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Die Anfänge des Radsports in Mannheim

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Schwarz-Weiß-Foto Radrennen

Vor etwas mehr als 200 Jahren erfand Karl Drais mit seiner Laufmaschine in Mannheim den Vorläufer des heutigen Fahrrads. Am 12. Juni 1817 unternahm er seine erste Fahrt von der Quadratestadt nach Schwetzingen. Doch dauerte es mehrere Jahrzehnte, bis das Fortbewegungsmittel allgemeine Verbreitung fand.

Dies geschah erst, nachdem der Kutschenmacher Pierrre Michaux aus Paris die Drais’sche Erfindung zu Beginn der 1860er Jahre mit Tretkurbeln am Vorderrad ausstattete. 1867 wurde seine Konstruktion bei der Pariser Weltausstellung vorgeführt und erfreute sich bald großer Beliebtheit. In mehreren großen Metropolen wie Paris, Wien, London und New York gründeten sich "Velocipedesvereine.

Karl Benz erinnerte sich

Von der damaligen Fahrradbegeisterung wurde auch Mannheim erfasst. Zu den frühen Nutzern des Velocipeds gehörte dort der Ingenieur und später Erfinder des Automobils Karl Benz. 1913 erinnerte er sich an die schwierige Handhabung der ersten Fahrräder: "Es war kein Hochrad, wie sie später erst aufkamen, es war eine Nachbildung der alten Draisschen Laufmaschine, deren Vorderrad durch zwei Kurbeln direkt angetrieben wurde. Das Vorderrad mag fast einen Meter Durchmesser gehabt haben und war ein gutes Stück höher als das Hinterrad, auf dem der Sitz in ganz primitiver Weise angebracht war. Die Räder waren, wie überhaupt das ganze Fahrzeug, aus Holz und wurden durch eiserne Reifen zusammengehalten. Es war eine plumpe, schwere Maschine. […] Ich […] hatte in vierzehn Tagen glücklich erlernt, mich auf dem Fahrzeug zu bewegen und das Gleichgewicht zu halten, es war allerdings eine schwierige Arbeit gewesen, und stolz wie nie in meinem Leben durchfuhr ich die Straßen Mannheims, angestaunt von Alt und Jung. Eine Sensation gab’s immer in der noch kleinen Stadt, wenn ich im Schweiße meines Angesichts durch die Straßen pedalierte. Kehrte ich irgendwo in einem Gasthause ein und lehnte mein schweres Vehikel an das Haus, so sammelten sich sofort die Menschen und diskutierten darüber, ob sich’s wohl schwer oder leicht darauf fahren möge. Das Rad mag nicht viel weniger als 1 Zentner gewogen haben und es war keine kleine Arbeit, an warmen Tagen durch das Land zu fahren. Mancher Schweißtropfen fiel zur Erde und mancher Spott blieb mir nicht erspart."

Der erste "Vélocipèdes Club"

Schließlich fanden sich zu Beginn des Jahres 1869 einige Mannheimer Fahrradenthusiasten zusammen und gründeten am 16. März 1869 den "Vélocipèdes Club". Die Aktivitäten des Vereins, der zu den ersten derartigen Vereinigungen im deutschen Sprachraum gehörte, wurden weit außerhalb der Kurpfalz zur Kenntnis genommen.

1869 war der "Vélocipdèdes Club" kurzzeitig in Mannheim aktiv (Neue Badische Landeszeitung, 5. August 1969 – Morgenblatt)

Im April 1869 wurde die Vereinsgründung in den "Deutschen Blättern" – einer Beilage der bekannten Illustrierten "Die Gartenlaube" – erwähnt und der Club fand damals auch das Interesse der deutschsprachigen, in Erie im US-Bundesstaat Pennsylvania erscheinenden Tageszeitung "Leuchtturm".

Die ersten Mannheimer Velozipedisten unternahmen gemeinsame Ausflugsfahrten, die bald bis Heidelberg gingen. Allerdings scheinen nicht alle Radsportler mit den frühen, schwerfälligen Konstruktionen zurechtgekommen zu sein, zumal die Mitglieder das Radfahren auch erst im Erwachsenenalter erlernten. Denn nur wenige Monaten nach der Gründung löste sich der Verein im Herbst 1869 bereits wieder auf.  

Boomjahre Ende des 19. Jahrhunderts

Zu Beginn der 1880er Jahre kam es zu einigen technischen Veränderungen an den Fahrrädern In diesen Zeit kamen kurzzeitig Hochräder in Mode. Diese wurden aus Stahlrohr gefertigt und waren wesentlich leichter als ihre massiven Vorgänger. Gleichzeitig wurden die ersten Niederräder mit Kettenantrieb entwickelt.

