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"Der Polizei - ein Ehrenmal!" Hans Rodens Publikationen stilisieren die Polizei der Weimarer Republik zum Vorkämpfer des Nationalsozialismus

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Aufmarsch

In Mannheim ist Hans Roden bekannt durch seine Presseagentur. Rodenpress zeichnete sich durch eindrucksvolle Aufnahmen der Lebens- und Arbeitswelt in der bundesdeutschen Nachkriegszeit aus. Wer sich jedoch mit der Geschichte der Polizei im Nationalsozialismus beschäftigt, wird eine andere Seite von Hans Rodens Biographie entdecken: Als Inhaber eines Polizeibild-Archivs und Autor mehrerer Publikationen über die Polizei betrieb er die Geschichtsschreibung und ideologische Ausrichtung der Institution im nationalsozialistischen Sinne. Auch darauf verweist die Ausstellung "Alltagwelten einer Industriestadt."

Hans Roden war kein Polizeibeamter. Wie es zum Kontakt zur Polizei und der Zusammenarbeit kam, ist nicht bekannt. Vermutlich geschah dies im Umfeld paramilitärischer Verbände, denen er seit den 1920ern nahestand. In den bewaffneten Institutionen Militär und Polizei waren nationalistische Einstellungen, ein scharfer Antikommunismus und eine obrigkeitsstaatliche Orientierung weit verbreitet. Die kasernierten Polizeiverbände der Länder rekrutierten sich in den Anfangsjahren der Weimarer Republik weitgehend aus der Reichswehr.

Zwischen demokratischen Reformen und militärischen Traditionen: Die Polizei in der Weimarer Republik

Die Polizei in der Weimarer Republik, die wie in der Bundesrepublik föderal aufgebaut war, bewegte sich im Spannungsverhältnis zwischen demokratischen Reformen und militärischen Traditionen. Politiker der demokratischen Parteien strebten den Aufbau einer modernen, zivilen Polizei an, die sich an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientierte. Die Polizei sollte "Freund, Helfer und Kamerad der Bevölkerung" sein, forderte der preußischen Innenminister Carl Severing (SPD).

Reformer wie Severing trafen auf Widerstand in der Beamtenschaft. Besonders das Offizierskorps, mehrheitlich in der alten Reichswehr sozialisiert, stand dem Leitbild der republikanischen "Volkspolizei" reserviert gegenüber. So blieben regelmäßig Offiziere den Feiern der Polizei zum Verfassungstag am 11. August fern, um ihrer Ablehnung der Republik Ausdruck zu verleihen.

Die politische Radikalisierung im Zuge der wirtschaftlichen Krise und die Lähmung der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Regierungspraxis qua Notverordnung Anfang der 1930er belasteten die Polizei schwer. Bei Demonstrationen, Streiks und den zunehmend gewalttätigeren politischen Auseinandersetzungen sollten die Beamten das staatliche Gewaltmonopol durchsetzen. Dabei gerieten sie immer stärker ins Fadenkreuz von Kommunisten und Nationalsozialisten, die in der Polizei den Büttel der verhassten Republik sahen.

Nicht nur propagandistisch gingen die Kommunisten, die von der Polizeigewalt am stärksten betroffen waren, gegen die Ordnungshüter vor. Anschläge auf Polizeibeamte mehrten sich Anfang der 1930er. Als demokratische Bastion fiel die preußische Polizei, die mit Abstand größte und bedeutendste im Deutschen Reich, bereits am 20. Juli 1932. Im Rahmen des "Preußenschlags" entmachtete der durch Notverordnung eingesetzte Reichskommissar die Landesregierung. Entlassen wurden dabei auch die Berliner Polizeiführung und demokratisch gesinnte Offiziere. Damit war der Weg für die "Säuberung" des Polizeiapparats nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler vorgezeichnet.

Polizei und SA im gemeinsamen Einsatz gegen Gegner des NS-Regimes im Frühjahr 1933, in: Hans Roden, Polizei greift ein. Bilddokumente der Schutzpolizei, Leipzig 1934

Sofort nachdem die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, usurpierten sie die Führungspositionen in der Polizei. Beamte, die offen zur Republik standen oder Juden waren, wurden entlassen. Zusammen mit den zur Hilfspolizei ernannten paramilitärischen Verbänden von SA und SS ging die Polizei gewaltsam gegen die politischen und weltanschaulichen Gegner der Nationalsozialisten vor. Dabei erhielten sie weitreichende Vollmachten, die alle Grundsätze des Rechtsstaats außer Kraft setzten. So konnten Polizeibeamte ohne richterlichen Beschluss Menschen praktisch unbefristet in "Schutzhaft" nehmen und in Konzentrationslager einweisen. Die Polizei vollstreckte den nationalsozialistischen Terror und wurde damit zur Stütze der Diktatur.

