Breadcrumb-Navigation

Albert Speer und die Frage des Wiederaufbaus der Stadt Mannheim: Ein Archivalienfund aus Straßburg

Kategorien
Albert Speer mit Pressefotografen

Dass man bisweilen auf Dinge stößt, wo man sie gar nicht vermutet, zeigt anschaulich ein Fund aus den Archives départementales du Bas-Rhin in Strasbourg (Signatur ADBR 1071 W 47): Das "streng vertraulich" betitelte, ein Dutzend Seiten umfassendes Aktenbündel aus dem Jahre 1944 enthält einen Gedankenaustausch zwischen dem badischen Gauleiter und Reichsstatthalter Robert Wagner und Reichsminister Albert Speer über die Frage des Wiederaufbaus der Stadt Mannheim.

Diese unbekannte Episode aus der Mannheimer Stadtgeschichte während des Nationalsozialismus zeigt, dass Speer persönlich in die damaligen Planungen eingebunden war und schlägt damit auch thematisch einen Bogen zu der im MARCHIVUM gezeigten  Ausstellung "Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit".

"... auf die Trümmer der alten Stadt keine Rücksicht nehmen..."

Wären Wagners Wiederaufbaufantasien umgesetzt worden, hätte Mannheim sein historisch gewachsenes Antlitz für immer verloren. Denn an eine wie auch immer geartete Rekonstruktion der alten Bausubstanz – selbst in Teilen – war nicht gedacht, und wahrscheinlich wäre nicht einmal das Quadrateschema erhalten geblieben.

Grundlage dieser radikalen Überlegungen war der seinerzeit bereits weit fortgeschrittene Zerstörungsgrad Mannheims von fast 80% – damit war die Stadt im gesamten Gaugebiet trauriger Spitzenreiter, was sie zugleich zu einer Art städtebaulichen Experimentierfeld werden ließ. Der Gauleiter glaubte, so in dem Schreiben an Speer, "dass wir in Mannheim eine einmalige Gelegenheit haben, eine Stadt des nationalsozialistischen Großdeutschen Reiches aufzubauen. Wir sollten diese Gelegenheit ergreifen und auf die Trümmer der alten Stadt keine Rücksicht nehmen."

Eine Frage, so wichtig, "daß sie durch den Führer entschieden werden müßte"

Dem radikalen Schnitt sollte auch das markanteste Gebäude der Stadt zum Opfer fallen: das kurfürstliche Schloss, das zu diesem Zeitpunkt zu etwa zwei Dritteln zerstört war. Nach Wagners Überzeugung stand es nicht allein einer großzügigen Verkehrsplanung im Wege, weswegen der Gauleiter im Übrigen auch für eine Verlegung des Hauptbahnhofs aus der Stadt heraus plädierte, sondern sollte deshalb verschwinden, weil es nicht in Konkurrenz zu einem in den Mittelpunkt der Stadt zu stellenden, opulenten Parteibau bestehen bleiben sollte.

Das zerstörte Mannheimer Schloss, nach 1944

Allerdings war Mannheims Oberbürgermeister Carl Renninger von diesen Absichten alles andere als angetan, sondern wollte im Gegenteil den alten Charakter der Stadt soweit als möglich erhalten wissen. Unterstützung erhielt er von Speer (und man kann an dieser Stelle spekulieren, inwieweit hier eine Anhänglichkeit Speers zu seiner Geburtsstadt eine Rolle spielte). Dieser ließ Wagner in seinem Antwortschreiben vom Juni 1944 wissen: "Ich glaube, dass es vielleicht nicht richtig ist, das immerhin historisch und künstlerisch bedeutende Mannheimer Schloß abzureissen. Ich halte diese Frage jedoch für so wichtig, daß sie durch den Führer entschieden werden müßte."

Unstimmigkeiten zwischen Mannheim und Berlin

Ob Speer mit dieser Frage tatsächlich an Hitler herantrat, ist nicht belegt. Allerdings hatten sich, wie wir aus den Akten erfahren, die Planungen offenbar ohnehin erledigt. Denn bei einer Besprechung im Oktober 1944, die im Beisein Renningers zwischen Bürgermeister Dr. Otto Walli, Stadtbaudirektor Josef Zizler und den aus Berlin entsandten Speer-Beauftragten Theodor Dierksmeier und Hans Flehr im Rathaus K 7 stattfand, war von diesen weitreichenden Maßnahmen keine Rede mehr. Der Disput über die Neugestaltung der Reichsbahnanlagen und insbesondere über die Frage des Standortes für den Hauptbahnhof ließen nämlich einer umfassenden städtebaulichen Planung keinen Raum. Und schließlich sollte der weitere Kriegsverlauf ohnehin jede weitere Erörterung des Themas vereiteln.

Noch Jahrzehnte später erinnerte Speer an Wagners Pläne für Mannheim. In dem Gespräch, das der Historiker Lothar Steinbach im Januar 1981 mit Speer führte, bezeichnete er den projektierten Abriss des Mannheimer Schlosses als unsinnige "Verschwendung von Arbeitskräften". Auszüge aus dem wenige Monate vor Speers Tod geführten Interview, das sich im Bestand des MARCHIVUM befindet, sind in der Ausstellung zu hören.

Albert Speer, 1970er Jahre

Die Dokumente aus Straßburg lohnen also eine ausführlichere Untersuchung unter Einbeziehung weiterer Unterlagen aus dem MARCHIVUM. Ein Aufsatz über Albert Speers Rolle bei den Abriss- und Wiederaufbauplänen für Mannheim wird in einer der nächsten Ausgaben der Mannheimer Geschichtsblätter erscheinen.

 

 

 

 

alles zum Thema: Albert, Mannheim, NS-Zeit, Speer, Wiederaufbau

Hochkonjunktur der Symmetrie

Bereits im September des Jahres 1700 wird der Grundstein zum Neubau des Rathauses am Mannheimer Markplatz gelegt und damit der Wille zum Wiederaufbau der Stadt nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg deutlich bekundet. Bis heute ist das Rathaus mit der Katholischen Kirche das älteste erhaltene Gebäude in den Mannheimer Quadraten.

Ganzer Beitrag

"Alles - nur nicht nach Mannheim!" Ilvesheims Widerstand gegen die Eingemeindung im Jahre 1973

Ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre befassten sich die Bundesländer mit dem Gedanken einer umfassenden Verwaltungsreform, mit der Zielsetzung, kommunal-strukturelle Gegensätze auszugleichen, die Gemeinden neu zu ordnen und die interkommunale Zusammenarbeit zu intensivieren. Das ebenso ambitionierte wie umstrittene Reformwerk wurde in Baden-Württemberg während der Zeit der Großen Koalition unter Ministerpräsident Dr. Hans Filbinger (CDU) und Innenminister Walter Krause (SPD) auf den Weg gebracht. Einhergehend mit der Neuordnung der Verwaltung wurde eine Kreis- und Gemeindereform vollzogen, die am 1. Januar 1975 ihren Abschluss fand. Als eines der Ergebnisse dieser Reformen stand die Gründung des Rhein-Neckar-Kreises zum 1. Januar 1973, dem fortan auch Ilvesheim angehörte.

Ganzer Beitrag