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Heim & Cie

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Farbfoto eines Autorennens

Vor 100 Jahren entstand auf dem Lindenhof, genau dort wo die Stadt Mannheim derzeit ihr neues Technisches Rathaus errichtet, eine Autofabrik. Die spannende Geschichte des Firmengründers ist jetzt erstmals in einem Buch veröffentlicht worden.

Franz Heim, das ist die Mannheimer Variante von Hans Falladas Romanfigur "Ein Mann will nach oben". Nur, dass diese Geschichte sich so zugetragen hat:

Geboren am 4. Juli 1882 in Wiesbaden kommt der kleine Franz mit seinen Eltern mit zwei Jahren nach Mannheim. Gerade 14 Jahre alt wird er der zweite Lehrling bei der "Rheinischen Gasmotorenfabrik Benz & Co" auf dem Gelände der heutigen MWM/ Caterpillar in der Neckarstadt. Er steht unter persönlicher Betreuung von Carl Benz, mit dem er zeitlebens verbunden bleiben wird.

Als BENZ 1907 in den internationalen Automobil-Rennsport einsteigt, verändert das Heims Leben für immer. Er wird Beifahrer des Starfahrers René Hanriot und erlebt die große Zeit der Mannheimer Grand Prix Wagen. Er ist ebenfalls als Mechaniker dabei, als ein BENZ die magische 200 Stundenkilometer Marke überschreitet und den Geschwindigkeits-Weltrekord nach Mannheim holt.

Er befreundet sich mit seinem Kollegen Oskar Eberle und lernt dessen Schwester Else kennen und lieben. Die beiden werden ein Ehepaar und wohnen in der Neckarstadt, Mittelstraße 28.

Das Ehepaar Heim

1910 steigt Heim zum Werksfahrer auf. Mit seinem „Prinz-Heinrich“-BENZ folgt eine regelrechte Siegesserie bei Sprint- und Bergrennen in ganz Europa. Ihm wird die technische Leitung übertragen für die anstehenden Rennen in Amerika. Sein Einsatz wird gekrönt mit einem Doppelsieg beim amerikanischen Grand Prize.

Als sich BENZ aus dem Grand Prix Sport zurückzieht, wird Heim selbständiger Rennfahrer. Höhepunkte sind der Sieg beim Ries-Bergrennen mit dem „Blitzen-BENZ“ und der russische Kaiserpreis, den er persönlich vom Zaren überreicht bekommt.

Heim eröffnet eine Hinterhofwerkstatt in der Neckarstadt, Käfertaler Straße 7, doch der Rückzug vom Rückzug aus dem Rennsport folgt schnell. Die französische Firma Lorraine-Dietrich verpflichtet ihn 1912 für den Aufbau von 4 Grand Prix Wagen in Argenteuil/ Paris. Heim darf beim französischen Grand Prix starten und behauptet sich gut, scheidet aber wegen technischen Problemen aus.

Zurück in Mannheim wird umgezogen auf den Lindenhof, Lindenhofstr. 28 in eine größere Werkstatt, in der er auch eigene Autos konstruieren möchte. Er entwickelt einen Kleinwagen, der bis auf die Endlackierung fertiggestellt ist, als der Erste Weltkrieg ausbricht und alles zunichte macht. Heim wird eingezogen und kommt als Panzerkommandant in einem erbeuteten britischen Tank zum Einsatz. Seine Frau führt derweil die Werkstatt, in der bis zu 30 Arbeiter Militär-Lastwagen reparieren.

Mit seiner Frau als „Hauptsponsor“ gründet Franz Heim nach dem Krieg die „Badische Automobilfabrik Heim & Cie“ gemeinsam mit seinem Schwager Oskar Eberle und dem BENZ-Chefkonstrukteur Jakob Stengel. Dazu wird die Werkstatt erweitert um ein weiteres Gebäude, Lindenhofstraße 24-26. Es sind vom Start weg gut verarbeitete Autos. Zwölf Stück pro Monat fertigen die „Heimwerker“, wie sie sich selbst nennen. Die meisten von ihnen sind ehemalige BENZ-Angestellte.

Heim präsentiert seine Produkte 1921 auf der Deutschen Automobil-Ausstellung in Berlin und gewinnt den dritten Platz beim Eröffnungsrennen der „AVUS“. Der Auftritt der Lindenhöfer HEIM-Wagen weckt ein derart großes Interesse, dass die Produktion erweitert werden muss. Dazu werden die stillgelegten SCHLINCK-PALMIN-Werke im Jungbusch, Schanzenstraße 8-14 gepachtet, heute Gelände der SCHOKINAG. Die Firma verfügt über modernste Maschinen, ein eigener Motor wird entwickelt und HEIM vertritt Deutschland im Eröffnungs- Grand Prix von Monza 1922. Alles scheint möglich.

Der Monza Grand Prix gerät zum Fiasko und markiert den Anfang vom Ende. Inflation und Wirtschaftskrise 1923 machen Heims Lebenswerk zunichte. Die neue Serie mit hauseigenen Motoren kommt zum denkbar schlechtesten Moment auf den Markt und findet kaum Abnehmer. Heim erleidet einen Herzanfall. Ende 1925 bricht der Absatz komplett ein und die Firma ist nicht mehr zu retten. Oskar Eberle gründet mit einem HEIM-Sportwagen aus der Konkursmasse eine der ersten Fahrschulen in Mannheim, die als Fahrschule Rakowski heute noch existiert.

Franz Heim indes verkraftet das alles nicht. Am 6. Januar 1926 nimmt sich der 4-fache Familienvater, erst 43 Jahre alt, das Leben.

Von den rund 600 produzierten Heim-Autos existiert wohl keines mehr. Nur ein Kühlergrill-Emblem aus dem Nachlass von Carl Benz hat die Zeit überdauert, ausgestellt im Ladenburger Automuseum Dr. Carl Benz.

Der Blogbeitrag ist die Kurzfassung eines Vortrages, den Dietrich Conrad 2021 im MARCHIVUM gehalten hat.

Weiterführende Literatur:
Dietrich Conrad, Heim & Cie. Mannheims vergessene Legende, Mannheim, 2020.