"Polizei greift ein": Traditionsarbeit, Sinnstiftung und Gedenkkultur für die Polizei im NS-Staat

Mit der 1934 im Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel veröffentlichten Publikation "Polizei greift ein" schrieb Hans Roden die Geschichte der Polizei in der Weimarer Republik im nationalsozialistischen Sinne um. Der erste Teil ist ein Ehrenbuch in der Tradition der Regimentsgeschichten der alten Reichswehr. Aufgeführt sind auf 16 Seiten die Namen der Beamten, die von 1919 bis 1934 im Dienst ihr Leben ließen. Derartige Ehrenbücher für die im Einsatz Gestorbenen finden sich bis heute in zahlreichen Polizeipräsidien.

Roden und seine Mitautoren – im Gegensatz zu ihm allesamt Polizeioffiziere – ehrten jedoch nur diejenigen, die im Kampf gegen kommunistische Demonstranten oder bei Aufstandsversuchen der radialen Linken getötet worden waren, im Ruhrgebiet, in Mitteldeutschland, Hamburg oder Berlin. Dass die Bayerische Landespolizei 1923 den Hitlerputsch niedergeschlagen hatte oder die preußische Schutzpolizei noch 1932 das zeitweilige Verbot von SA und SS durchzusetzen versuchte, unterschlug Roden.

Den Einsatz der Polizisten für die Republik deutete er um, indem er sie, analog zu den Soldaten des Ersten Weltkriegs, zu Vorkämpfern für den Nationalsozialismus erhob. Mit diesem Totenkult, der sich Mitte der 1930er auch in zahlreichen lokalen Denkmälern und Gedenkbüchern manifestierte, löste Roden die Polizei symbolisch aus ihrem Dienst für die Republik. Aus der einst verhöhnten "Severing-Garde" wurden Märtyrer des nationalen Aufbruchs. Die Opfer der Polizei waren Roden zufolge nicht sinnlos, sondern erfüllten sich im nationalsozialistischen Staat, der seinen Ordnungshütern gebührende Achtung und Ehre erbot:

"Tag und Nacht gehetzt, an Gesundheit und Leben bedroht, von einer judomarxistischen Regierung im Stich gelassen, ertrug der Polizeibeamte die höchsten körperlichen und seelischen Anforderungen, immer im Hinblick auf das Ziel, auf den Tag, da der Aufbruch der Nation diese für die Dauer unhaltbaren Zustände hinwegschwemmen würde. Und der 30. Januar kam. Adolf Hitler ist zum Reichskanzler ernannt. […] Vergessen die Jahre der Schmach, der Demütigung – die Polizei bekennt sich als den Autoritätsträger des nationalen Staates."

Den Gegensatz zwischen der Polizei in der Republik und der im nationalsozialistischen Staat setzte Roden visuell geschickt in Szene. Dem zivilen Führungspersonal, gesetztere ältere Herren in Frack und Zylinder, stellt er das junge, uniformierte und militärisch-straffe neue Offizierskorps gegenüber. Mit seiner machtvollen Polizei, so die Botschaft, demonstrierte der NS-Staat Stärke.

Der Berliner Vizepolizeipräsident Dr. Bernhard Weiß, der Staatssekretär im preußischen Innenministerium Wilhelm Abegg, der Berliner Polizeipräsident Karl Zörgiebel und der Kommandeur der Berliner Schutzpolizei Magnus Heimannsberg bei der Abnahme einer Polizeiparade, um 1928, in: Hans Roden, Polizei greift ein. Bilddokumente der Schutzpolizei, Leipzig 1934

Rodens Publikation enthält mehr als 300 Fotos, vielfach aus dem Bestand seines Polizeibild-Archivs. So schilderte Roden in einer Bildreportage die Maiunruhen 1929 in Berlin. Das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die verbotenen Demonstrationen der KPD am 1. Mai eskalierte in tagelangen Straßenschlachten. Rodens Aufnahmen von den Barrikaden, vom Schlagstockeinsatz der Polizisten oder den an Hydranten angeschlossenen Wasserschläuchen, den ersten Wasserwerfern bei einem Einsatz der deutschen Polizei, prägten maßgeblich die Vorstellungen vom "Blutmai". Diese und andere Bilddokumente aus Rodens Buch werden bis heute vielfach in Büchern und Ausstellungen verwendet.

Durch "Polizei greift ein", versehen mit einem Vorwort vom Reichsminister des Innern Wilhelm Frick, und weiteren Publikationen in Fachzeitschriften avancierte Hans Roden zum Apologeten der nationalsozialistischen Polizei. Die Fotos in der Ausstellung "Alltagswelten einer Industriestadt" zeigen, dass er auch nach dem Krieg der Institution verbunden war. Dabei blieb er Sujets treu, die in der Selbstdarstellung der Polizei eine lange Tradition haben und bereits in seinen Publikationen aus der NS-Zeit auftauchen, wie dem "guten Schupo", der Kinder sicher durch den Straßenverkehr leitet. Die Polizei im NS-Staat war indes kein "Freund und Helfer", sondern vielmehr "Freund und Henker".

Inszenierung der Polizei als "Freund und Helfer", in: Hans Roden, Polizei greift ein. Bilddokumente der Schutzpolizei, Leipzig, 1934

 

 

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