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Frauen und die Revolution von 1848 in Mannheim

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farbiges Bild, das Frauen in einer Reihe zeigt; über ihnen ist der Spruch "wir haben keine andre Zeit als diese" zu lesen

Frauen – bekannte und unbekannte – hatten eine "Rückgratfunktion" in der Revolution 1848/49, so die Historikerin Susanne Asche. Das gilt auch für Mannheim.

Politische Betätigung entsprach nicht dem weiblichen Geschlechtermodell der Zeit. Doch zahlreiche Frauen beteiligten sich an der Volksversammlung vom 27. Februar 1848,  auf der die Mannheimer Forderungen nach Pressefreiheit, Einrichtung von Schwurgerichten, Volksbewaffnung und einem deutschen Nationalparlament verabschiedet wurden. Viele Frauen reisten auch mit der 600-köpfigen Delegation, die drei Tage später per Eisenbahn die auf dieser Versammlung verabschiedeten Forderungen nach Karlsruhe überbrachten.

Bei der Abfahrt verteilte die Mannheimerin Amalie Struve mit einer Freundin selbst angefertigte Rosetten in den damals verbotenen Farben Schwarz-Rot-Gold. Ende März riefen 22 Frauen aus den besten Mannheimer Familien zu einer Spendensammlung auf, um eine Fahne für die Bürgerwehr zu stiften.

Im Sommer gründete die Gastwirtin Katharina Betz einen "Frauen- und Jungfrauenverein zur Unterstützung nothleidender Patrioten", der sich später "Germania" nannte und unter anderem im Juli 1848 eine Petition für eine Amnestie der politischen Flüchtlinge und Verhafteten an die Frankfurter Nationalversammlung richtete. Die Petition trug 772 Unterschriften.

Im Spätjahr gründete Theresia Canton, Leiterin einer "Wartschule" (vergleichbar mit einem heutigen Hort), den Frauenverein "Concordia" zur Unterstützung der Revolutionäre. Dies bedeutete im Wesentlichen, dass Kleidung und Ausrüstungsgegenstände gesammelt oder Fahnen gestiftet wurden. Beide Frauenvereine unterhielten enge Verbindungen zu Frauenvereinen in anderen Städten.

Lisette Hatzfeld: "furchtlos" oder "liederlich"

Auch Frauen aus den "unteren Schichten" zeigten sich als Unterstützerinnen der Revolution; allerdings beteiligten sie sich meist an spontanen Protestformen. So war auch Lisette Hatzfeld dabei, als es am 26. April 1848 nach Zusammenstößen zwischen Soldaten und Handwerksgesellen zum Bau einer Barrikade an der Schiffbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen und zu einem Schusswechsel mit bayerischen Truppen kam.

Bau der Barrikade an der Schiffbrücke, April 1848, MARCHIVUM.

Nach den Ereignissen an der Rheinbrücke berichtete die Mannheimer Abendzeitung anerkennend von einer Frau, die unter dem anhaltenden Gewehrfeuer furchtlos beim Bau der Barrikade geholfen habe und "manchem Mann zum Vorbild dienen" könne. Der Mannheimer Konditor und Gemeinderat Carl Hoff berichtet in seinen Erinnerungen: "Die lüderliche Tochter unseres ehrenwerthen Schusters H. […] hatte beim ‚Brückensturm‘ die schwarz-roth-gelbe Fahne getragen".

Diese Schusterstochter war Lisette Hatzfeld, die als einzige Frau aus einer umfangreichen Personengruppe im Jahr 1849 wegen "Theilnahme am Aufruhr" zu einer achtwöchigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Lisette Hatzfeld war zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung 26 Jahre alt. Sie entstammte einer kinderreichen Schuhmacherfamilie und war Mutter eines – 1847 verstorbenen – unehelichen Kindes.

Nach der Niederlage der Revolution

Liesette Hatzfeld gelang es nach ihrem Gefängnisaufenthalt nicht mehr, sich einen Lebensunterhalt zu verschaffen. Nach der Geburt eines zweiten unehelichen Kindes im Jahr 1853 beantragte sie, auf Stadtkosten nach Amerika auswandern zu dürfen. Die Auswanderung wurde im Mai 1853 genehmigt; wir wissen, dass ihr Sohn während der Überfahrt nach New York am 12. Juli 1853 starb; aber über Lisettes Verbleib in Nordamerika ist nichts bekannt.

Was war das weitere Schicksal von Katharina Betz und Theresia Canton?

Katharina Betz musste nach der Niederlage der Revolution 1849 und der Inhaftierung ihres Mannes fliehen. Im Oktober desselben Jahres kehrte sie nach Mannheim zurück und starb Ende des Monats an der in Mannheim grassierenden Cholera.

Im August 1849 wurde die Concordia von Theresia Canton verboten. Ihre Witwenpension wurde gestrichen, die Wartschule geschlossen. Sie galt der Obrigkeit noch lange als "Wühlerin", u.a. wegen der Übergabe einer (roten, so die Verdächtigung) Fahne an den Handwerkerverein. Canton beharrte darauf, dass die Fahne die Farben schwarz-rot-gold hatte, zudem sei ihr Verein ordentlich registriert worden. Theresia Canton starb 1870 in Mannheim.

Amalie Struve nahm am Struve-Putsch im September 1848 teil und wurde in Freiburg inhaftiert. Nach dem Scheitern der Revolution floh sie mit ihrem Mann über mehrere Stationen nach Amerika. Ihre "Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen" wurden 1850 veröffentlicht. In Amerika trat sie für Frauenrechte und Frauenbildung ein. Sie starb dort im Alter von  38 Jahren.

Wie heute den 1848er-Revolutionärinnen gedacht wird

An Amalie Struve wird auf dem Stadtpunkt E6, 1 erinnert; die Beratungsstelle "Amalie" ist nach ihr benannt. Allerdings war für die "Struve-Straße" im Almenhof nur ihr Mann, Gustav Struve, Namensgeber.

Auf Theresia Canton wird in einem "Stadtpunkt" im Quadrat F5 verwiesen.

Bunker-Mural des Künstlerduos Sourati am Lisette-Hatfeld-Platz, Foto: Barbara Ritter.

Lisette Hatzfeld wird auf dem "Stadtpunkt" zu den Kämpfen an der Rheinbrücke als Fahnenträgerin auf der Barrikade erwähnt, allerdings als "Straßenmädchen" bezeichnet. Seit Mai 2022 gibt es auf Anregung der Initiative "Frauenwege im Almenhof" den Lisette-Hatzfeld-Platz. Die Initiative  hat sich zum Ziel gesetzt, noch zwei Wege nach Katharina Betz und Theresia Canton zu benennen, den Gründerinnen der Mannheimer republikanischen Frauenvereine.

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1974 - Vom Eigenbetrieb zum Unternehmen

Wasserhahn aufgedreht und es kommt das kühlende Nass heraus, Heizung an und uns wird es kuschelig warm, Stecker in die Steckdose und uns geht ein Licht auf (oder zumindest an). Das ist ein Standard in unserem Leben, den wir erwarten und brauchen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg musste der damalige Standard im kriegsbeschädigten Mannheim wiederhergestellt werden.

 

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