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Ein Weltbürger kehrt zurück: Otto Haas-Heye

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Zeichnung einer Figurine von Otto Haas-Heye, 1962

"Das Pech meines Vaters", resümiert 2008 Johannes Haas-Heye in einem Brief " war es, dass er – mit viel Geld aufgewachsen – nicht haushalten konnte. Er hat immer gut verdient, aber oft mehr ausgegeben als eingenommen, denn was er machte, musste so schön wie nur irgend möglich sein."

Diese großzügige Unterordnung aller anderen Gesichtspunkte unter den der künstlerischen und ästhetischen Qualität ist das, was in der Rückschau auf die Person Otto Haas-Heye als erstes deutlich wird und was einen Gutteil seiner Faszination ausmacht.

Figurine von Otto Haas-Heye, 1962

Heute nur noch wenigen Modehistorikern bekannt, war Otto Haas-Heye während des Ersten Weltkriegs und der Weimarer Republik eine Berliner Institution, wenn es um phantasievolle Mode und deren Präsentation oder um aufsehenerregende Ausstattung von Theater, Ballett und – im geringeren Maße – auch Film ging. "Haas-Heye-Figurinen" waren legendär und in vielen Modezeitschriften zu finden; es gab ein Haas-Heye-Ballett, und von seinem Modehaus Alfred-Marie wird berichtet, es "sei die Verwirklichung der Idee einer Verbindung vornehmster Kultivierung eines künstlerisch durchgebildeten Geschmacks und der Mode des Tags." Genau das, so die Zeitschrift "Elegante Welt" von 1915, habe Berlin bis dato noch gefehlt.

Der kometenhafte Aufstieg des Modeschöpfers Haas-Heye war eine Folge des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs. Zum einen, weil die feine Welt in Berlin nun von der Mode aus Paris abgeschnitten war und eigene Haute Couture brauchte, zum anderen, weil der Weltbürger Haas-Heye, der in den Jahren zuvor in Rom, Paris und London gelebt hatte, sich genötigt sah, in sein Heimatland zurückzukehren.

Die Setzerei in der Dr. Haas'schen Buchdruckerei in E 6

Geboren wurde Otto Haas am 16. Dezember 1879 in Heidelberg als Sohn von Hermann Julius Haas, welcher 1884 die bisherige Druckerei des Katholischen Bürgerhospitals in Mannheim erwarb und sie in dessen Räumen in E 6, 2 weiter betrieb. Die Haas’sche Druckerei gab die "Mannheimer Zeitung", später den "Generalanzeiger" heraus und besteht bis heute in der Großdruckerei des "Mannheimer Morgen" fort. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1902 erbte der erst 23-jährige Otto ein Vermögen, das ihm ein Leben nach eigenen Vorstellungen ermöglichte. Sein Interesse galt vor allem der Bildenden Kunst, und so studierte er Malerei in Düsseldorf, Paris und Rom.

Seine Hochzeit mit Viktoria, der jüngsten Tochter des Fürsten Philipp zu Eulenburg, der durch die berühmt-berüchtigte Eulenburg-Affäre am Hof Kaiser Wilhelms II. bekannt wurde, eröffnete den Zugang zu den Adelskreisen für Otto Haas-Heye. So lautete sein offizieller Name, seit er den Nachnamen seiner Mutter, die aus einer wohlhabenden Bremer Kaufmannsfamilie stammte, vom dortigen Senat gekauft hatte. 1910, 1912 und 1913 kamen die drei Kinder des Ehepaars Haas-Heye zur Welt.

Vor dem Kriegseinsatz als Soldat bewahrte Haas-Heye die Tatsache, dass er den Münchner Graphik Verlag kaufte, nach Berlin verlagerte und dort ab 1915 "Das Zeit-Echo. Kriegstagebuch der deutschen Künstler" herausgab, zu dem so namhafte Autoren wie Thomas Mann oder Rainer Maria Rilke Beiträge lieferten. Nachdem er sein Modehaus in den späteren Kriegsjahren schließen musste und nach einem Zwischenaufenthalt in der Schweiz, wurde er 1920 von Bruno Paul an die Kunstgewerbeschule in Berlin berufen, um dort eine Modeabteilung einzurichten und zu leiten. Auf Empfehlung von Hugo von Hofmannsthal stattete er 1921 die Wiener Erstaufführung der 1914 komponierten Tanzpantomime "Die Josephslegende" von Richard Strauss aus. Es folgten weitere Theateraufträge in Wien und bei den Salzburger Festspielen. Aufgrund von Finanznöten verließ er Berlin 1926 und versuchte in Paris sein Glück, zog 1930 weiter nach Zürich. Dort eröffnete er eine Kunst- und Modeschule, die bis 1937 bestand und auch für Erika Manns Kabarett "Die Pfeffermühle" die Kostüme schneiderte.

Die Zeit des Nationalsozialismus bedeutete auch für Otto Haas-Heye einen tiefen Einschnitt. Wegen jüdischer Vorfahren war an eine Rückkehr nach Deutschland nicht zu denken. Deshalb wählte er von Zürich aus das Exil in London, wo er bis zur Übersiedlung nach Mannheim 1957 lebte. Seine Tochter Libertas, verheiratet mit Harro Schulze-Boysen, wurde 1942 in Berlin-Plötzensee wegen ihrer Zugehörigkeit zur Widerstandsgruppe "Rote Kapelle" hingerichtet.

Ausstellung von Otto Haas-Heye in der Mannheimer Stadtbibliothek, 1962

Es war ein bewegtes und bewegendes Leben, auf das Otto Haas-Heye zurückblickte, als er sich mit 78 Jahren wieder seiner frühen Heimat, dem Rhein-Neckar-Dreieck, zuwandte. Doch trotz vieler Schicksalsschläge und Niederlagen – auch als Grandseigneur war Haas-Heye noch voller Pläne und Ideen. So wollte er unter anderem in Mannheim ein Mode-Museum gründen. Doch dazu sollte es nicht mehr kommen: Am Pfingstmontag 1959 wurde er von einem Motorradfahrer angefahren, brach sich den Fuß und starb am 9. Juni dieses Jahres im Städtischen Krankenhaus an einer Lungenembolie.

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Momentaufnahme van Deyl'scher Plan

Eines der bekanntesten Mannheimer Dokumente aus dem 17. Jahrhundert ist ein Stadtplan, den Jacob van Deyl erstellt hat. Darin werden alle, die am 4. April 1663 ein Grundstück in der Stadt Mannheim besessen haben, namentlich aufgeführt. Diese Quelle wurde schon vielfach ausgewertet und ist natürlich ein wertvolles und sprechendes Dokument. Aber sie ist nur eine Momentaufnahme, wie schnell zu erkennen ist, wenn andere Quellen hinzugezogen werden. Das wurde bisher für Einzelaspekte, aber noch nicht systematisch gemacht, da der notwendige Arbeitsaufwand dafür immens ist und sich erst mit modernen Mitteln der Datenverarbeitung besser in den Griff bekommen lässt.

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