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Ein Leben voller Geschichten

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Foto schwarz-weiß eines Briefes an Meder

Günter Meder ist vielen Mannheimer*innen noch aus ihrer Kindheit bekannt. 1934 in Mannheim geboren, ist er seit Mitte der 50er Jahre als Märchenerzähler unterwegs. Ob in Krankenhäusern oder Schwimmbädern weiß er noch bis heute seine jungen Fans mit seinen Geschichten zu begeistern. Wir haben ihn ins MARCHIVUM eingeladen und ihn über seine Erlebnisse befragt.

Herr Meder, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich zu einem Gespräch mit uns bereit erklärt haben. Kannten Sie den Bunker – das heutige MARCHIVUM bereits?

Nach dem Umbau war ich bisher noch nicht hier, aber als alter Mannheimer kenne ich natürlich noch den Bunker aus Kriegszeiten und aus der Nachkriegszeit.

Sie sind bereits seit 65 Jahren Märchenerzähler. Wie kam es dazu?

Seit 1955 bin ich Ministrant. Damals war ich übrigens gerade 20 Jahre alt, und wir unternahmen mit der Jugendgruppe von St. Peter einen Ausflug in den Odenwald. Leider fuhr uns auf der Rückfahrt der Bus vor der Nase weg, und wir mussten die Wartezeit irgendwie überbrücken. Ein Mitglied der Gruppe hatte mich schon einmal erzählen hören und forderte mich auf, doch eine Geschichte zu erzählen. Erst zierte ich mich etwas, aber dann – auch auf Drängen des damaligen Pfarrers Bernhard Alfons Maier hin – begann ich eine Geschichte. Und bereits nach kurzer Zeit hingen alle an meinen Lippen. Da ich nicht sonderlich gut singen kann, unterhielt ich fortan die Kinder mit Geschichten.

Wie kam es denn dazu, dass Sie schon bald regelmäßig im Herzogenriedbad erzählten?

An einem schönen Sommertag war ich mit meiner Jugendgruppe der Gemeinde im Schwimmbad. Die Kinder baten mich, ihnen eine Geschichte zu erzählen. Und schon bald versammelten sich immer mehr Kinder um mich herum. Und die Idee war geboren. Der damalige Schwimmmeister Horst Fischer richtete mir sodann einen Schaukasten ein, in dem ich meine Erzählzeiten aushängen konnte: Ich ging jeden Tag direkt nach der Arbeit hin und habe immer um 16 Uhr und Samstag und Sonntag auch noch um 14 Uhr meine Geschichten erzählt.

Welche Art von Geschichten haben Sie eigentlich erzählt?

Eigentlich alles. Von Märchen über Sagen und Fabeln bis hin zu Rätseln und spannenden Filmen. Gerne habe ich Filme nacherzählt, die die Kinder aufgrund ihres Alters noch nicht sehen durften, wie zum Beispiel "Der weiße Hai". Das kam besonders im Schwimmbad immer gut an. Dabei habe ich aber die Geschichten nicht immer eins zu eins nacherzählt, sondern oft auch mit meinen eigenen Ideen ausgeschmückt. Eine Lieblingsgeschichte der Kinder war "Larry in der Schule". Larry ist dabei eine meiner verschiedenen Kunstfiguren gewesen: Er ist ein 21-jähriger Dummkopf, der noch immer in die erste Klasse geht und trotzdem viele brenzlige Situationen löst. Pate für diese Figur war Jerry Lewis.

Wie viele Geschichten kennen Sie eigentlich, und wie können Sie sich alle merken?

Ich kenne mehr als 450 Geschichten auswendig. Es reicht, wenn ich eine Geschichte einmal lese und schon kann ich sie mit Leben füllen.

Sie erzählen aber nicht nur in Schwimmbädern, sondern auch in Krankenhäusern. Wie kam es denn dazu?

Auch im Herschelbad war ich damals recht bekannt. Der Opa eines 12-jähriges Mädchens kam auf mich zu und bat mich, seine Enkelin im Krankenhaus zu besuchen und ihr dort eine Geschichte zu erzählen. Der damalige Chef der Kinderstation Professor Nissen fand diese Idee toll und forderte mich auf, doch auch für andere Kinder Geschichten zu erzählen. Das mache ich bis heute gerne.

