Breadcrumb-Navigation

Als der Fußballgott die Mannheimer Stadtfarben trug

Kategorien
Die Mannschaften des VfR, links, und des BV Borussia Dortmund, rechts, laufen für das Meisterschaftsspiel ein. Die Kapitäne laufen voraus. Im Hintergrund ist Publikum zu sehen.

Der Wasserturm stand mit Notdach am Friedrichsplatz als der Deutsche Fußballmeister durch die Mannheimer Straßen zog – vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Der VfR Mannheim gewann am 10.07.1949 nach Verlängerung 3:2 gegen Borussia Dortmund im Finalspiel in Stuttgart die Deutsche Meisterschaft - und ganz Mannheim feierte mit.

Der Weg zur Meisterschaft

Als Zweiter der Oberliga Süd der Saison 1948/49 war der VfR Mannheimer berechtigt, an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teilzunehmen. Zunächst traf man im Viertelfinale auf den Meister der Oberliga Nord, den Hamburger SV. Mit einem klaren 5:0-Sieg zog man ins Halbfinale ein und traf dort auf die Offenbacher Kickers. Mit einem 2:1-Sieg war der Weg ins Finale frei. Dort hieß der Gegner also Borussia Dortmund (BVB). Die Westfalen mussten zuvor in ein Wiederholungsspiel, nachdem sie sich im ersten Halbfinalspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern 0:0 nach Verlängerung getrennt hatten. Das Wiederholungsspiel gewann die Borussen dann klar mit 4:1.


Postkarte der Meisterelf. MARCHIVUM (AB01543-2-065).

Der Spieltag

Vor ca. 90.000 Zuschauerinnen und Zuschauern trafen damit im Stuttgarter Neckarstadion der Meister der Oberliga West aus Dortmund und der Zweite der Oberliga Süd aus Mannheim aufeinander. Anhängerinnen und Anhänger des VfR und anderer Mannheimer Fußballvereine waren mit angereist. Die Fans strömten per Sonderzug oder privaten Pkw nach Stuttgart und verfolgten bei brütender Hitze das Spiel. Die in Mannheim Verbliebenen hörten und fieberten an Rundfunkgeräten mit.

Die legendäre Elf setzte sich folgendermaßen zusammen: Ernst Langlotz, Ernst Löttke, Rudolf de la Vigne, Jakob Müller, Kurt Keuerleber, Philipp Henninger, Rudi Maier, Eugen Rößling, Hermann Jöckel, Fritz Bolleyer, Kurt Stiefvater. Bemerkenswert dabei: Zur damaligen Zeit waren keine Auswechslungen vorgesehen und die Spieler Langlotz, De la Vigne, Jöckel, Henninger und Müller kannten sich aus kanadischer Kriegsgefangenschaft.

Das Spiel startete aus Mannheimer Sicht denkbar ungünstig. Die Dortmunder gingen bereits in der 5. Minute durch Werner Erdmann in Führung und konnten diese mit in die Pause nehmen. Die zweite Halbzeit lief zwar besser für die Mannheimer, doch dauerte es bis zur 74. Minute bis der VfR durch Ernst Löttke ausglich. Nur acht Minuten später war es jedoch wieder Werner Erdmann, der in der 82. Minute die erneute Führung für die Dortmunder erzielte. Wer den BVB nun als sicheren Deutschen Meister wähnte, sah sich drei Minuten später eines Besseren belehrt: Ernst Langlotz traf  zum erneuten Ausgleich für die Rasenspieler, die sich in die Verlängerung retteten. In der 108. Minute erzielte schließlich Ernst Löttke den umjubelten Siegtreffer für den VfR Mannheim und schoss die Kurpfälzer in Stuttgart zur ersten und bis heute einzigen Deutschen Fußballmeisterschaft für ein Mannheimer Herrenteam. Nicht nur für Mannheim war dies eine Premiere. Auch die neue, uns heute so selbstverständliche Meisterschale feierte ihren Einstand. Sie wurde von der Kunstprofessorin Elisabeth Treskow entworfen und von ihr und ihren Studierenden gefertigt und ersetzte die im Krieg verschollene Victoria-Statue.


Empfang der Mannschaft durch die Fans am Hauptbahnhof. MARCHIVUM (ABHR00156-013).

