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Mannheims Vielfalt entdecken: die Stadtteile und ihre Menschen. Ein Videoprojekt für die Stadtgeschichtliche Ausstellung

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farbiges Portrait von Ali Badakhshan Rad beim Videodreh

Wie lebt es sich in Mannheim und seinen Stadtteilen? Dieser Frage sind wir gemeinsam mit einem Filmteam nachgegangen. Wir haben uns mit ganz unterschiedlichen Menschen getroffen, die uns über sich und ihren Stadtteil erzählt haben. Die Videos sind ab 5. November in der Stadtgeschichtlichen Ausstellung zu sehen. Produziert wurden sie mit finanzieller Unterstützung von KULTUR.GEMEINSCHAFTEN, einem gemeinsamen Förderprogramm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Kulturstiftung der Länder.

Ausgangspunkt des Projekts ist die Idee, die Stadtgeschichtliche Ausstellung mit einer Installation zur Gegenwart Mannheims abzuschließen, zum Leben in der Stadt hier & heute. Uns interessiert die Vielfalt, die sich gerade auch in den Stadtteilen widerspiegelt. Denn aus der ursprünglichen Quadratestadt ist im Lauf der Zeit eine Großstadt mit heute 38 Stadtteilen entstanden, die ihre jeweils eigene Geschichte und Identität haben. Gemeinsam bilden sie das heutige Mannheim. Wer könnte über diese Stadtteile besser berichten, als ihre Bewohner*innen?  

Von diesen Überlegungen ausgehend, machten wir uns auf die Suche nach Interviewpartner*innen. Hierfür nutzten wir nicht nur bereits vorhandene Netzwerke, sondern knüpften auch neue, indem wir uns an Vereine, vom Sport- bis zum Karnevalsverein, an Schulen und andere Institutionen wandten. Nicht immer fanden wir gleich jemanden für ein Interview. Erfreulich häufig erhielten wir aber spontane Zusagen und schließlich war die Bereitschaft so groß, dass wir 30 Filmclips mit 30 Personen in 30 Stadtteilen drehen konnten. Und zwar immer an einem Ort, den die Stadtteil-Repräsentant*innen aussuchten. Sei es an einem zentralen Platz, in einer Grünanlage, einem Innenhof, vor einem besonderen Bauwerk oder vor dem Gartenhaus eines Jugendtreffs.

Das Film- und MARCHIVUM-Team beim Dreh in Neuostheim: Ali Badakhshan Rad, Sara Anil, Andreas Schenk, Julián Cáceres Aravena (v.l.n.r.)

An diesen und weiteren Orten trafen wir uns zu fest vereinbarten Terminen, die wir über mehrere Drehtage verteilten. Immer mit dabei war die Crew von skope.film aus Mannheim, vollgepackt nicht nur mit zwei Kameras für Aufnahmen aus verschiedener Perspektive und einem Mikrofon mit Windschutzpuschel für den guten Ton, sondern auch mit Scheinwerfer und Licht-Reflektor, um die Interviewten noch besser ins rechte Licht rücken zu können.

So professionell das Equipment war, mit dem das Kamerateam anrückte, hielten uns die Dreharbeiten fernab eines Filmstudios doch auch durchgehend in Atem: Motorradclub-Ausflug über die Straßen auf der Blumenau, Seifenkisten-Spritztour vorbei an der Feuerwehr in Seckenheim, Baustellenlärm am Taunusplatz auf dem Waldhof, Feierabendverkehr mitten in der Schwetzingerstadt und dazu spielende Kinder, zwitschernde Vögel, bellende Hunde – die Liste ließe sich noch beliebig fortführen. All das macht das Leben bunt und lebendig, hat aber die Dreharbeiten teilweise erheblich erschwert. Die Aufnahmen mussten unterbrochen und das Gesagte mehrfach wiederholt werden, was den Stadtteil-Repräsentant*innen eine große Portion Geduld vor der Kamera abverlangte. Und auch das Film- und MARCHIVUM-Team wurde ordentlich gefordert, waren die Drehtage doch von morgens bis abends durchgetaktet, um mehrere Clips an einem Tag abzudrehen. Am heißesten Tag dieses sonst eher bescheidenen Sommers verweigerte kurz vor Abschluss eines langen Drehtages sogar die überhitzte Kamera den Dienst.

Ali bei der Arbeit für den Videoclip im Jungbusch

Die Kamera erholte sich glücklicherweise schnell wieder und wir konnten die Dreharbeiten in den kommenden Wochen wie gewohnt fortsetzen. Dabei lernten wir ganz unterschiedliche Menschen kennen, die uns alle interessante, spannende und zuweilen ungewöhnliche Geschichten über sich und das Leben im Stadtteil erzählten.

