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Die Mannheimer Sackträger

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schwarz-weiß Foto Sackträgerdenkmal im Jungbusch (Ausschnitt)

Sackträger sind meist an Warenumschlagplätzen zu verorten, seien es Märkte wie z. B. in Herdegen oder an Häfen wie z. B. in Neuss, Frankfurt oder Mannheim. Sie wurden gebraucht, um Waren von Wagen oder Schiffen auf- oder abzuladen und zu befördern. Ihre erste Erwähnung für Mannheim findet sich in den "Instruktionen für Sackträger auf dem Fruchtmarkt" von 1789.

Die günstige Lage Mannheims zwischen Rhein und Neckar ließ die Stadt schon früh zu einem Warenumschlagplatz aufsteigen. Aus dem Odenwald über den Neckar kamen Steine und Holz, die zum Teil bis in die Niederlande gebracht wurden. In Mannheim wurde das Holz angelandet und umgebunden. Das gab ausgebildeten Flößern und Vorderleuten im 18. und 19. Jahrhundert Arbeit und Brot, wenn sie mobil waren. Vor Ort aber arbeiteten die Sackträger, die vor allem gebraucht wurden, als der Landesproduktenhandel mit Getreide, Tabak, Krapp und Wein in Schwung kam.

1808 wurde Mannheim zum Neckarstapel erklärt, d.h., alle Waren, die per Schiff kamen, mussten umgeladen werden. Als 1827 die badische Landesregierung den Neckarstapel aufhob, wurde 1828 Ersatz geschaffen durch die Erklärung zum Freihandelshafen, was die Mainzer Akte von 1831 bestätigte. Dies bedeutete den Erlass aller Ein- und Ausgangszölle für Waren aus oder nach den Niederlanden, keine generelle Zollfreiheit.

Auch das Aufkommen der Dampfschifffahrt förderte die Entwicklung und machte den Bau eines neuen Hafens notwendig, der 1840 eingeweiht wurde. Zu dieser Zeit dürften die Sackträger in der westlichen Unterstadt, der Filsbach, gewohnt haben. Sie galten grundsätzlich als friedliche Leute, die wenig Streit miteinander hatten. Bei der gründerzeitlichen Stadterweiterung um 1870 entstand der Stadtteil Jungbusch, ursprünglich Allmendeland, das 1606 den Bewohnern des Dorfes Mannheim zugewiesen worden war.

Der Jungbusch umfasst noch heute das Wohngebiet zwischen dem Luisenring, der Hafenstraße bzw. dem Neckar und dem Handelshafen. Dieser wurde in den Folgejahren ständig erweitert, schon 1845 mit dem Kohlehafen, 1875 dem Mühlauhafen und schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Industriehafen nördlich des Neckars. So beherrschten im Jungbusch bald die Sackträger das Straßenbild.

Sackträgerdenkmal im Jungbusch

Eine gute Beschreibung dieses Stadtteils bietet Nora Noé in ihrem Roman "Mitten im Jungbusch". Dort heißt es zu den Sackträgern: "Sackträger waren in der sozialen Hackordnung ganz unten angesiedelt und viele von diesen ‚starken‘ Männern aus einfachen Verhältnissen gebärdeten sich auch ihrem Ruf entsprechend. So arbeiteten viele mit nacktem Oberkörper und kurzem Beinkleid. Dies wurde von den anständigen Bürgern als sittenwidriges Auftreten gewertet, besonders dann, wenn die Sackträger unter dem Einfluss von Alkohol grölend durch den Jungbusch zogen und ihr ‚Sackträger-Lied‘ sangen."

Die Arbeitszeiten der Sackträger regelten sich durch die Öffnungszeiten des Hafens zwischen sechs Uhr morgens und sieben Uhr abends mit ein oder zwei Ruhestunden. Oft wurden aber auch Überstunden gemacht. Verantwortlich für die Hafenarbeiter waren die Oberspanner (Akkordanten), die mit dem Großherzoglichen Zollamt im Vertrag standen. Sie stellten die Sackträger, die im Tagelohn arbeiteten, ein. Verdient wurde prinzipiell nicht schlecht, nämlich zwischen 40 und 50 Kreuzern pro Tag, was etwa dem Preis von drei Pfund Schweinefleisch entsprach. Aber die Arbeit war unregelmäßig, weil sie sich nach dem Bedarf richtete, und außerordentlich hart. An Sonn- und Feiertagen durfte nicht gearbeitet werden, was völligen Lohnausfall bedeutete. Ließen sich die Sackträger etwas zu Schulden kommen, konnten sie ohne Begründung sofort aus dem Arbeitsverhältnis entlassen werden.

Ein Zeitzeuge berichtet davon, dass die Sackträger grob, derb und ordinär gewesen seien und dafür bekannt, "daß, se alles versoffe hawwe, was grad verdient worre is." Sie mussten "hart schaffe, hawwe viel verdient un hawwe dann in de Wirtschaft es Abendmahl eingnomme morgens um halbacht schon." Das Abendmahl war ein spezieller Ausdruck der Sackträger für "trinken". So konnten zu einem Frühstück schon zwei bis drei Schweinsrippchen mit Kraut und zwei Stein Bier weggeputzt werden. In Folge entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Schankkneipen im Jungbusch. Legendär wurden um die Jahrhundertwende die Wirtshaustouren der Sackträger, die nicht selten in Ruhestörung und Schlägereien endeten.

Bezeugt wird auch, dass sie einen eigenen Dialekt gesprochen hätten, nämlich sehr hoch und mit zahlreichen jiddischen Wörtern. Viele ihrer Arbeitgeber waren Juden, die in Mannheim im Getreide- und Tabakhandel führend waren. Das Ende für diese Berufsgruppe kam mit der Einführung der maschinellen Entladung mittels Kränen und Spillanlagen in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Sackträger begannen aus dem Viertel zu verschwinden. Was blieb, waren die Kneipen, die sich recht bald in Bars verwandelten.

Der Bildhauer Gerd Dehof, Foto: Robert Häusser

Ein von dem Mannheimer Bildhauer Gerd Dehof geschaffenes Sackträgerdenkmal, das im Dezember 1982 im Jungbusch eingeweiht wurde, erinnert aber noch heutzutage an sie. Es steht an der Ecke Beil- und Böckstraße und wurde zum Symbol einfacher, schwer arbeitender Menschen nicht ohne Selbstbewusstsein, die einst diesem Stadtteil ihr Gesicht gaben. Das "Mannemer Sackträgerlied", das bei Vereinsfeiern und Männersaufgelagen immer noch oder heute wieder gesungen wird, fasst unsere Erkenntnisse über die Mannheimer Sackträger gut zusammen:

Sackträgerlied – die Stromer

Ja, mir sin die Stromer, die des Mannemer Trottoir
ziere.
Ja, mir sin die Stromer, wie mer lewe, wie mer sterbe
Mit der Batschkapp im Genick.

In Mannem uff de Brick
mit de Batschkapp im Genick
mit de englisch ledderne Hose
Do sescht de Franz zum Nick,
her, geb ma mol en Schick (Stück Kautabak)
sunscht muss ich dir uff dein Griewehals nuff stoße

Refrain: Ja, mir sin….

Hamer nix mer druff,
dass es langt fer in de Puff16
gehn mer nunner in de Hafe,
scheppe Kohle.
Hammer fi nf Stund geschafft,
hammern zehner in de Tasch,
ja so is es bei de Mannemer Sackträgerschaft.

Refrain: Ja, mir sin….

 

 

 

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