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Die Geschichte des Mannheimer Portlandzementwerks

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schwarz-weiß Foto von Packern und Verladern der Mannheimer Portland-Cement-Fabrik, 1897

Direkt gegenüber dem MARCHIVUM, am Brückenkopf der Jungbuschbrücke stand 40 Jahre lang die Portland-Cement-Fabrik Mannheim, das älteste Zementwerk in Baden. Seine Gründung hängt mit der Entstehung eines neuen deutschen Industriezweigs und sein Ende mit der Entwicklung der Stadt Mannheim zusammen.

Am Ende der 1850er-Jahre stellten deutsche Zementfabriken den neuen Baustoff Portlandzement nur in geringer Menge her. Die englische Konkurrenz war übermächtig, die Preise dafür sehr hoch: Ein einzelnes Fass von 170 kg Nettogewicht kostete neun Gulden. Dies brachte Geschäftsleute, wie den aus Frankfurt stammenden Kaufmann Carl Dietzsch auf die Idee, in diesen aufstrebenden Industriezweig zu investieren. Nachdem das Großherzoglich Badische Stadtamt am 24. September 1860 die Genehmigung seines Antrags "Zu Bau und Errichtung eines Stampf- und Mühlenwerkes" erteilt hatte, kaufte er am 3. Oktober die zuvor ausgesuchten Grundstücke im Jungbusch zwischen dem Hummelsgraben und dem Neckarvorland (zwischen der späteren Dalberg- und Seilerstraße). Am 8. Dezember 1860 begannen die Untersuchungen mit Schieferkalk aus Langenbrücken, Kalktuff und Kalkmergel aus der Nähe von Diedesheim und Haßmersheim.

Das Mannheimer Zementwerk vom Neckar aus, 1890 © HeidelbergCement

Nach einigen Monaten hatten aber die Versuche, Bauten und Einrichtungen der neuen Fabrik größere Mittel verschlungen als Dietzsch aufbringen konnte. Zu Hilfe kam ihm der vermögende Mannheimer Bürger Julius Friedrich Espenschied. Zum 1. März 1861 übernahm er die Fabrik und Dietzsch konnte seine Versuche fortsetzen. Den Durchbruch brachte ein Probebrand im September 1861. Im nächsten Jahr begann daraufhin der Verkauf, wenn auch in bescheidenen Mengen.

Espenschied setzte nach Übernahme der Fabrik seinen Vetter, Dr. Richard Espenschied, einen tüchtigen Chemiker ein, der auch bald die chemische Zusammensetzung der Rohstoffe sicherstellte. Der Brennbetrieb blieb aber aufgrund der periodisch arbeitenden Schachtöfen unwirtschaftlich, ein neu gebauter Ringofen erwies sich als zu klein. Die Anlagen verschlangen Unsummen und der Erfolg war nicht abzusehen. Auch am Markt schienen die Vorurteile gegen den deutschen Portlandzement zu Gunsten des englischen Fabrikats und die Preisvorteile des Romanzements unüberwindlich. Erst mit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 änderte sich die Situation. Durch französische Reparationszahlungen beflügelt, kam es zu einem Gründerboom, der insbesondere der Bauwirtschaft eine Hochkonjunktur bescherte.

Um die für den laufenden Umbau der Fabrik benötigten Geldmittel beschaffen zu können, wandelte Espenschied das Unternehmen 1876 in eine Aktiengesellschaft mit einer Million Mark Grundkapital um. Im Oktober 1878 trat er vom Aufsichtsratsvorsitz zurück und ging in den Ruhestand. Am 12. Januar 1881 übernahm Ingenieur Wilhelm Merz die technische Leitung. Unter ihm sollte die Zementfabrik in Mannheim bald eine neue Blütezeit erleben. 1885 wurde die Fabrik von Grund auf umgestaltet: Die alten Schachtöfen wurden stillgelegt und Etagenöfen sowie ein neuer Ringofen gebaut.

Gründer und Leiter des Zementwerks (v.l.n.r.): Carl Dietzsch (um 1860), Wilhelm Merz (um 1910), Friedrich Espenschied (um 1860) © HeidelbergCement

In der Mitte der 1880er-Jahre stieg die Nachfrage nach Portlandzement schnell an. Auch in der Mannheimer Portland-Cement-Fabrik verbesserte sich der Absatz von 100.000 Fass (17.000 t) im Jahr 1881 auf 153.500 Fass (26.100 t) im Jahr 1886. Sie konnte zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer beengten Lage in der Stadt einer höheren Nachfrage kaum nachkommen, konnte aber auch nicht erweitert werden und musste nach einem Ausweg suchen. Die günstige Lage des Zementwerks in Weisenau am Rhein bei Mainz machten die Anlage für die Mannheimer interessant, da sich dadurch die Übernahme eines Teils der Produktion sowie ein einfacher Kalksteintransport nach Mannheim realisieren ließen. Nach längeren Verhandlungen einigte man sich am 15. November 1887 auf einen Verkaufspreis von 800.000 Mark. Trotz der zahlreichen Neuanlagen soll sich die Weisenauer Fabrik in einem "durchaus verkommenen, nicht mehr betriebsfähigen" Zustand befunden haben. Wilhelm Merz ging auch hier daran, die Betriebseinrichtungen zu verbessern und erheblich zu erweitern.

