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Gustav Steinbach

geboren am
Verfolgung

Sinto

KZ Auschwitz
KZ Ravensbrück
KZ Sachsenhausen
Strafdivision
Überlebt

 

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Redebeitrag von Dr. Marco Brenneisen zur Stolpersteinverlegung für die Familie Steinbach, 03.03.2022

 

Der Sinto Gustav Steinbach wurde am 21. Mai 1914 im südhessischen Okriftel (heute ein Stadtteil von Hattersheim am Main) als sechstes von acht Kindern des Händlers Erwin Steinbach und dessen Ehefrau Sofie geb. Müller geboren. 1917 zog die Familie nach Mannheim, wo sie zunächst auf dem Waldhof, dann in der Innenstadt, später in Behelfsbauten auf dem Pfingstberg und ab 1936 in Sandhofen wohnte. Die Stelle, an der wir uns jetzt gerade befinden [Ecke Königsberger Allee/Marienburger Straße] gehörte damals noch zu Sandhofer Gemarkung; wenige Meter von hier verlief die heutige Lilienthalstraße als Verlängerung der Sandhofer Luftschifferstraße. Die Schönau war zu dieser Zeit noch eine kleine Siedlung – kein eigener Stadtteil. Unweit der Luftschifferkaserne wurden hier ab 1926 die sogenannten Luftschifferbaracken als Behelfsbauten für die ärmsten Bevölkerungsteile errichtet (zeitgleich mit den Benz-Baracken auf dem Waldhof). Das waren mehrere große, parallel angeordnete Zeilen einfacher Wohnbaracken für Familien, dazwischen befanden sich Toilettenbaracken und Aufbewahrungsschuppen. Hier lebte die Familie Steinbach.

Sohn Gustav, der zunächst als Musiker tätig war und später eine Anstellung im städtischen Tiefbauamt fand, lernte vermutlich in der Barackensiedlung Rheinau-Pfingstberg die vier Jahre jüngere Sintezza Katharina Schenk kennen; eine Arbeiterin, die dort seit 1927 mit ihrer Familie lebte. Sie war das fünfte von neu Kindern des Korbmachers Heinrich Schenk und dessen Ehefrau Katharina geb. Winter. Kurz nachdem die Familie Schenk in die Neckarstadt-West (Zehntstraße 5) umgezogen ist, brachte Katharina jun. Ende Mai 1937 im Alter von 19 Jahren ihre Tochter Carmen Margarethe unehelich zur Welt. Wenige Monate später zog sie mit dem Baby zu Gustav Steinbach, der die Vaterschaft anerkannt hatte, in die Luftschifferbaracken. Die Beiden heirateten im November 1937. Im Januar 1939 wurde der Sohn Gregor geboren.

Endes des Jahres 1939 wurde Gustav Steinbach zum Kriegsdienst eingezogen und musste 1940 als Soldat eines Infanterie-Regiments am Frankreich-Feldzug teilnehmen. Im Februar 1941 ordnete das Oberkommando der Wehrmacht aus „rassepolitischen Gründen“ den Ausschluss aller als „Zigeuner“ und „Zigeunermischlinge“ geltenden Armeeangehörigen an, wovon auch Gustav Steinbach betroffen war. Er kehrte nach Mannheim zurück, wo Anfang April 1941 Sohn Mathias zur Welt kam, und arbeitete bei einer Tiefbaufirma. Abends musizierte er zusammen mit anderen Sinti in Lokalen in der Region.

Ende März 1943 wurde die gesamte Familie Steinbach in das „Zigeunerlager“ Auschwitz deportiert. Der jüngste Sohn Mathias starb dort vermutlich vor seinem 2. Geburtstag.
Im August 1944 wurden Gustav, Katharina, Carmen und Gregor Steinbach in das KZ Ravensbrück (in der Uckermark) überstellt, wo am 19. September der Sohn Siegfried zur Welt kam. Danach trennten sich die Wege der Familie: Gustav Steinbach wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt in das KZ Sachsenhausen bei Berlin verlegt und Anfang 1945 zu einer SS-Strafdivison eingezogen, um an der Ostfront als „Kanonenfutter“ verheizt zu werden. Er überlebte und geriet in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wurde.
Katharina, Carmen, Gregor und Siegfried wurden im Februar 1945 von Ravensbrück in das KZ Mauthausen (Oberösterreich) überstellt. Wenige Wochen vor Kriegsende, Mitte März 1945, wurden die Mutter und ihre Kinder nach Bergen-Belsen gebracht. Carmen Margarethe (noch keine 8 Jahre alt) und der 7 Monate alte Siegfried kamen im April 1945 im KZ Bergen-Belsen ums Leben – sie sind vermutlich verhungert.

Nach den Schrecken der Konzentrationslager und dem Tod von drei Kindern kehrte das Ehepaar Gustav und Katharina Steinbach mit dem erst 7 Jahre alten Sohn Gregor 1946 nach Mannheim zurück – bis 1958 lebten sie erneut in den „Luftschifferbaracken“, anschließend für einige Jahre auf dem Waldhof, ehe sie wieder auf die Schönau zurückzogen. Katharina Steinbach geb. Schenk starb 1994 in Mannheim-Schönau, ihr Mann Gustav starb 2004 in Schwäbisch Hall. Gregor Steinbach lebt bis heute in Mannheim.

 

Die Stolpersteine für die Familie Steinbach wurden im Rahmen der städtischen Gedenkfeier am 27. Januar 2020 von Schüler*innen der Friedrich-List-Schule initiiert und am 3. März 2022 verlegt. Die Schule hat die Patenschaft für die Steine übernommen.

Adresse

Ecke Königsberger Allee/Marienburger Straße (damals Luftschifferstraße)
68307 Mannheim
Deutschland

Geolocation
49.547898692529, 8.4684586806885