Johanna Kahn

Johanna Sichel stammte aus Frankfurt am Main, wo sie am 3. Mai 1878 geboren wurde. Ihr erster Mann, Isaak Adler, starb im Ersten Weltkrieg. Um 1917 heiratete sie in zweiter Ehe Alfred Kahn aus Freiburg im Breisgau und zog mit ihm nach Mannheim. Ab 1927 wohnte das Paar im dritten Stock der Augustaanlage 34.
Im Jahr 1929 adoptierten sie den fünfjährigen Hans aus einem jüdischen Waisenhaus in Köln und erzogen ihn wie ihr eigenes Kind.

In der Pogromnacht von 1938 befand sich Johanna Kahn im Krankenhaus und erlebte den Ausbruch der Gewalt, einschließlich der vollständigen Zerstörung der Familienwohnung, nicht mit. Alfred Kahn befand sich zu dieser Zeit gerade auf einer Geschäftsreise in der Schweiz. Er beschloss, nicht zurückzukehren. Von St. Gallen aus versuchte er, die Flucht der gesamten Familie in die Vereinigten Staaten zu organisieren. Die Familie erhielt jedoch nur ein einziges Visum, welches sie nutzte, um ihren Sohn Hans in Sicherheit zu bringen. Er erinnerte sich später: "Im Dezember 1939 fuhren meine Mutter und ich mit dem Zug zur Schweizer Grenze, wo wir den Vater trafen. Doch bevor der Zug in die Schweiz einfuhr, sah ich, wie meine Mutter von Gestapo-Beamten gewaltsam aus dem Zug geholt wurde. Das war das letzte Mal, dass ich meine Mutter sah (...)".

Johanna Sichel blieb daraufhin mit ihrer hochbetagten Mutter Josefine Sichel geb. Strauss allein in Mannheim zurück. Am 22. Oktober 1940 wurden sie zusammen mit mehr als 6.000 anderen Jüdinnen und Juden aus Baden und der Saarpfalz in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Dort herrschten Kälte, Hunger und Krankheit, viele der Deportierten überlebten den ersten Winter nicht. Sowohl Johanna Kahn, die an einem schweren Nierenleiden litt, als auch ihre Mutter starben nur einen Monat nach ihrer Ankunft im Lager im November 1940, zwei Tage nacheinander, und sind auf dem Lagerfriedhof begraben.
 

Die Stolpersteine zum Gedenken an Johanna, Alfred und Hans Kahn wurden am 18. Oktober 2023 verlegt.

Text: Johanna S. Mai