Im Stadtteil Franklin beispielsweise wurden wir von unserer Interviewpartnerin in ein Freigehege inmitten einer Wohnraumsiedlung bestellt. Umgeben von blökenden Schafen hat sie uns von ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Schäferin erzählt. Nach dem Abzug der Amerikaner sind die Schafe zunächst noch frei herumgelaufen. Nun haben sie ihre eigene Standweide im Rahmen eines städtischen Projektes erhalten. Ziel ist es, aus Franklin einen der grünsten Stadtteile Mannheims zu machen. Außerdem steckt hinter dem Projekt auch ein sozialer Aspekt. Denn der junge Stadtteil Franklin ist gerade erst am Entstehen, womit alle Bewohner*innen Neuhinzugezogene sind. Die Schafe sollen dabei helfen, die Nachbarn zusammenzubringen. Dass sie als Pionierin entschieden an der Entwicklung des Stadtteils mitwirken kann, hat unsere Intervierpartnerin und ihren Mann von einem Umzug nach Franklin überzeugt.

Eine gänzlich andere Kulisse erwartete uns bei unserem Videodreh für die Innenstadt. Als Drehort hat sich unsere Interviewpartnerin das Schloss ausgesucht, weil sie vor Kurzem ihr Studium an der Mannheimer Universität abgeschlossen hat. Das Besondere an diesem Videodreh war, dass sie in einer traditionellen Tracht der Sinti und Roma gekleidet war. Durch ihren Wohnsitz in der Innenstadt ist sie in Kontakt mit dem dort ansässigen Kulturhaus RomnoKehr gekommen, das für die Belange der Sinti und Roma eintritt. Wie sie selbst berichtet, hat ihr dieser Kontakt dabei geholfen, sich als Romni mit ihren eigenen Wurzeln auseinanderzusetzen. Sie wird Mannheim und speziell die Innenstadt daher in sehr guter Erinnerung behalten, sollte sie nun der Weg nach ihrem Studium in eine andere Stadt führen.

In Feudenheim ließ uns wiederum eine gebürtige Irin an ihren alten Heimaterinnerungen teilhaben, die der Anblick grüner Felder und Wiesen im Stadtteil in ihr hervorrufen. In ihrer neuen Heimat fühlt sie sich wohl, nicht zuletzt auch wegen des Zusammenhalts der Feudenheimer*innen. Den hat sie während des Corona-Lockdowns noch stärker wahrgenommen, als sie die ausgefallenen Chorproben auf den eigenen Balkon verlegt hat. Nach und nach haben sich immer mehr Menschen auf ihren Balkonen und vor dem Haus angeschlossen, um sich über das gemeinschaftliche Singen gegenseitig Hoffnung zu machen.

Beeindruckt haben uns auch die Aktivitäten, die uns eine junge Interviewpartnerin im Stadtteil Neuhermsheim nähergebracht hat. Für den Dreh haben wir uns im Jugendgarten Neuhermsheim getroffen. Regelmäßig organisieren die Jugendarbeiter dort Veranstaltungen für die Jugendlichen wie gemeinsames Pizzaessen beim Abendgarten oder offene Gesprächsrunden im Mädchengarten. Sie unternehmen zusammen Ausflüge und Gruppenaktivitäten. Viele der Jugendlichen haben aktiv daran mitgewirkt, dass 2022 ein fester Jugendtreff als Ort der Begegnung in Neuhermsheim gebaut werden wird.

Videodreh auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr Seckenheim

Ein Highlight der etwas anderen Art haben wir in Seckenheim erlebt. Nachdem uns der Interviewpartner auf dem Gelände der Freiwilligen Feuerwehr Seckenheim von seinen langjährigen Erfahrungen bei der Feuerwehr und dem Leben im Stadtteil berichtet hatte, wurde das Film- und MARCHIVUM-Team auf eine spannende Probe gestellt. Der Interviewpartner hatte bei Kollegen ein Feuerwehrauto mit Drehleiter angefragt, wohlwissend, dass wir in jedem Stadtteil auch immer Bilder von der Umgebung machen. Für die Seckenheimer Bilder ging es nun per Drehleiter hoch hinaus in die Lüfte. Und es hat sich gelohnt: Neben einer spektakulären Aussicht sind auch wunderschöne Aufnahmen für unseren Filmclip entstanden.

All das sind wiederum nur kleine Ausschnitte dessen, was die Besucher*innen in der Stadtgeschichtlichen Ausstellung erwartet.

