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"Frau Christa" kauft ein

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Christa Vondung

In der Ausstellung "Alltagswelten einer Industriestadt" läuft in einem digitalen Bilderrahmen eine Fotoserie, die im Zusammenhang mit der von Hans Roden verfassten Reportage "Frau Christa kauft ein" entstanden ist. Die Reportage begleitet eine junge Frau bei ihrem Einkauf durch die Geschäfte, die Anfang der 1950er Jahre im Tiefbunker unter dem Alten Messplatz das sog. Bunkerkaufhaus gebildet haben.
 

Im Nachlass des Ehepaars Roden sind nur das Manuskript zu dieser Reportage und die Fotos erhalten, aber kein Hinweis darauf, wer die junge Frau gewesen ist, die damals fotografiert wurde.

Anfang Februar besuchte Frau Dr. Vondung-Beck die Ausstellung und war nicht wenig überrascht, dort Bilder ihrer heute 95-jährigen Mutter zu entdecken, die sie als kleine Abzüge aus den Fotoalben ihrer Familie kannte. Sie setzte sich mit uns in Verbindung, um uns wissen zu lassen, dass ihre Mutter noch in Mannheim lebt und erfreut war, zu hören, dass sie derzeit im MARCHIVUM ausgestellt wird.

Inzwischen hatten wir das große Vergnügen, Frau Vondung in unseren Ausstellungsräumen begrüßen zu dürfen, ihr die digitalisierten Fotos zu überreichen und uns mit ihr über deren Entstehung zu unterhalten.

Christa Beier am Eingang des Bunkerkaufhauses, an dem auch auf das Geschäft ihrer Eltern hingewiesen wird.

Christa Vondung, geb. Beier, wurde 1924 in Schlesien geboren. Ihre Heimat musste sie mit ihrer Familie am Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 verlassen. Nach einer Zwischenstation in München kam die Familie Beier Ende 1948 nach Mannheim. Hier betrieben ihre Eltern – wie schon in Schlesien – ein Textilgeschäft, zunächst im Bunkerkaufhaus, später dann in F 1. Obwohl sie eigentlich ausgebildete Schauspielerin war und in dieser Zeit auch immer wieder kleinere Engagements am Nationaltheater und anderen Bühnen hatte, half sie oft im Geschäft ihrer Eltern mit. Hans Roden wurde auf die attraktive junge Frau aufmerksam und fragte sie als Fotomodell an.

Ihre Zusammenarbeit bestand allerdings nur in dieser einen Reportage, welche in der "Berliner Illustrierten" veröffentlicht wurde. Diese Zeitung war damals auch in Mannheim sehr verbreitet, und so wurde Frau Vondung häufig auf der Straße auf die Bilder angesprochen, was ihr gut gefallen und einige neue Bekanntschaften beschert hat.

Als sie jetzt noch einmal den Text gelesen hat, den Hans Roden damals über sie verfasste, merkte sie allerdings lächelnd an, dass dieser in Teilen aber doch erfunden sei. Denn als die Fotos zwischen 1950 und 1953 aufgenommen wurden – das genaue Jahr weiß sie heute nicht mehr –, war sie noch unverheiratet und hatte auch noch keine Kinder, wie das im Artikel behauptet wird. Wenig später wurde aber auch das wahr: Bis zu seinem Tod im Jahr 2017 war sie die Ehefrau von Dr. Robert Vondung, dem langjährigen ärztlichen Direktor im Theresienkrankenhaus, und ist Mutter von vier Kindern.

Christa Vondung in der Ausstellung "Alltagswelten einer Industriestadt", 2020

Mit dem Blick auf das Foto neben ihr im Bilderrahmen, erinnerte sie sich übrigens wieder an die Tasse Kaffee, zu der sie damals von Hans Roden eingeladen wurde, um das Foto zu "schießen", und das war damals ein eher seltener Genuss für sie.

Wir danken Frau Dr. Vondung-Beck, dass sie die eindrucksvolle Begegnung mit ihrer Mutter für uns möglich gemacht hat, und wir nun wissen, wer "Frau Christa" ist.

Die Ausstellung "Alltagswelten einer Industriestadt" wird übrigens bis Sonntag, 28. Juni verlängert.

 

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