Ettie Liebe Stein

Ettie Liebe Stein geb. Retter wurde 1889 im damals polnischen Kuty (heute Westukraine) geboren. Sie war verheiratet mit dem aus dem benachbarten Wischnitz (Bukowina) stammenden Fellhändler Leiser "Leo" Stein (1888-1948). Im Jahr 1914 zog das ostjüdische Ehepaar von Pforzheim nach Mannheim, wo die gelernte Modistin Ettie Stein bis 1928 ein kleines Hutgeschäft betrieben haben soll. Zwischen 1914 und 1930 kamen die sechs Kinder Jacob, Josef, Sabina, Esther Czarne, Salomon Chaim und Lea Ruth zur Welt. Alle Familienmitglieder hatten die rumänische Staatsbürgerschaft.

Ende des Jahres 1922 erwarb Leo Stein ein kleines, altes, stark heruntergekommenes zweistöckiges Haus in H 5, 7 mit einer Grundfläche von nur 57 qm, das seit mehreren Jahren nicht mehr bewohnt gewesen war. Für das aus vier Zimmern und einem Küchenanbau bestehende Häuschen zahlte er zu Zeiten der Hyperinflation 15.000 Papiermark, was 46 Goldmark entsprach. Das Viertel in der westlichen Unterstadt („Filsbach“) galt als Armenviertel; auch die Familie Stein lebte dort in äußerst prekären Verhältnissen. Schon Ende der 1920er Jahre bot Ettie Stein das Haus der Stadt Mannheim zum Kauf an, da die Familie verschuldet war. Die Behörden zeigten jedoch kein Interesse an der maroden Immobilie im „Elendsquartier“.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Familie zunehmenden antijüdischen Repressionen ausgesetzt. Die drei ältesten Kinder emigrierten 1935 (Jakob, damals 21 Jahre alt) bzw. 1939 (Josef, 22, und Sabina, 13) nach Palästina. Ende 1939 verkaufte Leo Stein das Wohnhaus für 3.800 Reichsmark an die Stadt Mannheim. Das Ehepaar Leo und Ettie Stein blieb mit den drei kleineren Kindern aber zunächst dort wohnen – zu einem monatlichen Mietzins von 30 RM. 1941 zog die Familie nach B 6, 20 um, kehrte aber im Juli 1943 nach H 5, 7 zurück.

Am 8. Oktober 1943 wurden Ettie und Leo Stein verhaftet und in das Mannheimer Gefängnis gebracht. Zwei Wochen später verschleppten die Nationalsozialisten Leiser Leo und den erst 14 Jahre alten Sohn Salomon Chaim in das KZ Buchenwald, Ettie Liebe und die Töchter Ester Czarne (15) und Lea Ruth (13) in das Frauen-KZ Ravensbrück.

Leo, Salomon, Czarne und Lea überlebten die Konzentrationslager und wanderten nach dem Krieg nach Israel bzw. in die USA aus.
Ettie Liebe Stein kam am 10. Februar 1944 im Alter von 55 Jahren im KZ Ravensbrück ums Leben.

Der Stolperstein für Ettie Liebe Stein wurde am 3. März 2022 auf Initiative von Angehörigen verlegt.

Text: Dr. Marco Brenneisen, Mai 2023
Bilder: privat / MARCHIVUM