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"Der Rhein im Eispanzer" - eine Winterrecherche

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schwarz-weiß Foto eines Mannes, der am 18.Februar 1929 bei minus 16 Grad im Rhein badet und von einer Menschenmenge umgeben ist

Im letzten Winter, so der subjektive Eindruck, war es seit längerem einmal wieder für ein paar Wochen 'richtig' Winter in Mannheim.

Es schneite recht regelmäßig, der Schnee bedeckte hin und wieder die gegenüberliegenden Dächer und es gab einige Tage, in denen es praktisch konstant Minusgrade hatte. So konstant immerhin, dass sich nach dem Hochwasser auf den gefluteten Stellen an Rhein und Neckar Eisflächen bildeten. Familien rutschten übers Eis, manch einer machte der 'Eishockeystadt' Ehre und holte den Schläger samt Puck aus dem Schrank, andere rodelten mit ihren Schlitten auf dem Schnee den Damm hinab. Doch mit der Kälte waren auch Mühen verbunden. Wer bei Minusgraden draußen gearbeitet hat, etwa auf einer Baustelle, dürfte in diesen Tagen nicht so viel zu lachen gehabt haben und auch der ein oder andere Fahrradfahrer oder Fußgänger ist wohl auf dem vereisten Boden ausgerutscht.

Ein wenig frisch vielleicht, doch keineswegs ein kalter Winter, war der letzte, wenn wir ihn mit dem Mannheimer Jahrhundertwinter aus dem Jahr 1929 vergleichen. Gemeinhin findet man bei der Suche nach dem Wort "Jahrhundertwinter" zunächst den Winter 1978/79, der vor allem Norddeutschland schwer traf. Könnte der Rhein mit uns sprechen, würde er uns aber vom Winter 1928/29 erzählen: "Kalt war’s, bitter kalt. Vor Kälte erstarrt bin ich. Zugefroren von der Loreley bis Mainz, von Griesheim bis Speyer", würde er vielleicht sagen.


Überschriften aus der Neuen Mannheimer Zeitung vom Februar 1929

Die Ausgabe der Neuen Mannheimer Zeitung vom 13. Februar erzählt uns dagegen vom kältesten bis heute überlieferten Tag in Mannheim. Die Berichte beziehen sich auf den 12. Februar 1929. An diesem Tag hatte es wohl minus 22,6 Grad. Der Rhein ist bedeckt von einer "festen Eisdecke", "Scholle an Scholle", so dass man an einen "Schuppenpanzer" erinnert würde. "Kähne und Dampfer" liegen eingefroren am Flussrand und sind "vollständig vom Eise umgeben." Der Artikel macht uns mit einem Dampfer genauer bekannt. Dieser stößt heftige Wolken aus, "will zeigen, daß noch Leben in ihm ist. Der Kessel darf nicht einfrieren. Der Schaden wäre größer als die Kosten für das Brennmaterial, das verfeuert werden muß." Den Arbeitern des Schiffes ist der Dampfer zum Heim geworden. Die Matrosen sind zu einer unfreiwilligen Ruhe gezwungen und wollen nicht frieren.

Eine Fotographie vom 12. Februar zeigt den Lindenhöfer Schneidermeister Leonhard Rothkapp, wie er fast nackt auf dem Eis steht. Der Bilduntertitel schreibt gar von minus 24 Grad. Am 18. Februar lässt er sich umringt von Menschen in ein Loch in der Eisdecke direkt ins kalte Wasser hinab. Angemerkt ist bei den Bildern außerdem, dass es "tägliche" Bäder des Schneiders waren. Ein Artikel des Mannheimer Morgen von 2004 will sogar herausgefunden haben, dass er "noch 1954 pflegte […] um Neujahr in den Rhein zu springen." Man tut ihm wohl nicht unrecht, wenn man behauptet, dass Rothkapp ein Verfechter der Kältetherapie war.


Der Schneidermeister Leonhard Rothkapp steigt vor Publikum ins Eiswasser.

