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Die Barmherzigen Brüder und das Karl-Borromäus-Spital in Mannheim

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Das Karl-Borromäus-Spital (mit „S“ markiert) in der Vogelschau von Josef Anton Baertels, 1758. MARCHIVUM.

Falls auch Sie ab und an den innerstädtischen Baumarkt in R5 aufsuchen, mag es Sie vielleicht interessieren, dass Sie auf der Suche nach Heimwerkerbedarf gleichsam auf dem Grund eines ehemaligen Spitals wandeln.

1730 hatte Kurfürst Karl Philipp (1661–1742) im heutigen Quadrat R5 für seine katholischen Hof- und Staatsbedienstete das Karl-Borromäus-Spital gründen lassen. Hier wurden nicht nur die kranken Fürstendiener behandelt, sondern auch deren bedürftigen Witwen und Waisen untergebracht: In der frühen Neuzeit gab es noch keine klare Trennung zwischen Krankenhäusern sowie anderen Sozial- und Pflegeeinrichtungen, sodass ein Hospital mehrere Funktionen erfüllte. 1752 zog der Orden der Barmherzigen Brüder ein. Die Barmherzigen Brüder gehen auf das Wirken des St. Johannes von Gott (um 1495–1550) zurück und gehören zu den sog. Hospitalorden, die sich der Versorgung von Kranken und Bedürftigen verschrieben haben. Sie übernahmen den linken Flügel des Gebäudes, wo sie kranke katholische Männer und Hofbeamte betreuten. Im rechten Flügel wurden Frauen und Waisenkinder untergebracht – hier beschränkten sich die Barmherzigen Brüder nur auf die medizinische Versorgung. Verbunden waren beide Flügel durch eine Kirche im Zentrum des Gebäudes. Insgesamt sechs Brüder waren für das Krankenhaus vorgesehen, darunter je ein Arzt, ein Chirurg und ein Apotheker. Das Krankenhaus war ursprünglich mit zwölf Betten für Hof- und Staatsbedienstete sowie katholische Männer ausgestattet, deren Zahl sich später erhöhte. Hinzu kamen 22 Betten für kranke Handwerksgesellen, wofür die Barmherzigen Brüder Gelder von den Mannheimer Zünften erhielten.


Das Karl-Borromäus-Spital (mit „S“ markiert) in der Vogelschau von Josef Anton Baertels, 1758. MARCHIVUM.

Nach der Übernahme durch die Barmherzigen Brüder wurden zunächst etwa 125-175 Personen im Jahr, nach 1770  etwa 200-300 Personen im Jahr behandelt. Durch Krankenstatistiken aus den Jahren 1785 und 1794, die im Generallandesarchiv in Karlsruhe überliefert sind, lässt sich sogar herausfinden, wegen welcher Beschwerden die Kranken bei den Barmherzigen Brüdern im Spital lagen. Meist wurden verschiedene Fiebererkrankungen behandelt, 1785 häuften sich zudem etwa Geschwürbehandlungen, 1794 Fleckfieber und Ruhr. Es mag aus heutiger Sicht überraschen, wegen welcher Krankheit im Jahr 1785 die meisten Patienten behandelt wurden: Insgesamt 70 Personen oder rund 30% aller Patienten wurden wegen sog. kaltem Fieber behandelt. Gemeint ist damit Malaria – eine Krankheit, die noch bis ins 19. Jahrhundert am Oberrhein verbreitet war. In jenem Jahr wurden von insgesamt 235 behandelten Personen 195 als gesund entlassen, während 20 verstarben. Auch wurde genau vermerkt, wie viele Protestanten behandelt wurden, nämlich 35. Auch wenn das Krankenhaus ursprünglich für katholische Männer vorgesehen war, wurden Protestanten also ebenfalls versorgt.


Das Karl-Borromäus-Spital, 1782. Stich der Gebrüder Klauber. Reiss-Engelhorn-Museen.

Mitunter gab es Zweifel an der medizinischen Kompetenz der Barmherzigen Brüder. So wurde das Krankenhaus 1762 einem Arzt unterstellt, nachdem sich ein sog. Frieselfieber unter den Patienten ausgebreitet hatte. Frieselfieber ist übrigens eine Bezeichnung für Fieber mit Hautausschlägen und wird etwa als Todesursache von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) genannt.

In den 1790er Jahren gerieten die Barmherzigen Brüder zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Das Hospital wurde größtenteils aus den linksrheinischen kurpfälzischen Oberämtern versorgt und diese wurden im Zuge der Koalitionskriege von Frankreich besetzt. 1802 wurde festgestellt, dass die verbliebenen vier Brüder schon länger keine Kranken mehr betreuten. Infolgedessen löste Kurfürst Max Joseph (1756–1825) am 16.8.1802 das Krankenhaus auf. Die Brüder wurden nach Bruchsal versetzt. Das Hospital wurde von der Stadt weitergenutzt, im Laufe der Jahrzehnte mehrfach umgebaut und erweitert und diente noch bis 1922 als städtisches Krankenhaus. Heute erinnert freilich nichts mehr an den alten Nutzungszweck. Im zweiten Weltkrieg wurde das Quadrat, wie ein großer Teil der Innenstadt auch, fast völlig zerstört.



Bildunterschrift: "Altes Krankenhaus in Mannheim. Aelterer Bauteil erbaut 1728 bis 1735, benützt bis zum Jahre 1922". MARCHIVUM.

Wenn Sie sich von nun an also auf der Suche nach Werkzeug, Schrauben oder einer Glühbirne das nächste Mal ins Quadrat R5 verirren, dann nutzen Sie am besten gleich die Gelegenheit um Mitarbeitende oder Kunden darüber aufzuklären, dass hier einst Ordensbrüder Malaria und Frieselfieber behandelt haben.

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