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Der Bierkrawall von 1873

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Eine Gruppe Sackträger. Vier sitzen, zehn Stehen. Teilweise mit Körben auf den Schultern.

Am 16. April 1873 sorgte die Erhöhung des Bierpreises für den sogenannten Bierkrawall. Bei diesem gingen vier Gaststätten zu Bruch und sieben Personen wurden wegen Aufruhrs und Landfriedensbruch angezeigt. Zeugnis davon geben uns der Bericht der Schwurgerichtsverhandlung vom 23. Juni 1873 und die Ratsprotokolle.

Um zu verstehen, warum die Erhöhung des Bierpreises für so großen Unmut sorgte, wollen wir zunächst einen kurzen Blick auf die damaligen Lebensverhältnisse werfen. Die meist kinderreichen Arbeiterfamilien wohnten oft auf engstem Raum in großen Mietshäusern. Ein- oder Zweizimmerwohnungen mit schlechten Licht- und Hygieneverhältnissen und außerhalb gelegenen Gemeinschaftstoiletten waren die Regel. Die Menschen arbeiteten zehn Stunden oder mehr und das sechs Tage die Woche. Krankheit und Alter waren existenzbedrohend, da es weder Lohnfortzahlung noch Rente gab. Erst in den 1880er Jahren wurden mit der Sozialgesetzgebung Bismarcks (Kranken-, Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung) erste Ansätze des Sozialstaates geschaffen. Das Geld reichte oftmals kaum für Nahrung und Miete aus. Allein die Lebensmittel verschlungen meist über die Hälfte des Monatseinkommens, zu dessen Aufstockung die Frauen mitarbeiten mussten oder Untermieter angenommen wurden. Da zumeist Bier getrunken wurde, traf die Erhöhung des Bierpreises die ärmere Bevölkerung also empfindlich.


Blick in einen Innenhof in J 3,4-5, Anfang des 20. Jahrhunderts. MARCHIVUM

Bereits im März kündigten die Brauereien gemeinschaftlich die Preiserhöhung an, um Modernisierungen und gestiegene Rohstoffpreise abdecken zu können. Ab dem 16. April sollte der halbe Liter fünf statt vier Kreuzer kosten (Erhöhung um 25%) und der Viertelliter drei statt zwei Kreuzer (Erhöhung um 50%). Der Arbeiterverein berief daraufhin eine Versammlung gegen das „Großkapital“ und „die von den Brauern Mannheims projectierte Erhöhung des Bierpreises“ für den 13. April im „Gambrinuskeller“ ein. Als friedliche Protestmaßnahme wurde auf der Versammlung ein Bierstreik beschlossen.


Sackträger, 1890. MARCHIVUM.

Doch nahm der Zorn Vieler immer weiter zu, sodass sich, statt des friedlichen Streiks, die Wut am Abend des 16. Aprils im Krawall entlud. Alles begann damit, dass Arbeiter das Wirtshaus „Zum großen Maierhof“ in E 4 betraten und von der Wirtin Bier zum alten Preis verlangten, was diese aber ablehnte. Später kamen Sackträger, die Bier bestellten, aber dann nur den alten Preis bezahlten. Als die Wirtin aus Ängstlichkeit nichts sagte, weil bereits eine größere Menschenmenge vor dem Haus stand, riefen die Sackträger die anderen herein und erklärten, dass es Bier zum alten Preis gebe. Nun aber bezog die Wirtin Stellung und sagte, dass der neue Preis zu zahlen sei. „Daraufhin begann die Menschenmenge mit dem Werfen von Gläsern und Tellern nach der Schenke. Während die Polizei die Wirtschaft zu räumen versuchte, wurde von außen ein Bombardement mit Pflastersteinen eröffnet, Fenster zertrümmert, Läden ausgebrochen, Spiegel und anderes Mobiliar zerstört und eine Menge von Gläsern, Platten und Tellern zerschlagen.“ (NMZ, 20.4.1938, S. 3). Danach zog die Menge zum „Hochschwender“, einer Wirtschaft in D 4, wo sie ihr Zerstörungswerk fortsetzte. Die Polizei wurde des zunehmenden Tumultes nicht mehr Herr und musste sich zurückziehen und das Militär zu Hilfe rufen. Währenddessen zog die immer größere Zahl an Randalierern weiter zum „Eichbaum“ und zerschlug auch dort Fenster, Geschirr und Mobiliar und schließlich zum „Bockkeller“. Nun aber erhielt die Polizei die angeforderte militärische Unterstützung. Gegen Mitternacht konnte die Ruhe wiederhergestellt werden.


Titel der Schrift: Der Bier-Krawall vor dem Schwurgericht, 1873. MARCHIVUM.

Der Schaden an den Wirtshäusern war beträchtlich. Am größten beim „Eichbaum“, dort entstand ein Schaden in Höhe von 870 Gulden (heute in etwa rund 20.000 Euro). Auch waren einige Menschen verletzt worden. Einer der Verletzten erlag einige Tage später seinen Verwundungen.

Der am nächsten Tag zusammenkommende Gemeinderat beschloss in Abstimmung mit Polizei und Militär Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Ausschreitungen (Ratsprotokolle 1873, Nr. 874). Das Militär hielt daraufhin abends sämtliche Brauereien, das Rathaus und die wichtigsten Gebäude besetzt. Zu weiteren Ausschreitungen kam es nicht mehr.

Die Großherzogliche Rats- und Anklagekammer erhob gegen sieben Randalierer Anklage wegen Aufruhr und Landfriedensbruch. Die Schwurgerichtsverhandlung gegen die sieben Hauptangeklagten fand am 23. Juni statt. Das höchste Strafmaß, das verhängt wurde, lautete auf drei Jahre Gefängnis respektive Zuchthaus.

Tatsächlich konnte aber ein Teilerfolg für die Biertrinker errungen werden. Denn es wurde der Beschluss gefasst, den Preis für einen halben Liter Bier nur auf 4 ½ Kreuzer und den Preis für einen Viertelliter nur auf 2 ½ Kreuzer zu erhöhen. Die Brauereien erklärten sich damit einverstanden.

 

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Berühmter Besucht Teil 3: Thomas Jefferson (1788)

Vom 13. bis 15. April 1788 war der spätere amerikanische Präsident Thomas Jefferson im „Pfälzer Hof“ am Paradeplatz zu Gast. Er absolvierte ein strammes „Touristen-Programm“: Heidelberg mit Schloss und „Großem Fass“, Schwetzingen mit Schlossgarten, einige Sehenswürdigkeiten in Mannheim, die kurfürstliche Angoraziegenzucht in Dossenheim und die Käfertaler Rhabarberplantagen.

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