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Die Oppauer Explosionskatastrophe von 1921

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Explosionskatastrophe in Oppau, 1921

Am 21. September 1921, früh um 7.32 Uhr, bebte im Rhein-Neckar-Raum die Erde. Einem dumpfen Schlag folgten unmittelbar darauf die Druckwellen einer ungeheuren Explosion. In die Luft gegangen waren aus dem Silobau 110 des Oppauer Stickstoffwerks der BASF 4.000 t Ammoniumsulfatsalpeter, woraus nach dem Haber-Bosch-Verfahren Ammoniak als Düngemittel hätte produziert werden sollen.

Die genaue Ursache des Unglücks ließ sich niemals einwandfrei klären. Die offizielle Darstellung spricht von einer Selbstentzündung der hochexplosiven Mischung.

Unglücksstelle in Oppau, 1921

Ein Krater – 19 m tief, 125 m lang und 90 m breit – wurde durch die gewaltigen Kräfte in die Erde gerissen. Im weiten Umkreis fand sich nichts als ein Trümmerhaufen aus Eisenteilen und Betonbrocken. Ganz Oppau, damals noch ein selbstständiges Dorf, versank in Schutt und Asche. 521 Tote, 1.952 verletzte Männer, Frauen und Kinder sowie über 7.000 Obdachlose lautete die nüchterne Bilanz des bis zu jenem Zeitpunkt furchtbarsten Explosionsunglücks der Weltgeschichte.

Den Sachschaden schätzte man insgesamt auf rund 2 Mrd. Mark, wobei die Schäden bis nach Frankenthal und Worms sowie auf der anderen Rheinseite über Mannheim bis zur Mainlinie reichten.

Insbesondere zerborstene Fensterscheiben zeugten allerorts von dem Unglück. Diese Luftdruckschäden trafen in Mannheim u.a. die verglasten Teile der Kuppel der Jesuitenkirche, die Liebfrauenkirche am Luisenring und das Schloss. Die zerstörten riesigen Fensterflächen des Kaufhauses Kander in T 1 sorgten für Menschenaufläufe. Als Stadtteil war der Waldhof am stärksten betroffen. Auch Firmen wie Daimler-Benz oder Bopp & Reuther hatten immense Schäden zu beklagen. Durch den Sturz von Oberlichtfenstern in das Innere der Fabrikräume gab es in den Benzwerken beispielsweise 30 Schwer- und 100 Leichtverletzte.

Zerstörtes Haus in Oppau, 1921

Die Welle der Hilfsbereitschaft, die den Hinterbliebenen und Geschädigten entgegengebracht wurde, war überwältigend. Über 38 Mio. Mark wurden an Witwen, Waisen und Unfallrentner ausgezahlt. Seitens der bayerischen Landesregierung wurde das Hilfswerk Oppau aus der Taufe gehoben, das den Wiederaufbau betrieb und Entschädigungen sowie Unterstützung gewährte.

Auf lokaler Ebene kam vom Oppauer Bürgermeister Heinrich Süß ebenso Unterstützung wie vom Ludwigshafener Oberbürgermeister Christian Weiß. Carl Bosch, Vorstandsvorsitzender der BASF und Erbauer des Oppauer Werks, der 1931 den Nobelpreis für Chemie erhalten sollte, bezeichnete sich selbst als verantwortlich für das Schicksal des Werks und sagte den geschädigten Mitarbeiter weitreichende Hilfe zu.

Auch die Solidarität der selbst stark in Mitleidenschaft gezogenen Stadt Mannheim gegenüber der Schwesterstadt zeigte sich in dieser Situation überaus deutlich. Eine der wichtigsten Unterstützungsmaßnahmen für die Oppauer Bevölkerung war zunächst die Aufrechterhaltung der Versorgung. Das Mannheimer Rote Kreuz richtete vom 23. September 1921 über mehrere Monate hinweg in Verbindung mit der Mannheimer Stadtverwaltung eine Notspeisung für anfänglich 4.000–5.000 Personen ein, die zum Teil in der städtischen Kriegsküche beziehungsweise in der Volksküche des Mannheimer Frauenvereins produziert und in der evangelischen Kirche in Oppau ausgegeben wurde.

Die Freiwillige Sanitätskolonne des Roten Kreuzes Mannheim betätigte sich unmittelbar nach dem Unglück bei der Versorgung von Verwundeten und beim Transport von Toten. Eine große Straßensammlung von Haus zu Haus bezeugte die Hilfe von privater Seite. Einrichtungsgegenstände aller Art wurden auf Lastautos geladen und den Bedürftigen zur Verfügung gestellt. Firmen spendeten neue Kleider, Schuhe und andere notwendige Gegenstände.

Der Rhein war in diesem Fall also keine Grenze trotz der politischen und wirtschaftlichen Abtrennung der nach Ende des Ersten Weltkriegs französisch besetzten Pfalz. Vielleicht war die Hilfsbereitschaft der Mannheimer aus diesem Grund sogar besonders groß.

Die offizielle Trauerfeier für die Opfer fand am 25. September 1921 auf dem Ludwigshafener Friedhof statt. Unter den Trauerrednern befanden sich Reichspräsident Friedrich Ebert, der bayerische Ministerpräsident Hugo Graf von und zu Lerchenfeld-Köfering, der badische Staatspräsident Gustav Trunk sowie der Mannheimer Oberbürgermeister Theodor Kutzer.

Der Wiederaufbau der zerstörten Gemeinden, insbesondere Oppaus, der natürlich auch Chancen für städtebauliche Innovationen bot, konnte erst 1924 weitgehend abgeschlossen werden. Bis heute ist die Katastrophe von 1921 ebenso wie das von den Dimensionen weitaus geringere BASF-Explosionsunglück von 1948, vor allem durch mündliche Überlieferung der Betroffenen an Kinder und Enkel, noch vielen Menschen präsent.

 

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