Ob alle, die den Rhein in diesen Tagen betreten, auch bereit sind, in ihm zu baden, darf hinterfragt werden. Trotz der Gefahr einzubrechen, wagen sich Menschen auf den zugefrorenen Fluss und überschreiten ihn, so dass die Zeitung am 15. Februar in großen Lettern den Aufruf der Ludwigshafener Polizei zitiert, der da lautet: "Herunter vom Rhein-Eis!". Doch schon einen Tag später berichtet die Zeitung über "eine wahre Völkerwanderung", die "in der Hauptsache unterhalb der Rheinbrücke" stattgefunden habe. "Ungezählte Tausende passierten die Eisdecke von hier nach Ludwigshafen und zurück." Das Resümee: "Die Warnungen der Polizeibehörde haben also nichts genützt."

Und auch der Neckar liegt in "Eisfesseln", wie die Zeitung schreibt: "Die blitzenden Neckarwellen sind verschwunden. Wie tot, still und starr, liegt der Fluß zwischen seinen Ufern." Hier ist es vor allem die Jugend, die den Neckar zur Brücke macht und auf dem Eis die Ufer wechselt.


Menschen überqueren das Eis.

In der Innenstadt haben die Feuerwehrleute und die Handwerker des Wasserwerks unterdessen besonders viel zu tun. In den Monaten Januar und Februar sind "schon mehr Wasserrohrbrüche vorgekommen, als früher im ganzen Jahr", schreibt die NMZ. Diese kommen vor allen Dingen infolge des Gefrierens zustande. Der Grundwasserstand ist ungewöhnlich tief und die strenge Kälte führt zu "Spannungen in der äußeren Erdrinde, die von den Wasserrohren nur bis zu einem gewissen Grade ausgehalten werden kann." Ein paar Tage später, am 19. Februar, ist gar von eingefrorenen Wasserleitungen zu lesen. Dies führt dazu, "daß die guten Bürger von Mannheim in kleinstädtliche Zustände zurückversetzt werden. Daß, wie in alter Zeit, das Wasser am gemeinsamen Brunnen geholt werden muß. […] Mit Eimern, Kannen, Fässern kommen die Leute, um Wasser an der Straßenecke zu holen." Die "Brunnen" sind in diesem Falle natürlich Hydranten.

Neben diesen Unannehmlichkeiten, finden einige auch den Tod durch Erfrieren. Zum Schutz der Kinder bis 14 Jahre werden Sporthallen zu Wärmehallen umfunktioniert. Den Bewohnern von Barackensiedlungen werden vom Fürsorgeamt "besondere Kohlenzuweisungen" und den "in der allgemeinen Armenpflege stehenden Personen […] Brennstoffzuwendungen" gewährt. Auch die Wirtschaft leidet unter der massiven Kälte. So wird diese für einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen verantwortlich gemacht. Vor allem das Baugewerbe hat auf verschiedenen Feldern mit der Kälte zu kämpfen. Die Landwirte können ihre Felder nicht so bearbeiten, wie sie es zu diesem Zeitpunkt gewohnt sind und die Binnenschifffahrt liegt, wie bereits geschildert, zu einem großen Teil brach. Lediglich Händler können beispielsweise mit dem Verkauf von Ohrenwärmern Profit aus der Krise schlagen.

Das letzte Mal ist es wohl 1954 der Fall gewesen, dass ein Mannheimer Fluss, der Neckar, "in Eisfesseln" lag. Selbst 1956, einem äußerst kalten Winter, war dies wohl nicht der Fall. Schaut man sich die Temperaturstatistik einmal an, findet man heraus, dass seit 1936 vier der fünf kältesten Tage in diesem Jahr waren. Der Mannheimer Morgen schreibt am 2. Februar 1956 gar einen Artikel unter der Überschrift "Die grimmigste Kälte seit dem Jahre 1929". Die kälteste Temperatur betrug wohl minus 21,1 Grad. In der jüngeren Vergangenheit war es der 6. Januar 2002, der mit minus 15,1 Grad noch am ehesten an diese Liga herankommt.

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