Breadcrumb-Navigation

Maria Krehbiel-Darmstädter

geboren am
Verfolgung

Christin jüdischer Abstammung

1943 in Auschwitz ermordet

Kachelbild
Text

Maria Friederike Darmstädter wurde am 22. Juni 1892 als erstes von drei Kindern des Kaufmanns Rudolf Darmstädter und dessen Ehefrau Bertha geb. May in Mannheim geboren. Ihr Vater leitete seit 1890 in zweiter Generation die „Darmstädter & Co. Getreideagenturen“ und zählte zu den führenden Mannheimer Kaufleuten. Wenngleich beide Elternteile jüdisch waren und die Kinder den israelitischen Religionsunterricht besuchten, standen Rudolf und Bertha Darmstädter dem „intimen Seelenleben“ ihrer Kinder „freilassend gegenüber“, wie Maria Krehbiel-Darmstädter im Dezember 1940 schrieb. „Aufgewachsen in einem durch die frühe Krankheit der Mutter ernsten Elternhause mit einem arbeitsvollen Vater, ich darf sagen – in großem Wohlstand, hatten wir liebe Erzieherinnen, und eine evangelische Schule legte oder bildete auch den Grund zu meinem späteren Leben: Die Liebe zum Christus und das Vertrauen in die Schicksalsführung“ (1).

Maria besuchte die Höhere Mädchenschule, welche sie 1912 mit dem Abitur abschloss. Anschließend absolvierte sie ein einjähriges Sprachbildungsjahr in Lausanne und begann ein Studium, das sie jedoch nach kurzer Zeit abbrach. Danach arbeitete sie ein Jahr auf einem landwirtschaftlichen Lehrgut („Maidenjahr“) und sodann als Pflegerin im Diakonissenkrankenhaus Kaiserwerth (heute ein Stadtteil von Düsseldorf).

Schon in frühen Jahren war Maria Darmstädter sehr (christlich) religiös und Anhängerin der Reformgedanken jener Zeit. 1921, im Alter von 29 Jahren, konvertierte sie endgültig zum Christentum und ließ sich evangelisch taufen. „Als Gemeindemitglied des weithin wirkenden D. Paul Klein, Pfarrer an der Christuskirche, fand sie später Eingang in die von der Anthroposophie Rudolf Steiners geprägte Christengemeinschaft, deren Spiritualität und Kultus sie anzog und für immer festhielt“ (2).

Im November 1928 heiratete Maria Darmstädter in Stuttgart den neun Jahre jüngeren Emil Franz Krehbiel, der als Sekretär in der Stuttgarter „Christengemeinschaft“ tätig war. Bis Anfang 1930 blieb sie jedoch im Mannheimer Elternhaus in der Werderstraße 48 gemeldet; erst dann bezog das Ehepaar eine gemeinsame Wohnung in der Liebfrauenstraße in Feudenheim. Die Ehe wurde 1933 geschieden und Maria Krehbiel zog zurück in die Werderstraße, wo sie ihre kranken Eltern umsorgte. Beide Eltern starben 1936. Im folgenden Jahr wurde das Elternhaus zwangsversteigert und „arisiert“. Maria Krehbiel lebte fortan in der Collinistraße 33, im Juni 1940 musste sie als „Nicht-Arierin“ (nach der nationalsozialistischen Rassegesetzgebung) in eine Wohnung in M 7, 17 umziehen.

Schon 1938 hatte sie die Auswanderung nach Übersee beantragt und ein Affidavit von Verwandten in den USA vorlegen können. Aus Heimatverbundenheit und Verbundenheit zu Freunden in Mannheim und Heidelberg lehnte sie konkrete Angebote zur Auswanderung jedoch immer wieder ab. „Treue Freunde ermöglichten noch bis zuletzt ein würdiges Sein. Meine Beschäftigung ist gewesen die Betreuung und Unterhaltung alter Menschen. Die jüdischen waren dann die Bedürftigsten. Aber gestürzt wurde ich – wie gesagt – in liebevoller Weise von den anderen alten und auch neuen Freunden“ (3).

Am 22. Oktober 1940 wurde Maria Krehbiel nach Gurs deportiert, wo sie sich um kranke und schwache Mitgefangene kümmerte. Als sie im Dezember 1941 selbst erkrankte, konnte sie dank der Unterstützung von Verwandten und Freunden eine vorübergehende Entlassung aus dem Lager Gurs erreichen, um sich auf „Krankheitsbeurlaubung“ nach Limonest (bei Lyon) zu begeben. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch in die Schweiz wurde sie Ende November 1942 erneut verhaftet und in das Durchgangslager Drancy (bei Paris) verschleppt. Am 11. Februar 1943 wurde Maria Krehbiel geb. Darmstädter nach Auschwitz deportiert und ermordet.

 

Maria Krehbiel hat während der Inhaftierung in Gurs und ihres Aufenthalts in Limonest mehrere Hundert Briefe an Freunde, Bekannte und Verwandte geschrieben, von denen mehr als 150 erhalten geblieben sind. Viele dieser bewegenden Briefe wurden 1970 in einem Sammelband veröffentlicht: Maria Krehbiel-Darmstädter: Briefe aus Gurs und Limonest 1940-1943, hg. von Walter Schmitthenner, Heidelberg 1970.

Der Stolperstein wurde 2011 vor dem Elternhaus in der Werderstraße verlegt.

 

(1) Maria Krehbiel: Lebenslauf [verfasst am 03.12.1940 im Camp de Gurs], in: Maria Krehbiel-Darmstädter: Briefe aus Gurs und Limonest 1940-1943, hg. von Walter Schmitthenner, Heidelberg 1970, S. 28.

(2) Walter Schmitthenner: Einführung, in: Ebd., S. 14.

(3) Maria Krehbiel: Lebenslauf, S. 28.

Text: Dr. Marco Brenneisen (MARCHIVUM), Oktober 2020
Adresse

Werderstr. 48 (Oststadt)
68165 Mannheim
Deutschland

Geolocation
49.48537815762, 8.4825562110403