Nach so vielen Begegnungen mit Kindern: An welches Ereignis erinnern Sie sich denn am liebsten?

Ein kleiner Patient sollte am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden. Der wollte aber nicht gehen und sagte stattdessen zu seinem Vater, dass er bleiben wolle, weil ich ja morgen wieder ihm etwas erzählen würde. Das hat mich besonders berührt.

Ihre Einschätzung bitte: Sind Geschichten und Märchen heutzutage noch relevant?

Phantasie ist zeitlos. Eine spannende Geschichte vermag immer noch zu fesseln, aber heutzutage sind die Kinder viel mehr eingebunden als früher, zum Beispiel wegen der Ganztagsschulen. Deswegen kommen heute nicht mehr ganz so viele Kinder zu mir.

Haben Sie auch einmal darüber nachgedacht, Erwachsenen Geschichten zu erzählen?

Nein, denn meine Geschichten waren immer eher auf Kinder ausgerichtet. Allerdings sind meine damaligen Fans heutzutage selbst Eltern. Und die bringen ihre Kinder zu mir. Mittlerweile habe ich zwei Publikationen und mehrere Erzähl-CDs herausgebracht. Ein dritter Band ist gerade in Arbeit.

Neulich im MARCHIVUM haben wir einen Filmabend veranstaltet und dabei auch einen Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "Günter und die Stars" von Tom Ammon gezeigt. Viele Besucher waren auf einmal wieder Kind. Haben Sie noch weitere Filmauftritte gehabt?

Tom Ammon kannte mich schon als Kind aus der Nachbarschaft und wollte mir ein filmisches Denkmal setzen. Ganz besonders hat mich gefreut, dass der bekannte Eddie Constantine in einer Szene mitwirkte. Darüber hinaus war ich noch neun Mal Gast im Fernsehen und bin in Sendungen wie "Ein Kessel Buntes" oder auch "Sag die Wahrheit" aufgetreten.

Für Ihr ehrenamtliches Engagement wurden Sie mehrfach ausgezeichnet.

Ja, das stimmt. 2003 erhielt ich die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg, 2005 eine Ehrenurkunde der Erzdiözese Freiburg sowie 2014 eine Auszeichnung für hervorragendes ehrenamtliches Engagement der Stadt Mannheim. Und 2016 kam dann noch die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland hinzu. Die wurde mir vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck verliehen. Jede Ehrung hat mich zwar sehr gefreut, aber am meisten freut mich das Leuchten in den Kinderaugen.

Sie leben ja Ihr ganzes Leben in Mannheim. Wie hat sich für Sie die Stadt über so einen langen Zeitraum hinweg verändert?

Ich bin meiner Heimatstadt nach wie vor sehr verbunden und denke, dass sich vieles positiv entwickelt hat. Besonders gut gefällt es mir, dass hier so viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern friedlich zusammenleben. Es hat mich daher nie in die Ferne gezogen. Dennoch bin ich viel gereist… allerdings mehr mit dem Kopf.

Lieber Herr Meder, vielen Dank für das Gespräch.

alles zum Thema: Günter, Meder, Märchen, Stadtgeschichte

Heim & Cie

Vor 100 Jahren entstand auf dem Lindenhof, genau dort wo die Stadt Mannheim derzeit ihr neues Technisches Rathaus errichtet, eine Autofabrik. Die spannende Geschichte des Firmengründers ist jetzt erstmals in einem Buch veröffentlicht worden.

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Bunker-Geschichte(n) - eine neue Serie im MARCHIVUM-Blog

Während des Zweiten Weltkriegs boten in Mannheim 56 errichtete Hoch- und Tiefbunker ca. 130.000 Menschen Schutz vor den Bomben. Der Ochsenpferchbunker, in dem sich heute das MARCHIVUM befindet, ist dabei der größte Hochbunkern gewesen. Diese Kolosse aus vergangenen Tagen ragen mit vielen Geschichten und Fragen von der Vergangenheit ins Heute, in dem sogar aktuell wieder nach Schutzbauten gefragt wird. Grund genug also, den Bunkern in Mannheim und den Geschichten, die mit ihnen verbunden sind, eine eigene Serie zu widmen: die "Bunker-Geschichte(n)".

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