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Carl Scholl - Poet, Prediger und Theaterdirektor

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Portrait von Carl Scholl, 1850

Für die Elite der deutschkatholischen und später freireligiösen Bewegung in ihrer Frühzeit ist der Lebensweg des ersten Predigers der Mannheimer Gemeinde Carl Scholl geradezu prototypisch.

1820 in Karlsruhe in eine Pfarrer- und Beamtenfamilie hineingeboren, lernte Scholl während seines Theologiestudiums in Tübingen und Heidelberg die Werke Hegels und die dortigen Vertreter der Bibelkritik kennen und verließ den vorbestimmten pastoralen Weg. Mit seiner Predigt am 5. Januar 1845 in der Karlsruher Stadtkirche hatte er für einen Skandal gesorgt: „Ade, ade mein Kirchenrock, / mit dir und mir ist’s aus. / Uns ruft nicht mehr die Kirchenglock’/ ins stille Gotteshaus“ reimte der poetisch Begabte über seine Suspension, um sich nun, im Gefolge der 1844 von Johannes Ronge ausgelösten Aufbruchstimmung, der neuen deutschkatholischen Bewegung anzuschließen. Dies brachte ihn in Kontakt mit der noch jungen Mannheimer deutschkatholischen Gemeinde, wo er am 4. Januar 1846 einen viel umjubelten Gastvortrag hielt und als Prediger angestellt wurde.

Doch schon bald trübte sich das so verheißungsvoll begonnene Verhältnis. Scholl monierte gewisse kirchliche Bedürfnisse in der Gemeinde, forderte das Frauenstimmrecht, wohingegen ihn der Vorstand ermahnte, in seinen Reden doch taktvoller zu sein. Nur ein knappes Jahr nach seiner Verpflichtung legte der Gescholtene am 4. Februar 1847 sein Amt nieder. Zusammen mit weiteren Deutschkatholiken, darunter mit seinem Freund Gustav Struve, hatte er noch den Montag-Verein gegründet, einer von jenen auch in Frankfurt, Offenbach oder Oppenheim zu findenden Debattierclubs, der Religions- wie aktuelle Gegenwartsfragen behandeln wollte. Mit der Darmstädterin Louise Dittmar sprach dort am 10. Mai 1847 erstmals eine Frau vor einigen hundert Zuhörern über die Reform aller Lebensverhältnisse, insbesondere die der Frauen.

Carl Scholl als Prediger, 1850 © REM

Im Juni 1847 verließ Scholl Mannheim in Richtung Hamburg, ging dann infolge der Revolutionsereignisse im September 1848 nach Wien bzw. mit Johannes Ronge in die Steiermark, um in Graz eine deutschkatholische Gemeinde ins Leben zu rufen. Von den österreichischen Behörden ausgewiesen führte ihn sein Weg nach Schweinfurt, wo er mit der wohlhabenden Ehefrau eines Förderers durchbrannte, die ihm ein finanzielles Auskommen über Jahre sicherte. Phasenweise trug er sich mit dem Gedanken einer Auswanderung nach Amerika und siedelte zunächst nach London über, ehe er, abgestoßen "von den ihm fremden Sitten der Londoner und deren Krämerseelen" wie von der allerorts anzutreffenden offenen Armut in den Straßen, Mitte 1851 nach Paris weiterzog.

Hier freilich machte er nicht nur Bekanntschaft mit der Wunderwelt des Magnetismus, sondern – weit unangenehmer – mit der Conciergerie, dem berüchtigten Pariser Untersuchungsgefängnis. Man verdächtigte ihn, nicht nur „ein eifriger Prediger der socialistischen Lehren“ zu sein, sondern einem von Amerika gesteuerten „Social-Reform-Verein“ anzugehören, der die Ermordung des Präsidenten Bonaparte, des späteren Napoleon III., plane. Als Scholl sich im September 1852 erneut mit einem Fahndungsschreiben wegen Hochverrats konfrontiert sah, floh er nach Zürich.

Weitgehend als Privatier lebend, korrespondierte er nun mit keinem geringeren als Pierre-Joseph Proudhon und verkehrte mit nicht wenigen bekannten ehemaligen Revolutionären, darunter Richard Wagner, Georg Herwegh oder Bruno Hildebrand, einst Nestor der Volkswirtschaftslehre. Im Frühjahr 1855 bewarb Scholl sich um die Tätigkeit eines Theaterdirektors und hielt sich auf diesem Posten bis 1858, um anschließend bis 1860 in gleicher Funktion in Freiburg im Breisgau tätig zu werden.

Im Juli 1860 kehrte Scholl wieder zur Mannheimer Gemeinde zurück, die sich inzwischen als freireligiös bezeichnete und nun auch das Frauenstimmrecht akzeptierte. Der von ihm betriebene Verzicht auf das Abendmahl spaltete indes die Gemeinde; zusehends eskalierten die Zwistigkeiten, so dass Scholl am 22. März 1868 erneut seinen Rücktritt erklärte, nicht ohne der Gemeinde vorzuwerfen, sie wäre geistig nicht agil genug, um der Religion der Humanität Bahn zu brechen.

Denkschrift von Scholl von 1863 zum Abendmahlstreit in der freireligiösen Gemeinde Mannheim

Es folgten Tätigkeiten als Prediger in Nürnberg und Heidelberg sowie als Schriftsteller und Leiter der von ihm 1869 begründeten Monatsschrift „Es werde Licht!“. An der Schwelle seines neunten Lebensjahrzehnts übersiedelte er nach München, wo er am 26. März 1907 verstarb.

Die Langzeitwirkung seiner Schriften kann unter anderem an Hermann Heimerich, dem nachmaligen Oberbürgermeister von Mannheim (1928-1933 bzw. 1949-1955), beobachtet werden, der als junger Mensch in Nürnberg über Scholl den Weg zu den Freireligiösen fand – was gleichfalls nicht untypisch für führende Sozialdemokraten Mannheims war, die sich ebenfalls der freireligiösen Gemeinde anschlossen.

 

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