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Wie der Neckar die Landschaft prägte

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farbge Karte der alten Flussläufe von Rhein und Neckar in Mannheim und Umgebung aus dem Jahr 1887

Mannheim scheint topfeben zu sein. Doch wer häufig mit dem Rad unterwegs ist, wird schnell merken, dass es in einigen Stadtteilen und Vororten beträchtliche Höhenunterschiede und Steigungen gibt, wie beispielsweise zur Hochuferstraße im Herzogenried, zum Aubuckel oder zum Paulusberg in Feudenheim. Hier handelt es sich nicht um trassierte Straßen, wie z. B. die Röntgenstraße, wo es am Universitätsklinikum rechts und links metertief abwärts geht. Es sind natürliche Erhebungen wie ehemalige Hochgestade oder Sanddünen.

In früheren Zeiten floss der Neckar in unserer Region durch eine Auenlandschaft mit zahlreichen Schlingen, Altwässern und verlandeten Armen; nach größeren Überschwemmungen veränderte er oft seinen Lauf.

Alte Flussläufe von Rhein und Neckar. Karte von Mannheim und Umgebung, 1887, MARCHIVUM.

Am Ende der letzten Eiszeit mäanderte der Fluss als „Bergstraßenneckar“ am Fuß des nördlichen Odenwaldes bis Bensheim, von dort weiter nach Nordwesten und mündete bei Trebur (westlich von Groß Gerau) in den Rhein. Vor ca. 10.000 Jahren durchbrach der Neckar die Dünenkette zwischen Seckenheim und Feudenheim; weiter südlich entstand ein Delta mit mehreren Mündungsarmen in Richtung Neckarau und Altrip.

Der Heimatforscher Franz Gember (1892 – 1983) beschreibt dies sehr anschaulich: "Schleppte doch der Rhein wie ein gewaltiger Riese in seinem Schmelzwasser von Süden Kies- und Sandmassen aus dem Gletschergebiet der Alpen herbei, so baute der Neckar von Heidelberg her einen großen breiten Kies- und Geröllkegel auf, schob ihn immer weiter vor sich her und drängte den Rhein nach Westen ab. Tausendmal wechselten sie die Richtung und versperrten sich selbst den Weg – ein ewiges Hin und Her."

Nach einem großen Hochwasserereignis um 1278 verlegte der Neckar seinen Hauptlauf in Richtung Nordwesten und durchfloss in mehreren Schleifen die Landschaft bis zu seiner alten Mündung am Bonadieshafen in den (Alt-) Rhein.

Für Mannheim war der Neckar stets gefährlich, schon sein ursprünglich keltischer Name charakterisiert ihn als heftigen, bösen, schnellen Fluss. Die vom jährlichen Neckarhochwasser bedrohte Festungsstadt versuchte schon in früheren Zeiten, mittels Durchstiche von Flussschlingen und Verkürzen seines Laufs den unberechenbaren Wildfluss in ein grades Bett zu zwingen. Doch dies scheiterte regelmäßig, meist infolge von Kriegswirren oder an unzureichenden finanziellen Mitteln.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, nach verheerendem Hochwasser und Eisgang von 1784 und 1789 wurde die Neckarbegradigung als Großprojekt in Angriff genommen. Der kurpfälzischen Baudirektor Jacob Arnold Dyckerhoff (1725–1804), plante den Durchstich von vier Neckarschleifen zwischen der Schiffbrücke und "der Feudenheimer Fahrt". Nach dessen Tod führte der Architekt Jacob Friedrich Dyckerhoff (1774–1845) die Pläne seines Großvaters aus.

Planausschnitt der Neckarbegradigung, kolorierte Zeichnung von Jacob Friedrich Dyckerhoff, 1796, Generallandesarchiv Karlsruhe.

Dieses Jahrhundertwerk sollte sich bis heute als nachhaltig erweisen. Zwar wurden die Mannheimer auch künftig von Hochwasser heimgesucht, doch der Fluss blieb in seinem begradigten Bett und das Neckarwasser floss schnell wieder ab. Nur wenn der Rhein Hochwasser führte, kam es infolge von Rückstau zu tagelangen Überschwemmungen des Neckarvorlands, wurden auch im letzten Jahrhundert der Jungbusch und die Unterstadt überflutet.

Neckarhochwasser – Überflutung der Neckarvorlandstraße im Jungbusch 1983; im Hintergrund (Bildmitte) Hochbunker und MVV-Hochhaus, MARCHIVUM.

Nach der Vollendung des Friesenheimer Durchstichs 1862 verlegte man im Zuge des Hafenausbaus den Mündungsarm des Neckars weiter nach Nordwesten in den "neuen" Rhein.

Mit dem Bau des Neckarkanals für die Schifffahrt von Mannheim nach Plochingen erfolgte eine tiefgreifende Umgestaltung des gesamten Flusses, die über 50 Jahre dauerte. Dies begann man in Mannheim 1925 mit dem Ausbaggern einer zweiten Flussrinne parallel zum begradigten Neckar bei Neuostheim und dem Bau der Schleuse für die Staustufe Ladenburg.

Dampfbagger beim Aushub der Kanaltrasse für die Staustufe Feudenheim. Blick nach Westen: rechts ist die Endschleife der Straßenbahn beim Klinikum zu sehen, links die Lessingschule, Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt WSA Heidelberg.

So entstand die "Maulbeerinsel", die jeweils zur Hälfte Natur- und Landschaftsschutzgebiet ist, und der "Altneckar" blieb erhalten. Dieser Abschnitt wurde bereits bei der Neckarkorrektion von 1794 verschont, denn diese endete an der damaligen Feudenheimer Fähre. Der Neckarbogen zwischen Ilvesheim und Seckenheim ist laut Naturführer Mannheim "einer der naturnahesten Abschnitte zwischen Mannheim und Plochingen". Breite Überschwemmungsflächen, Auenwiesen und Hochstaudenfluren, auf denen Topinambur, Nesseln und Brombeerhecken wachsen, wechseln ab mit Sand- und Kiesbänken.

Mittlerweile wird auch der begradigte Neckarabschnitt zwischen dem Wasserkraftwerk Feudenheim und dem Fernmeldeturm renaturiert, um die negativen Folgen der Begradigungen abmildern. Kleine Inseln, Schluten und abgeflachte Ufer sollen die Voraussetzung dafür schaffen, dass sich hier die für Auen typischen Pflanzen, Insekten, Amphibien und Fische wieder ansiedeln. Die flachen natürlichen Uferregionen sind zudem ein natürlicher Hochwasserschutz.

Bei Renaturierungsarbeiten freigelegter Abschnitt eines gepflasterten Treidelpfads mit befestigter Uferböschung, privat.

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