Nach den Krisenjahren von 1889 bis 1893 zog der Zementverbrauch ab Mitte der 1890er-Jahre stark an. Die Mannheimer Portland-Cement-Fabrik setzte auf weitere Modernisierung: Es wurden zahlreiche Umbauten und Investitionen in neue Ofen-, Trocknungs- und Mahlanlagen getätigt. Der Ausbau erhielt einen Rückschlag, als am 18. August 1899 ein Brand den Ringofen mit Trocknerei vollständig sowie die Ziegelei, Schlämmerei und Mischerei teilweise einäscherte.

Aufgrund der Krisenerfahrungen hatten sich die meisten Hersteller im Verband der Süddeutschen Portland-Cement-Fabriken zusammengeschlossen. Durch Versandkontingente und Preiskonventionen versuchten sie, einem erneuten ruinösen Wettbewerb zu entgehen. Trotz aller Versuche gelang es dem Syndikat nicht, die Überproduktion, die von den zahlreichen spekulativen Neugründungen herrührte, zu verhindern und die Zementpreise zu stabilisieren. Der freie Wettbewerb unter den Zementherstellern löste in den Jahren 1901-1903 einen erneuten Preiskampf aus.

Die Mannheimer Portland-Cement-Fabrik war durch ihre hohen Produktionskosten besonders vom Preisverfall betroffen. Dem konkurrenzfähigen Ausbau des Standorts standen nahe gelegene Wohnhäuser entgegen und immer häufiger beschwerten sich die Anwohner über die Staub- und Rauchbelästigung. Zu Beginn des Jahres 1899 erhielt der Vorstand davon Kenntnis, dass die Stadt Mannheim beabsichtigte, unmittelbar hinter dem Verwaltungsgebäude der Gesellschaft eine feste Brücke, die Jungbuschbrücke (erbaut 1905-1908), zu errichten und dass sie dem Unternehmen nahelegte, den Fabrikbetrieb dort aufzugeben. Unter diesen Voraussetzungen war der Standort der Fabrik nicht zu halten. Der Preiskampf ab 1901 gab ihr den Gnadenstoß.

Daraufhin trafen sich der Mannheimer Vorstand Christoph Riehm und Friedrich Schott vom Portland-Cement-Werk Heidelberg (heute: HeidelbergCement AG) zu einer Unterredung. Schott überzeugte Riehm davon, dass die Fusion mit Heidelberg die beste Lösung sei, da die Mannheimer Fabrik über kurz oder lang stillgelegt werden müsse. Die Produktion von Mannheim könnte das neue Werk in Leimen einfach übernehmen, die Mannheimer Kundschaft in Württemberg und Bayern könnte vom Nürtinger Werk beliefert werden. Nordwestdeutschland, Holland und die überseeischen Gebiete könnte dagegen Weisenau übernehmen. Dadurch wären eine entscheidende Verbilligung der Frachtkosten und eine Reduzierung der Selbstkosten möglich.

Zementmarken der fusionierten Firmen, nach 1901 © HeidelbergCement

Diese Gesichtspunkte leuchteten den Mannheimern ein, sodass es am 1. Juni 1901 zur Fusion zwischen Heidelberg und Mannheim kam. Die neue Firma mit Sitz in Heidelberg firmierte unter Portland-Cement-Werke Heidelberg und Mannheim Actiengesellschaft. Nach der Verschmelzung beider Betriebe verlagerte sich die Produktion von Mannheim zunehmend nach Leimen, sodass im Jahre 1902 das Werk in Mannheim endgültig stillgelegt und abgerissen wurde. Ein Teil der maschinellen Ausstattung wurde zur Erweiterung der Zementmühle und des Maschinenhauses im Nürtinger Werks verwendet.

Die Autoren arbeiten im Bereich Company Archives & History Communication bei der HeidelbergCement AG.

Die Oppauer Explosionskatastrophe von 1921

Am 21. September 1921, früh um 7.32 Uhr, bebte im Rhein-Neckar-Raum die Erde. Einem dumpfen Schlag folgten unmittelbar darauf die Druckwellen einer ungeheuren Explosion. In die Luft gegangen waren aus dem Silobau 110 des Oppauer Stickstoffwerks der BASF 4.000 t Ammoniumsulfatsalpeter, woraus nach dem Haber-Bosch-Verfahren Ammoniak als Düngemittel hätte produziert werden sollen.

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