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Die Ausstellungen im MARCHIVUM - Ein Ausblick aus Sicht der Gestalter

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Schwarz-Weiß-Stich einer Stadtansicht

Das MARCHIVUM ist das Haus der Stadtgeschichte sowie der Erinnerungskultur und mit seinen umfangreichen Beständen zugleich das Gedächtnis der Stadt Mannheim. Der besondere Charakter des historischen, denkmalgeschützten Gebäudes aus der NS-Zeit und die ungewöhnliche räumliche Atmosphäre im Ochsenpferchbunker stellen spezielle Anforderungen an die Ausstellungsgestaltung.

Kommt man heute als Besucher ins MARCHIVUM, nutzt man zumeist die Unterlagen des Archivs, besucht Vorträge zu stadtgeschichtlichen Themen oder nimmt als Schulklasse an Workshops teil. Diese wichtigen Funktionen werden auch in Zukunft zur DNA des MARCHIVUM gehören – und im Zuge der neu entstehenden Dauerausstellung auf über 1.100 Quadratmetern noch wesentlich erweitert.

Mannheim – Stadt der Vielfalt und der Mobilität

Die Mannheimer Stadtgesellschaft wurde seit jeher durch Vielfalt und Diversität geprägt. Waren es früher Hugenotten, Juden oder holländische Auswanderer, die mit ihren Begabungen, Fachkenntnissen und Leidenschaft die Geschicke der Stadt mitgestalteten, so sind es heute Menschen aus über 160 Nationen, die hier leben. Von dieser außergewöhnlichen Vielfalt – historisch wie aktuell – möchte sich auch die Ausstellung inspirieren lassen und diese abbilden. Neben der Diversität Mannheims sind die beiden Topoi Mobilität und Transformation Grundpfeiler des Ausstellungsnarrativs.

Die Vielfalt an Geschichten spiegelt sich in der Vielfalt unserer Ausstellungsformate wider, die wir einsetzen werden: Film, Medien, Interaktionen und Raum sind dabei kommunizierende Röhren, die sich wechselseitig beeinflussen. Unser Ansatz vereint die vielen kleinen und großen Mannheimer Geschichten mit prägnanten Inszenierungen inklusive abwechslungsreicher und partizipativer Interaktionen.

Mediale Vermittlungsformate

Das außerordentlich reichhaltige Archivmaterial des MARCHIVUM ist hierfür die Grundlage der medialen Inszenierungen in der neuen Dauerausstellung. Mit zahlreichen großformatigen Projektionen, Touch-Monitoren und sensorgesteuerten Medienanwendungen wollen wir den Besucherinnen und Besuchern die bunte Vielfalt Mannheims vermitteln.

Der konsequente mediale Ansatz unterstreicht den Willen des MARCHIVUM-Teams, insbesondere auf die Bedürfnisse und Erwartungen eines jüngeren Zielpublikums einzugehen. Objekte wird es in der neuen Ausstellung nur wenige geben. Vielmehr nutzen wir die ganze Bandbreite medialer und interaktiver Formate, um die Mannheimer Stadtgeschichte zeitgemäß und innovativ zu vermitteln. Dabei erhalten die Räume der neuen Dauerausstellung jeweils ihre eigene Atmosphäre und Qualität, der Rundgang durch die Ausstellung wird informativ, abwechslungsreich, unterhaltsam und verblüffend sein.

Zwei Etagen – zwei Ausstellungen

Die neue Dauerausstellung besteht aus zwei in sich geschlossenen Einheiten: der stadtgeschichtlichen Ausstellung im Erdgeschoss sowie dem NS-Dokumentationszentrum im 1. Obergeschoss des Bunkers. Während die unterschiedlich erzählten und gestalteten Einheiten ihre eigene Geschichte bekommen, schlägt der wiedererkennbare gestalterische und szenografische Ansatz die Brücke zwischen den diversen Raumsituationen.

Der chronologisch angeordnete Rundgang bietet im Erdgeschoss zunächst sowohl einen Überblick über die Stadtgeschichte Mannheims bis in die Gegenwart als auch zahlreiche vertiefende Informationsangebote, die in Einzelinszenierungen spielerisch und in interaktiven Stationen umgesetzt werden.

Einblicke: Stadtmodell – 17. Jahrhundert – Benz-Mobil

Prolog der Ausstellung: Eine Multimediashow mit einem Stadtmodell im Zentrum bietet einen ersten Überblick über die Stadtgeschichte.

Entwurf für den Raum zum 17. Jahrhundert: Zerstörung und Aufbau bestimmten diese Epoche. Raumfüllende Projektionen und ein (Tast-)Modell machen diesen Wandel erfahrbar.

