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Fritz Löbmann

geboren am
Verfolgung

1940 nach Gurs deportiert
Kinderheim Izieu
1944 ermordet in Auschwitz

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Julius, Mathilde und Fritz Löbmann

Der jüdische Unternehmer Julius Löbmann wurde 1892 in Wollenberg (heute ein Ortsteil von Bad Rappenau) geboren. 1910 zog er im Alter von 18 Jahren nach Mannheim, wo sein sieben Jahre älterer Bruder Ferdinand bereits seit 1907 lebte. Im Jahr darauf folgte auch der Bruder Siegmund (*1891) in die Quadratestadt.

Julius Löbmann absolvierte hier vermutlich eine kaufmännische Lehre. Zu einem unbekannten Zeitpunkt gründete er zusammen mit dem Bruder Ferdinand das Unternehmen „Fabrik Technischer Öle und Fette F. & J. Löbmann“, das sich im Jahr 1920 auf einem Anwesen in der Lagerstraße 5 im Industriehafen niederließ. Die Fabrik mischte dort Schmieröle für Maschinen und Autos sowie Bohröl aus „original amerikanischen und russischen Raffinaten“. Die Eigenmarke „Renolit“, ein Autoschmieröl, fand reißenden Absatz und existiert als Markenname eines Schmierfett-Sortiments des Großkonzerns Fuchs (ehemals Fuchs-Petrolub) bis heute.
Daneben war Julius Löbmann zusammen mit seinem Bruder Siegmund sowie dem späteren Schwager Wilhelm Wertheimer Teilhaber der Firma „Siegmund Löbmann & Co. Mineralölgesellschaft“ in der Helmholtzstr. 70.

Um 1924 heiratete Julius Löbmann die aus Kehl stammende Mathilde Wertheimer (*1899). 1929 kam der gemeinsame Sohn Fritz in Mannheim zur Welt. Die jüdische Familie lebte einige Jahre in D 7, 17; im Juli 1930 zog sie in die Richard-Wagner-Str. 16 (Oststadt) um, wo sie das erste Obergeschoss des vierstöckigen Hauses bewohnte.
Fritz besuchte vermutlich ab 1935 die Luisenschule am Tattersall (heute Max-Hachenburg-Schule), in der seit 1934 Klassen für jüdische Kinder eingerichtet worden waren. Nachdem jüdische Kinder von den Nationalsozialisten von den staatlichen Schulen verwiesen wurden, wurde Fritz entweder in der Jüdischen Schule in K 2, 4 oder in der Lemle-Moses-Klaus („Klaus-Synagoge“ in F 1, 11) unterrichtet – ebenso wie sein drei Jahre jüngerer Cousin Otto Wertheimer.

Die antijüdischen Repressalien des NS-Regimes bekam die Familie Löbmann schon bald nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten auch wirtschaftlich zu spüren. War die drastische Verkleinerung der Fabrik von Julius und Ferdinand Löbmann im Jahr 1934 noch vor allem auf Probleme mit der Rohstoffbeschaffung aus den USA und der Sowjetunion zurückzuführen, sorgten Boykotte und die schrittweise Verdrängung jüdischer Unternehmer aus der deutschen Wirtschaft für einen rapiden Niedergang der Firmen. 1938 sahen sich Julius und Ferdinand Löbmann gezwungen, ihr Unternehmen zu verkaufen; die Firma Rudolph Fuchs erwarb die Rechte an der Marke Renolit und überführte sie in die eigene Produktpalette.
Auch die zweite Firma, an der Julius Löbmann beteiligt war, musste verkauft werden bzw. wurde von dem nicht-jüdischen Kaufmann Karl Schwarz „arisiert“. Dieser erwarb 1938 das Mineralölgeschaft in der Helmholtzstraße zu einem Preis, der weit unter dem realen Wert lag, und führte die Firma unter seinem Namen weiter.

