Breadcrumb-Navigation

Ilse Klußmann

geboren am
Verfolgung

1936 zwangssterilisiert

Kachelbild
Galerie
Text

Ilse ist das älteste von fünf Kindern eines Mannheimer Anwalts. Sie wird 1916 geboren. Ihre Mutter stirbt schon 1931, da ist Ilse 15 Jahre alt. Der Vater heiratet kurz darauf zum zweiten Mal.
Irgendwann muss Ilse in der Schule aufgefallen sein, vielleicht hatte sie dort einen epileptischen Anfall. Sicher ist, dass das Stadtschulamt sie am 9. Februar 1934 beim Gesundheitsamt anzeigt. Sie leide an „erblicher Fallsucht“. Der Amtsarzt stellt kurz darauf beim Erbgesundheitsgericht einen Antrag auf Unfruchtbarmachung wegen „angeborener Fallsucht“. So vermerkt er auf einer Karteikarte.
Da ist Ilse Klußmann 18 Jahre alt und hat gerade ihr Abitur am Elisabethgymnasium abgelegt.

Ein Gutachter des Gesundheitsamts testet sie und befindet: : „Ist ein geistig hochstehendes und in jeder Hinsicht normal entwickeltes Mädchen.“ Er bezieht sich auf ein zuvor erstelltes Gutachten des Stadtarztes und befindet die Sache als dringlich. Ilse Klußmenn sei über Wesen und Folgen der Unfruchtbarmachung aufgeklärt worden. Ilses Vater geht persönlich zum Erbgesundheitsgericht und berichtet dort, sie habe seit dem 10. Lebensjahr epileptische Anfälle. Dass Ilse auch einen an Epilepsie kranken Bruder hat, erfährt das Gericht vom Vater nicht. Der Bruder wird von der Familie nach Bethel gebracht und hat dort die nationalsozialistische Zeit überlebt.

Ilse Klußmann beginnt nach dem Abitur eine Ausbildung in Göttingen. Ihr Vater versucht inzwischen, die Sterilisierung herauszuzögern oder ganz zu verhindern. Er schreibt zahlreiche Briefe an das Erbgesundheitsgericht und holt Gutachten ein.
Das Erbgesundheitsgericht beschließt am 12. Mai 1936: “Die Verhandlung wird auf unbestimmte Zeit vertagt. Gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 5.12.1933 wird zum Zwecke der Beobachtung und Begutachtung die Unterbringung der I.K. in die psychiatrische Klinik in Freiburg auf die Dauer von höchstens sechs Wochen angeordnet.“
Dieser Beschluss wird Ilse zugestellt. Es heißt darin: „Sie werden ersucht, der Vorladung der Psychiatrischen Klinik, Freiburg, die Ihnen noch zugehen wird, Folge zu leisten. Falls sie der Aufforderung nicht nachkommen, können Sie polizeilich eingeliefert werden.“

Vom 15. bis 20. Juni 1936 hält Ilse Klußmann sich zur Begutachtung in der Klinik auf. Im Gutachten aus Freiburg heißt es:
„….kann es keinen Zweifel geben, dass die Probandin an epileptischen Anfällen leidet. Die eingehende Untersuchung hat keinerlei Hinweise dafür ergeben, dass die epileptischen Anfälle Folge oder Ausdruck eines organischen Hirnleidens sind. Dagegen lässt sich der Nachweis führen, dass eine erbliche Belastung vorliegt. Es kann daher an der Diagnose einer erblichen Fallsucht kein Zweifel bestehen, wenn auch charakterlich bisher keine Veränderungen sich feststellen lassen. Die Voraussetzungen gemäß des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14.7.1933 sind mithin gegeben. Mit Befund und Beurteilung auf Grund eigener Nachprüfung einverstanden: der Direktor“.
Unterschrieben ist das Gutachten von Dr. med. habil. Gaupp, Oberarzt.

Der Beschluss des Gerichts vom Juli 1936 lautet: „Ilse Klußmann ....ist wegen erblicher Fallsucht unfruchtbar zu machen.“
Ilse Klußmann wird am 18.10.1936 im Heinrich-Lanz-Krankenhaus von Dr. Hirschfeld-Warnecken sterilisiert.

Sie arbeitet nach dem Krieg bis zu ihrer Pensionierung in Ludwigshafen. In ihrer Familie wurde nur selten über die Zwangssterilisierung gesprochen.

Ilse Klussmann stirbt 1998

 

Der Stolperstein für Ilse Klußmann wurde 2016 auf Initiative des AK Justiz verlegt.

Text: Veronika Wallis-Violet (AK Justiz)

 

Adresse

Corneliusstr. 19 (Neuostheim)
68163 Mannheim
Deutschland

Geolocation
49.480880418581, 8.51115255