Am 24. Februar wird dort nach der Absetzung des letzten französischen Königs Louis-Philippe die Zweite Französische Republik ausgerufen. Extrablätter der wichtigsten Mannheimer Zeitungen – wie die um 10 Uhr erschienene Beilage zum Mannheimer Journal – verbreiten an diesem Sonntag die Neuigkeit, auf die Mannheim als erste deutsche Stadt reagiert. Unter den Anwesenden befinden sich nicht wenige bekannte Lokal- und Landespolitiker. Der in Mannheim ansässige führende Oppositionelle Johann Adam von Itzstein wird zum Vorsitzenden der Versammlung gewählt. Der pensionierte Beamte ist Mitglied der Zweiten Kammer der Badischen Ständeversammlung, Sitz der Volksvertreter seit der Unterzeichnung der Badischen Verfassung im Jahr 1818.
Doch begeistert in Mannheim vor allem der Verleger Heinrich Hoff mit seinen leidenschaftlichen Reden. In "derber Sprache und handgreiflichen Bildern" schlägt er eine Petition mit den republikanischen Forderungen an die Zweite Kammer vor. Gustav Struve, der als Anwalt in Mannheim tätig ist und mit Friedrich Hecker einer der führenden Köpfe der badischen Revolution, verliest die "Petition vieler Bürger und Einwohner der Stadt Mannheim, betreffend die endliche Erfüllung der gerechten Forderungen des Volkes". Die Anwesenden beschließen, die sogenannten Märzforderungen in Karlsruhe beim badischen Parlaments mit einer "Sturmpetition" durchzusetzen.
Flugblatt mit der Mannheimer Petition vom 27. Februar 1848, Offenburg, Stadtarchiv 48/149
Damals verbreiten Flugblätter den Appell an die "Hohe zweite Kammer!". Ziele sind: "Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft, ohne Unterschied der Geburt und des Standes". Besonders hervorgehoben werden die vier Belange: "Volksbewaffnung mit freien Wahlen der Offiziere", "Unbedingte Pressefreiheit" und "Schwurgerichte nach dem Vorbilde Englands", womit öffentliche Prozesse gemeint sind. Einhergehend mit diesen freiheitlichen Zielen geht der Aufruf zur Einheit, zur "Sofortige(n) Herstellung eines deutschen Parlamentes", mithin zur Bildung eines deutschen Nationalstaats, den weite Teile des liberalen Bürgertums fordern und damit die politischen Verhältnisse in den monarchischen Staaten des 1815 gegründeten Deutschen Bundes ablehnen. Im Gegensatz zu Vertreterinnen und Vertretern radikal demokratischer Ideen begnügen sich gemäßigte mit Reformen des bestehenden Systems. Damit ist bereits die spätere Spaltung der liberalen Opposition vorgezeichnet.
Kokarden aus der Revolutionszeit, Historisches Museum Frankfurt, CC-BY-SA
Mit Gleichgesinnten aus Baden ziehen die Mannheimerinnen und Mannheimer am 1. März nach Karlsruhe vor den Landtag, um den Forderungen nach demokratischen Rechten vehement Nachdruck zu verleihen. Die Demonstration wird schnell zur Massenveranstaltung, da die neue Badische Eisenbahn Menschen aus dem gesamten Großherzogtum nach Karlsruhe bringt. Etwa 600 Frauen und Männer der über 3.000 Demonstrantinnen und Demonstranten sind allein aus Mannheim angereist.
Der Mannheimer Abgeordnete Friedrich Hecker, der dem radikalen Flügel der demokratischen Opposition angehört, übergibt die Petition. "Keine Zeit zu Zeremonien" entgegnet er Innenminister Bekk, der die Zustimmung der Ersten Kammer zur Voraussetzung für eine Annahme der Petition macht. Heckers Vorschlag einer sofortigen parlamentarischen Beratung und einer Beschlussfassung innerhalb von 24 Stunden wird einstimmig angenommen. Zurück in Mannheim, kommt es zu einer spontanen Kundgebung vor dem Rathaus. Die Zuhörerinnen und Zuhörer jubeln, als Gustav Struve die Beschlüsse der Ständeversammlung vom Balkon des Rathauses mitteilt. Ein Reformprogramm wird am 2. März 1848 vom Großherzog gebilligt.
In der Frankfurter Paulskirche tritt in der Folge das Vorparlament zur Bildung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung zusammen. Die Deutsche Revolution hat begonnen! Die Mannheimer Forderungen nach Pressefreiheit, Schwurgerichten, Volksbewaffnung und einem nationalen Parlament werden zum Anliegen ganz Badens und des gesamten Deutschen Bundes. Von den Mannheimer Revolutionärinnen und Revolutionären gehen richtungweisende Impulse aus. Eine Grußadresse der Berliner Stadtverordneten im Mannheimer Journal an die "Schwesterstadt am Rhein" vom 25. Mai 1848 bestätigt: "daß Mannheim diesen Anstoß gegeben und [..] der Freiheit eine Gasse zu brechen in Deutschland zuerst gewagt hat." Weiter bemerken die Berliner: "Was ihr für Deutschland gethan, das ist und bleibt Euch unvergessen."
Damals können die begeisterten Aktivistinnen und Aktivisten noch nicht wissen, dass die Revolution schon im Folgejahr niedergeschlagen wird und sie Verfolgung und Bestrafung ausgesetzt werden. Doch bleiben ihre Forderungen bis heute zentrale politische Ziele.
Plakat zu den Feierlichkeiten 150 Jahre Revolution " Auf die Barrikaden", 1998
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