Ende September 1940 zogen Julius, Mathilde und Fritz Löbmann von der Richard-Wagner-Straße nach L 14, 5 um. Ob der Umzug freiwillig erfolgte oder sich die Familie die große Wohnung in der Oststadt nicht mehr leisten konnte, ist nicht bekannt. In den Quadraten lebten die Löbmanns jedoch nur wenige Wochen. Sie gehörten (genauso wie die Familie Wertheimer) zu den mehr als 6.500 südwestdeutschen Jüdinnen und Juden, die die Nationalsozialisten am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs, am Rande der Pyrenäen in Südfrankreich, deportierten. Ab März 1941 trennten sich die Wege der Familienmitglieder. Julius Löbmann wurde Ende des Monats in das Lager Les Milles (Aix-en-Povence) überstellt, Mathilde und Fritz kurze Zeit später in das Lager im Hotel Bompard in Marseille. Beides waren sogenannte Auswandererlager für Deportierte, die auf Ausreisegenehmigungen nach Übersee warteten. Dazu kam es jedoch nicht. Julius Löbmann wurde im Mai 1942 in ein Zwangsarbeitslager gebracht, aus dem er im November fliehen und in Frankreich untertauchen konnte. Er war das einzige Familienmitglied, das überlebte. Seine Frau Mathilde wurde im August 1942 über das Durchgangslager Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Fritz war dagegen 1941/42 von Mitarbeiter:innen des französischen jüdischen Kinderhilfswerks Œuvre de secours aux enfants (OSE) aus dem Lager gerettet und zusammen mit seinem Cousin Otto in das OSE-Kinderheim Château Montintin (bei Limoges) gebracht worden. Im Herbst 1943 erhielt er gefälschte Papiere auf den Namen François Lauban, Otto auf den Namen Octave Wermet. Beide Jungen wurden in das OSE-Heim in Izieu (östlich von Lyon) gebracht, wo sie unter anderem auf die Mannheimer Sami Adelsheimer (4 Jahre alt) und Max Leiner (7 Jahre) trafen. In Izieu konnten die Jungen zum ersten Mal seit Herbst 1940 aufatmen: essen, ausschlafen, spielen und wieder einigermaßen „normal“ leben. Das Heim bot Geborgenheit und Schutz. Doch die Idylle war nur von kurzer Dauer. Im Frühjahr 1944 ordnete der berüchtigte Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, Razzien in den französischen Kinderheimen an, in die seit 1941 Hunderte aus den Lagern gerettete jüdische Kinder und Jugendliche in vermeintliche Sicherheit gebracht worden waren. Am 6. April 1944 (Gründonnerstag) wurden alle 44 zu dieser Zeit im „Maison d`Izieu“ anwesenden Minderjährigen sowie sechs Betreuer:innen verhaftet und in das Lyoner Fort Montluc gebracht. Wenige Tage später wurden die Kinder und Jugendlichen, darunter auch Fritz, Sami, Max und Otto, über das Durchgangslager Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet. Fritz Löbmann wurde nur 16 Jahre alt.

Julius Löbmann führte nach dem Krieg einen jahrelangen Rechtsstreit um Entschädigungszahlungen für die „arisierten“ Familienunternehmen. Die Enkelin des „Ariseurs“ Karl Schwarz, die deutsch-französische Autorin Géraldine Schwarz, behandelte ihre Familiengeschichte und die Entrechtung der Familie Löbmann in ihrem 2017 erschienenen Buch „Les Amnésiques“ (deutsch: die Gedächtnislosen, 2018), das in mehr als 10 Sprachen übersetzt wurde.

An die sogenannten „Kinder von Izieu“ erinnert unter anderem ein gleichnamiges Lied von Reinhard Mey. In den Jahren 2001/2002 erarbeiteten Schüler:innen aus Mannheim und Lyon in Kooperation mit der Gedenkstätte Maison d`Izieu und dem Stadtarchiv Mannheim die deutsch-französische Wanderausstellung „Mannheim – Izieu – Auschwitz“, in deren Mittelpunkt die vier Mannheimer Kinder stehen. Sie kann bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg ausgeliehen werden.


Die Stolpersteine zum Gedenken an Sami Adelsheimer, Max Leiner, Fritz Löbmann, Otto Wertheimer sowie ihre Familien wurden vom Deutsch-Türkischen Institut Mannheim im Rahmen des Schülerprojekts „#ÜberLebensgeschichtenstolpern!“ initiiert und am 23. Oktober 2023 verlegt.

 

Text: Dr. Marco Brenneisen (MARCHIVUM), März 2024

 

Literatur & Informationen:
-    Serge & Beate Klarsfeld: Die Kinder von Izieu, Leipzig 1991.
-    Géraldine Schwarz: Die Gedächtnislosen. Erinnerungen einer Europäerin, Berlin 2018.
-    Christiane Fritsche: Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt. Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim, Heidelberg 2013.
-    Gedenkstätte Maison d`Izieu: https://www.memorializieu.eu/de/
-    Wanderausstellung: https://www.gedenkstaetten-bw.de/izieu-ausstellung

Adresse

L 14, 5
68161 Mannheim
Deutschland

Geolocation
49.482076918582, 8.47068945