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Ludwig Reiss

geboren am
Verfolgung

Jüdischer Druckereibesitzer

1940 nach Gurs deportiert

Überlebt

Kachelbild
Text

Ludwig Reiss wurde 1877 als zweites von fünf Kindern des Fabrikanten Sally Reiss (1847-1914) und dessen Ehefrau Friederike geb. Oppenheimer (1856-1926) in Mannheim geboren. 1919 heiratete er die geschiedene Henriette „Herta“ Levi geb. Klopfer, die einen elfjährigen Sohn mit in die Ehe brachte. 1922 kam die gemeinsame Tochter Renate Friederike Helene zur Welt.

Zusammen mit dem älteren Bruder Berthold und dem Vetter Karl Reiss war Ludwig Reiss nach dem Tod des Vaters und des Onkels Inhaber der Druckerei Gebr. Bauer. Das 1859 gegründete Mannheimer Unternehmen zählte zu den größten und modernsten Druckereien im Deutschen Reich. Noch im Mai 1938 hatte die Firma trotz der antijüdischen Repressionen des NS-Regimes zwischen 250 und 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verfügte über einen bedeutenden Kundenstamm. Wenige Monate darauf wurde das Unternehmen jedoch „arisiert“ – der spätere Medienmogul Franz Burda und sein Jagdfreund Karl Fritz kauften die Druckerei Gebr. Bauer zu einem Preis, der letztlich weit unter dem Marktwert lag.

Im August 1939 gelang es Ludwig und Henriette Reiss, ihrer damals 17-jährigen Tochter Renate die Ausreise nach England zu ermöglichen, wo sie zunächst als Haushälterin, später als Kindermädchen arbeitete, bevor sie nach Kriegsende in die USA emigrierte. Dem Ehepaar selbst gelang es dagegen nicht, vor der Massendeportation der badischen, pfälzischen und saarländischen Juden ins Ausland zu flüchten.

Ludwig und Henriette Reiss wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Henriette wurde 1942 in Auschwitz ermordet, Ludwig Reiss konnte sich nach einem Krankenhausaufenthalt in Pau bis zum Kriegsende unentdeckt in Südfrankreich aufhalten und emigrierte im Januar 1947 zu seiner Tochter in die USA. Die NS-Verfolgung und der Verlust seiner Ehefrau haben einen schweren seelischen Schaden hinterlassen, von dem sich Ludwig Reiss nicht mehr erholte. Die letzten Monate seines Lebens verbrachte er in einer geschlossenen Psychiatrie. Er starb im Herbst 1948 in den USA.

Der Stolperstein zum Gedenken an Ludwig Reiss wurde 2015 verlegt.

Text: Dr. Marco Brenneisen (MARCHIVUM), Oktober 2020

 


Literatur:
Christiane Fritsche: Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt. Arisierung und Wiedergutmachung in Mannheim, Ubstadt-Weiher u.a. 2013. Darin: Exkurs 9: Von den jüdischen Verkäufern "geschädigt": Die Arisierung der Druckerei Gebr. Bauer, S. 251-257.

Adresse

Sophienstr. 20 (Oststadt)
68165 Mannheim
Deutschland

Geolocation
49.482259668582, 8.4828661499999