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Karl Gaisbauer

geboren am
Verfolgung

1940 im Rahmen der "Aktion T 4" in Grafeneck ermordet

Kachelbild
Text

Redebeitrag zur Stolpersteinverlegung am 14.05.2014

Wir verlegen an diesem Ort einen Stolperstein für Karl Gaisbauer, der mit seinen Eltern hier gelebt hat. Sie betrieben hier eine Kohlenhandlung.

Karl Gaisbauer wird 1916 geboren. Wegen einer geistigen Behinderung wird Karl nicht eingeschult. Er kann nur schwer verständlich sprechen und wird zu Hause betreut.

Als die Nazis an die Macht kommen, ist er 17 Jahre alt.

Mitunter ist Karl sehr unruhig und reizbar. Nur seine Familien­ange­hörigen können ihn dann beruhigen.

Als er mit 21 Jahren einmal von zuhause wegläuft, wird er von der Polizei aufgegriffen. Er gerät nun in die Fänge des Amtsarztes – ein strammer Nazi beim Gesundheitsamt. Dieser weist ihn - gegen den Willen der Eltern - in die Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch ein, seine Familie sei nicht in der Lage, ihn zu beaufsichtigen.

Mit dem Polizeiauto wird er kurz vor Weihnachten 1937 nach Wiesloch gebracht. Seine ältere Schwester Maria begleitet ihn. Ihre Bedenken, dass ihm der Aufenthalt in Wiesloch nicht gut tun werde, und dass man ihn zuhause sehr wohl betreuen könne, nimmt man zwar zu den Akten, aber man glaubt ihr nicht.

Karl ist in Wiesloch völlig verängstigt und verstört. Er wird von einer zu nächsten Station verlegt und offenbar immer wieder eingesperrt. Seinen Eltern, die Schwester, eine Tante und andere Verwandten besuchen ihn regelmäßig 1-2 Mal pro Monat.   

Karl Geisbauer geht es in Wiesloch immer schlechter. „Stark reduzierter Ernährungszustand“ steht nach zwei Jahren in der Krankenakte. Zu dieser Zeit ist die "Aktion T4" von der NS-Führung beschlossen worden, die Vernichtung von sog. „lebensunwertem Leben“. Das heimliche Töten der Kranken und Behinderten wird nicht in Wiesloch durchgeführt, sondern in Grafeneck, eine Anstalt südlich von Stuttgart. Über 10.000 Menschen werden dort allein im Jahr 1940 mit Kohlenmonoxyd ermordet.

Unter ihnen war auch der 23 Jahre alte Karl Gaisbauer, am 20. Juni 1940.

Seine Akte in Wiesloch endet mit einem Brief der Mutter, den ich zum Schluss verlesen will:

„Vor zwei Wochen war ich bei Ihnen, um meinen Sohn Karl Gaisbauer zu besuchen. Und gerade an diesem Tage ist er, ohne in nochmals zu sehen, fortgekommen. Und wohin er gekommen ist, konnte mir an diesem Tag niemand sagen. Man sagte mir nur dass ich binnen einer Woche Nachricht bekäme.

Da ich leider bis heute noch ohne Nachricht bin, bitte ich die verehrte Verwaltung, mir doch mitteilen zu wollen, wo Karl hingekommen ist. Sie können sich doch leicht vorstellen, dass es mir als Mutter Kummer und Sorge macht, nicht zu wissen, wo mein Sohn jetzt ist.“

Wenig später kam eine Urne mit Asche. Die Familie hat sie im Grab des Vaters beigesetzt.

Barbara Ritter (AK Justiz)

 

Der Stolperstein zum Gedenken an Karl Gaisbauer wurde 2014 verlegt. Aufgrund der Enge des Gehwegs vor seinem letzten Wohnhaus Fischerstraße 43, befindet sich der Stein auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Adresse

Fischerstr. 43 (Neckarau)
68199 Mannheim
Deutschland

Geolocation
49.457089018565, 8.49160295