300 Jahren erfolgt die feierliche Grundsteinlegung für das Mannheimer Schloss. Seine repräsentativ ausgedehnte Schlossanlage in der Rheinebene ist längst überfällig, schließlich haben andere Fürsten schon ihre alten Residenzen erneuert oder durch Neubauten ersetzt.

Ganzer Beitrag

Elsbeth Janda. Eine Erinnerung an die große Dame der Kurpfalz

Am 27. Dezember 2023 jährt sich der 100. Geburtstag der bekannten Schauspielerin, Kabarettistin, Sängerin und Autorin Elsbeth Janda (1923-2005). An die Grand Dame Palatine erinnern sich noch viele, unvergessen etwa ihre Auftritte im Oststadt-Theater, im Schatzkistl oder auf der Seebühne im Luisenpark. „Sie hatte Herz und Gosch,“ meinte am 19. April 2005 etwa die Heidelberger Oberbürgermeisterin Beate Weber bei der Trauerfeier in der Heiliggeistkirche. Über 600 Personen nahmen damals Abschied von ihrer „Elsbeth“.

Ganzer Beitrag