Was uns betrifft, haben wir bei den Dreharbeiten den Eindruck gewonnen, dass die positiven Urteile überwiegen. Wer in der Innenstadt und den angrenzenden Stadtteilen wohnt, schätzt die kurzen Wege, das breite gastronomische Angebot, den Trubel und die vielfältigen Unternehmungsmöglichkeiten. In den nördlichen und südlichen Stadtteilen schätzt man hingegen gerade die Ruhe, die Natur und die eher dörflichen Strukturen. Die einzige Kritik betrifft den öffentlichen Nahverkehr, was vor allem in den äußeren Stadtteilen relevant ist, die auf Busse angewiesen sind, um die nächste Bahn Richtung Innenstadt oder aus Mannheim hinaus zu erreichen. Indem wir die Videoclips direkt vor Ort gedreht haben, konnten wir sehr viel über Mannheim und seine Stadtteile lernen.

Nachdem wir alle Interviews "im Kasten" hatten, begann der 2. Akt, der sich überschreiben lässt mit dem Titel "Die Qual der Wahl". Denn die Aufnahmen dauerten jeweils etwa 10-15 Minuten und mussten auf etwa 1,5 Minuten gekürzt werden. Einerseits um Wiederholungen zu vermeiden. Anderseits um die Clips nicht nur informativ, sondern auch kurzweilig zu gestalten. Denn wir möchten, dass Ausstellungsbesucher*innen Lust bekommen, mehrere Videos nacheinander anzuschauen. Zugegebenermaßen war das Kürzen der Beiträge nicht einfach, da uns die Interviewpartner*innen so viele interessante Informationen und spannende Anekdoten geliefert haben. 1,5 Minuten hörte sich zunächst nach wenig an. Rasch haben wir aber gelernt, dass man in diesen 90 Sekunden doch einiges unterbringen kann. Wir trafen die Vorauswahl der Sequenzen mit den zentralen Aussagen. Für den professionellen Schnitt sorgte skope.film.

Doch wie werden die Clips ab 5. November präsentiert? Die Besucher*innen der Ausstellung erwartet ein Raum, den die Berliner Arbeitsgemeinschaft der Agenturen Tatwerk, Finke Media, Bergzwo und Studio S/M/L entworfen und gestaltet hat. In diesem Raum können die Besucher*innen selbst entscheiden, welchen Stadtteil sie virtuell aufsuchen und wessen Geschichte sie hören möchten. Deshalb sind auf dem Boden dieses Raumes die 17 Stadtbezirke Mannheims dargestellt. (Der Unterschied zwischen Stadtbezirk und Stadtteil lässt sich am einfachsten so erklären, dass die Stadtteile nach Stadtbezirken eingeteilt sind, wie das Beispiel des Stadtbezirks Neckarau zeigt, der sich aus den Stadtteilen Almenhof, Neckarau und Niederfeld zusammensetzt.) Wer auf einen dieser Stadtbezirke tritt, löst ein dazu passendes Stadtteilvideo aus, vereinzelt auch mehrere Clips, die dann hintereinander abgespielt werden. Der Ton kommt von Lautsprechern, die an der Decke befestigt sind und das gesprochene Wort zielgerichtet auf die Person lenkt, die unter der "Hördusche" steht.

Allen, die am Raum der Stadtteile mitgewirkt haben danken wir herzlich, vor allem den Akteur*innen, die sich vor die Kamera gestellt, über sich und über ihren Stadtteil erzählt haben. Damit ist das Projekt aber nicht abgeschlossen, wir werden es weiterführen und neue Clips drehen. Das heißt es werden weitere Interviewpartner*innen und Stadtteil-Geschichten gesucht. Wer an einem Filmclip mitwirken möchte, ist herzlich eingeladen, sich hier zu melden: andreas.schenk@mannheim.de, Tel. 0621/293-7530.

alles zum Thema: Stadtgeschichte, Videoprojekt

50 Jahre Cinema Quadrat und kommunale Filmarbeit in Mannheim

Es begann im Juli 1971 mit einer "Einladung zu einer Filmischen Aktivität in Mannheim",  initiiert von Fee Vaillant und Hanns Maier und adressiert an "Freunde und Teilnehmer der Internationalen Filmwoche". Erste Ideen für das, was kommen sollte und was es auch in der Praxis wurde, sind in diesem Aufruf schon vorformuliert: ein Mitgliederprinzip (Mitgliedsbeitrag im Jahr: 10 DM) und niedrige Eintrittspreise (ermäßigt: 2 DM, regulär: 3 DM).

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