Anfang August 1882 wurde mit dem "Velociped-Club Mannheim" wieder ein Fahrradverein in Mannheim gegründet. Zehn Monate später folgte mit dem "Velocipedisten-Verein" bereits der nächste Club. Beide Vereine legten mit Unterstützung der Stadt unweit des Neckars zwei Radrennbahnen im Gewann "Rosengarten" an, auf denen sie in den nächsten Jahren einen umfangreichen Wettkampfsport betrieben. Gewöhnlich wurde im Frühjahr und Herbst Wett-bewerbe mit Rennen für Hoch-, Nieder- und Dreiräder über Strecken von 2000 bis 10.000 Meter organisiert. Daran  beteiligten sich im größeren Umfang Radsportler aus anderen deutschen Städten. Einige der erfolgreichsten Rennfahrer Deutschlands kamen damals aus Mannheim oder starteten für Radsportvereine der Kurpfalzmetropole. Tobias Herbel vom "Velociped-Club Mannheim" wurde 1890 bei den nationalen Titelkämpfen in München deutscher Meister über 5000 Meter mit dem Dreirad. Sein Vereinskamerad Karl Hess setzte seine Karriere ab 1892 für zwei Jahre in den Vereinigten Staaten fort. Im Spätsommer 1892 stellte er zusammen mit einem New Yorker Teamkollegen in Springfield (Illinois) über die Distanz von einer Meile einen Weltrekord im Tandemfahren auf.

Der Kunstradreigen des "Velocipedisten-Vereins" bei einem Auftritt im Januar 1887

Die Jahre bis zum Ersten Weltkrieg

Technische Verbesserungen wie Gummireifen vereinfachten die Handhabung der Fahrräder, so dass sich das Verkehrsmittel ab dem letzten Jahrhunderts des 19. Jahrhunderts einer immer größeren Beliebtheit erfreute. Zudem wurden die Räder infolge der industriellen Massenproduktion billiger und konnten nun von bereiten Kreisen der Bevölkerung erworben werden.

Das machte sich auch an der Zahl der Mannheimer Radfahrvereine bemerkbar. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden in der Stadt 15 Radsportclubs gegründet. Daneben bestand eine Ortsgruppe des Radsportdachverbandes "Allgemeine Radfahrer Union", die vor allem das Radwandern fördern wollte. Mit mehr als 900 Mitgliedern aus Mannheim und Umgebung war sie zeitweise die größte radsportliche Vereinigung der Quadratestadt. Im Gegensatz zu den lokalen Radsportvereinen nahm die "Allgemeine Radfahrer Union" auch Frauen auf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag der Anteil ihrer weiblichen Mitglieder in Mannheim bei immerhin rund 10 Prozent. So wundert es nicht, dass dort eine eigene Damenabteilung bestand.

Die Aktivitäten der Mannheimer Radsportvereine waren im Lauf der Zeit Veränderungen unterworfen. Während der Bahnradsport gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgegeben wurde und sich nur wenige Radsportclubs im Bereich des Kunstradfahrens engagierten, erfreuten sich an der Wende vom 19. Jahrhundert zum 20. Jahrhundert Corso- und Ausflugsfahrten einer immer größeren Beliebtheit. Auch die gesellschaftliche Zusammensetzung der Vereine änderte sich. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Mitgliederzahlen der bürgerlichen Vereine rückläufig. Dagegen übten immer mehr Arbeiter den Radsport aus. 1914 bestanden in Mannheim drei Arbeiterradfahrvereine, von denen der größte 750 Mitglieder zählte. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 kamen die Aktivitäten der örtlichen Radsportvereine schließlich für ein paar Jahre zum Erliegen.

 

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Ein Mord im Jahr 1922 - und die frühe völkische Bewegung in Mannheim

Zu Recht weisen zahlreiche Publikationen auf die in der Stadt sehr aktive Arbeiterbewegung und vor allem auf den von der Arbeiterbewegung ausgehenden Widerstand während der NS-Zeit hin: Das "rote Mannheim" existierte. In Vergessenheit geraten ist darüber gelegentlich die Tatsache, dass es auch in Mannheim bereits deutlich vor 1933 völkische und antisemitische Strukturen gab, die umfangreicher und in der Bürgerschaft verwurzelter waren, als man es nach 1945 wahrhaben wollte.

Die komplette Studie kann am Ende des Beitrags heruntergeladen werden.

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