Fahrsimulator: Auf einem Original-Nachbau des weltweit ersten Automobils von Carl Benz können Besucherinnen und Besucher durch Mannheim fahren und interaktiv Themen rund um die Mobilitätsgeschichte erkunden. Historisches Bild- und Filmmaterial machen die Fahrt zu einem virtuellen Erlebnis.

Inklusion

Die Dauerausstellung im MARCHIVUM erfüllt hohe inklusive Standards. Das gesamte Gebäude ist barrierearm zugänglich. Unterfahrbare Tische, Mediaguides in leichter und in Gebärdensprache, ein Bodenleitsystem, Texte in Brailleschrift sowie Tastmodelle finden sich im gesamten Haus.

NS-Dokumentationszentrum

Im 1. Obergeschoss ist schließlich das NS-Dokumentationszentrum beheimatet. In diesem zweiten Ausstellungsteil geht es um die Frage, wie sich die Mannheimer Stadtgesellschaft auch über die Epochengrenzen 1933 und 1945 hinaus wandelte. Welche Brüche und Einschnitte, aber auch welche Kontinuitäten können vor diesem Hintergrund definiert werden? Und es geht – hochaktuell – um die Frage, welche Phänomene in der Lage sind, ein demokratisches Gesellschaftssystem tatsächlich zu gefährden. Green-Screen-Inszenierungen mit Schauspielern, interaktives Kartenmaterial und berührende Zeugnisse zum Beispiel aus dem französischen Internierungslager Gurs, wohin im Oktober 1940 auch Juden aus Mannheim und Umgebung deportiert worden sind, verdeutlichen was geschieht, wenn Freiheits- und Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.

Eine zentrale Inszenierung widmet sich der Geschichte des Bunkers, der als betongewordenes Sinnbild für die Mechanismen der nationalsozialistischen "Volksgemeinschaft" gelten kann. Die vielschichtigen Perspektiven auf den Bunker – von Zwangsarbeitenden, Kriegsgefangenen und Schutzsuchenden während des Zweiten Weltkriegs, aber auch von Bewohnern und Verantwortlichen für den ABC-Bunker nach 1945 – setzen wir mit einer immersiven Multiprojektionsinszenierung um, die diesen Stimmen ihren Platz einräumt.

Gefährdung der Demokratie und Gegenwartsbezüge

Mit der raumfüllenden Spielinszenierung "Democracy" stellen wir zum Ende des Ausstellungsrundgangs einen Gegenwartsbezug her und verknüpfen unterhaltsam, auf spielerische Art die historischen mit den aktuellen Themen. Der szenografisch als Gameshow gestaltete Demokratie-Raum bindet Gruppen sowie Einzelbesucherinnen ein. Besucherinnen und Besucher können gegeneinander antreten und werden von einem virtuellen Showmoderator angeleitet. Unterschiedliche Rate- und Quizspiele, in denen die Spielerinnen und Spieler Fragen beantworten sollen. Vorgesehen ist auch die aktive Partizipation von Besucherstatements, die als integraler Bestandteil stetig wachsender Teil der Inszenierung werden. Die Democracy-Installation ist so angelegt, dass sie mit aktuellen Diskussionsthemen jederzeit erweiterbar ist. Gestalterisch besticht der Raum durch seine aus über 20 Monitoren bestehenden, interaktiven Inszenierung. Kontroverse Statements sowie kurze Video- und Audioclips thematisieren die Aktualität der demokratischen Freiheits- und Grundrechte. Diese werden teilweise für die Inszenierung eigens produziert andere vorhandene werden eingebunden.

Es ist eine tolle Herausforderung für uns, gemeinsam mit dem Team des MARCHIVUM, an der Gestaltung dieses außerschulischen Bildungsortes mitzuwirken. Der außergewöhnliche Ort, die Aktualität der Themen Migration, Mobilität und Demokratie verbunden mit dem modernen und an vielen Stellen zukunftsweisenden Vermittlungskonzept wird bundesweit vielen zukünftigen Besucherinnen und Besuchern nicht nur den Bunker, sondern die Stadt Mannheim in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Die Stadtgeschichtliche Ausstellung wird im Herbst 2021 eröffnet, das NS-Dokumentationszentrum im Frühjahr 2022. Gestaltet werden die Ausstellungen von der Arbeitsgemeinschaft Tatwerk und finke.media aus Berlin.

Goethe in Mannheim

Goethe besuchte Mannheim, soweit bekannt, achtmal. Bei seinem ersten Besuch im Oktober 1769 war er gerade einmal 20 Jahre alt, bei seiner letzten, achten Ankunft 1815 zählte er bereits 66 Jahre.

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