Reaktionen zum Spiel

Im Mannheimer Morgen vom 11.7.1949 wird Dr. Ivo Schricker (FIFA-Generalsekretär) mit folgender Einschätzung zum Spiel zitiert: „Im Zuspiel war Borussia anfangs besser, den Mannheimern fehlte anfänglich der Kontakt zwischen den Läufern und den Stürmern. In der zweiten Halbzeit kamen sie weit besser ins Spiel und wurden verdiente Sieger. Ich freue mich, daß das Spiel größtenteils in fairen Bahnen verlief.“ Und Sir Stanley Rous, Präsident des englischen Fußballverbandes, sprach von einem „prachtvollen Nachmittag mit der typischen Atmosphäre eines englischen Cup Finales“. Schade fand er die drückende Hitze, die den Spielern sehr zusetzte. Er bewunderte aber „das kraftvolle Aufkommen des VfR Mannheim in der zweiten Halbzeit, als Borussia Dortmund seine besten Trümpfe vergeben hatte.“

Mannheims Trainer, Hans „Bumbas/Bumbes“ Schmidt, hatte kurz nach der Überreichung der Meisterschale eine weniger präzise Analyse: „Prima, prima, wir haben gewonnen und sind Deutscher Meister. Das ist die Hauptsache, alles andere ist egal.“ Schmidt, bereits 1938-1940 beim VfR als Trainer engagiert, kam 1948 vom TSV Schwaben Augsburg. Zuvor war er in Bamberg und 1941-1945 beim 1. FC Nürnberg. In Nürnberg musste er auf Druck der Amerikaner gehen, da er Mitglied der NSDAP war.


Die Straßen waren gesäumt von Fans und so nutzte man auch die Trümmer für eine bessere Sicht auf die Fußballer. MARCHIVUM (ABHR00156-012).

Jubel und Heiterkeit in Mannheim

Am nächsten Tag füllten jubelnde Anhängerinnen und Anhänger die Mannheimer Straßen, die noch durch zerstörte Gebäude und Schutthaufen gezeichnet waren. Mit einem Autocorso zog das Gewinner-Team vom Hauptbahnhof durch die Mannheimer Innenstadt hin zum Stadion an den Brauereien im Wohlgelegen. Auch zwei Fahrzeuge des Stadtrivalen SV Waldhof nahmen am Zug teil und gratulierten mit Plakaten. Die Geschäfte in der Innenstadt schlossen ab 15 Uhr und auch die Schülerinnen und Schüler bekamen ab Mittag schulfrei. So konnten die Mannheimerinnen und Mannheimer ihre Fußballhelden gebührend auf den Straßen feiern.

Übrigens…

Die Mannheimer Spieler, die dank eines Vertragsspielerstatuts der Oberliga Süd von Juli 1948 erstmals als Vertragsspieler auftraten, erhielten eine Aufwandsentschädigung von 320 DM pro Monat und eine Siegprämie von 650 Mark für die Meisterschaft.


Der Autocorso in den Planken mit dem Wasserturm mit Notdach im Hintergrund (ABHR00156-001) und ein Teil des Autocorsos (ABHR00156-003). MARCHIVUM.
 

Literatur:
•    https://www.dfl.de/de/hintergrund/trophaeen/meisterschale-bundesliga/
•    Zeilinger, Gerhard: Triumph und Niedergang in Mannheims Fußballsport. 1945-1970, Mannheim 1995.
•    MARCHIVUM, ZGS 2/1689 Verein für Rasenspiele Mannheim (VfR)
•    VfR Mannheim (Hg.): 100 Jahre VfR Mannheim, 1896-1996, Speyer 1996.
•    VfR Mannheim (Hg.): 111 Jahre VfR Mannheim. 1896-2007, Mannheim 2007.

 

 

alles zum Thema: Fußball, Stadtgeschichte

Das Mannheimer Augustinerinnen-Kloster

Im Quadrat L 1 gegenüber dem Schloss erinnert heute nichts mehr an das Kloster, das sich einst an dieser Stelle befand. Betrieben wurde es von Nonnen, die sich 1720 mit einem Gesuch zur Klostergründung an Kurfürst Karl Philipp wandten. Es war Mannheims erstes und einziges Frauenkloster.

Ganzer Beitrag

Jakob Sommer - "Kämpfer für Menschenwürde"

Sein Leben hatte er den Menschen in Mannheim und den Arbeiterrechten gewidmet. Als aufrechter und toleranter Mann blieb er den Mannheimerinnen und Mannheimer in Erinnerung. Er stand mit Leidenschaft für seine Überzeugungen ein, konnte aber auch die Meinungen und Argumente anderer anerkennen. Als "Kämpfer für Toleranz und Gerechtigkeit", aber auch als "Mann des Ausgleichs", so charakterisierte Oberbürgermeister Hermann Heimerich seinen Freund Jakob Sommer bei dessen Beerdigung (Allgemeine Zeitung, 16.3.1955).

Ganzer Beitrag