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Hit, Strike und Home Run - deutsche Baseballhauptstadt Mannheim

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Basbeball-Training mit Trainer Mayor Clynn, 1950er Jahre

Guter Sportsgeist zwischen den einzelnen bringt auch einen guten Geist zwischen den Nationen. Überzeugt vom demokratischen Wert des Sports räumte die amerikanische Besatzungsmacht nach 1945 im Rahmen ihres Reeducation-Programms auch in Mannheim dem Sport eine zentrale Stellung ein.

So erhob Major Reilly von der Militärregierung gar den Anspruch, Mannheim solle das Zentrum des Sports in Deutschland werden. Bis 1946 konnten sich zahlreiche Vereine neu gründen und einen enormen Mitgliederzufluss verzeichnen; demgegenüber stand freilich ein logistisches Problem: Platzmangel. Denn die Besatzungstruppen hatten neben Gebäuden auch zahlreiche Sportanlagen beschlagnahmt.

Statt Fußball, Leichtathletik oder Turnen wurde dort nun eine Sportart gepflegt, die hierzulande nahezu unbekannt war: Knapp zehn Jahre, nachdem im Rahmen der Olympiade 1936 das erste Baseball-Spiel auf deutschem Boden ausgetragen worden war, traten in deutschen Stadien amerikanische Militärbaseballmannschaften gegeneinander an; die besten spielten um die G.I. World Series – die armeeinterne Weltmeisterschaft.

Herausragend in diesem Wettbewerb waren unter anderem die Mannheim Tornadoes, die Mannschaft der örtlichen Garnison, die zahlreiche Profis in ihren Reihen hatte und 1949 die Serie gewann. Doch nicht nur amerikanische Soldaten, sondern auch viele Mannheimer Jugendliche wurden von der Sportart in den Bann gezogen. Wenn die Tornadoes trainierten, lauerten viele Jungs am Spielfeldrand, um ihren Idolen als Lauf-Boys Hamburger, Hot Dogs oder Getränke zu bringen. Ausrangierte Ausrüstungsgegenstände der Profis wie Schläger oder Baseballs nutzten sie für eigene Spielversuche, und schon bald gründeten sich Straßenmannschaften, die etwa auf dem Areal des Neuostheimer Flughafens gegeneinander spielten.

Baseballspiel amerikanischer Mannschaften im (späteren Rhein-Neckar-)Stadion, 1947

Das war von amerikanischer Seite im Rahmen der Jugendarbeit politisch durchaus gewollt und wurde deshalb sowohl mit Material als auch logistisch unterstützt. Vielerorts, wo es amerikanische Garnisonen gab, entstanden Baseball-Jugendmannschaften. So wurde 1949 mit den Frankfurt Juniors der erste deutsche Baseball-Club gegründet. Ihm folgten weitere in Stuttgart, Marburg oder München, aber auch der 1953 von Claus Helmig ins Leben gerufene 1. Mannheimer Baseball Club Knights.

Aus den ehemaligen Straßenbaseballern war eine talentierte Gemeinschaft geworden, die nach wie vor eng mit dem amerikanischen Armeesport verbunden war. Nicht nur konnte mit "Mac" MacDuffy ein hervorragender Trainer gewonnen werden, die Mannschaft wurde auch personell mit einigen US-Soldaten verstärkt. Englisch war zunächst die Sprache auf dem Spielfeld der Knights, bei denen der American Way of Life Einzug hielt. Die Trikots waren den großen Vorbildern nachempfunden, und bei den Spielen gab es statt Bratwürsten Hot Dogs, und statt Bier wurde Cola ausgeschenkt. Die Mannheimer Spieler avancierten bald zum Serienmeister in Deutschland. Der ersten Meisterschaft 1954 folgten bis 1970 fast ein Dutzend weitere.

Parallel zu diesen nationalen Erfolgen sorgten Baseballer aus Mannheim auch international für Furore, bildeten sie doch den Kern der neu gegründeten deutschen Nationalmannschaft. Der bis heute unerreichte sportliche Höhepunkt war der zweite Platz bei der Baseball-Europameisterschaft 1957, die in Mannheim ausgetragen wurde. Nicht weniger als neun Spieler von insgesamt 17 im Kader stammten aus der Quadratestadt, darunter Claus und Jürgen Helmig, Hans-Norbert Jäger und Roland Hoffmann. Es folgten weitere Teilnahmen an Europa- und Weltmeisterschaften wie 1972 in Nicaragua.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich der deutsche Baseball allerdings in einer tiefen Krise, denn es musste immer wieder aufs Neue um die Finanzierung des Spielbetriebs gekämpft werden; es fehlte an professionellen organisatorischen Strukturen und zunehmend an Nachwuchs. Die Mannheimer Knights waren 1960 dem Turnerbund Germania Mannheim beigetreten, in dem sie eine eigene Abteilung bildeten und weitere Meistertitel gewinnen konnten. 1965 wechselten die Baseballer in großer Zahl zum VfR Mannheim und bescherten auch diesem Verein bis 1970 noch drei Meisterschaften. Mit dem Abtreten der ehemaligen Straßenbaseballer als aktive Spieler verschwand die Sportart jedoch von der Bildfläche. Dies ging so weit, dass im folgenden Jahrzehnt keine Deutschen Meisterschaften ausgetragen wurden.

Erst zu Beginn der 1980er Jahre sollte Baseball in Deutschland aus dem Dornröschenschlaf erwachen. Keimzelle dieses Comebacks war die Mannheimer Baseballszene, wo seit 1972 zunächst unter dem Dach des VfR und ab 1975 bei den neu gegründeten Mannheim Tornados, dem bundesweit ersten selbstständigen Baseballverein, intensive Jugendarbeit geleistet worden war. Die Tornados bekamen nicht nur Vorbildcharakter für weitere Vereinsgründungen im Baseball, sondern beherrschten auch über Jahre hinweg den deutschen Baseball mit zahlreichen Meistertiteln. Mannheim war damit zwar nicht das Zentrum des Sports in Deutschland geworden – wie einst von Major Reilly gefordert; dennoch kann es mit Fug und Recht als die deutsche Baseballhauptstadt im 20. Jahrhundert gelten.

 

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