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Vom Oberrhein nach Over-the-Rhine – ein Treffen mit Friedrich Hecker in Cincinnati

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farbiges Foto vom Friedrich-Hecker-Denkmal im Washington Park in Cincinnati. Das Detail zeigt den Kopf von Hecker auf einer Säule

Wen es – rein zufällig – in das Viertel Over-the-Rhine in Cincinnati, Ohio, verschlägt, der mag es vielleicht nicht auf den ersten Blick merken. Doch auf den zweiten Blick fällt auf, wie viele Spuren deutsch-amerikanischer Geschichte hier zu finden sind.

Spätestens beim Gebäude der Deutschen Gegenseitigen Versicherungsgesellschaft von Cincinnati wird man stutzig, zumal die Fassade eine Germania-Statue schmückt. Ist der Blick erst einmal geschärft, findet man immer wieder einmal hier und da die ein oder andere deutschsprachige Spur, die etwa als Inschrift die Zeit überdauert hat. Und wer daraufhin ein wenig nachliest, bemerkt schnell, wie viel deutsch-amerikanische Geschichte auch in den Gebäuden steckt, wo sie gar nicht mehr zu erkennen ist. Und in manchen Fällen wurde sie im Nachhinein wieder sichtbar gemacht: Im Brauereidistrikt – dank deutscher Einwanderung bis zur Prohibition das größte Brauereiviertel der USA – kann man heute ein Bier in einer Brauerei mit dem schönen Namen "Rhinegeist" trinken und darüber nachdenken, warum einem vorhin auf dem Weg das Mural an der Ecke West Liberty Street/Elm Street so bekannt vorkam – es liegt wohl daran, dass es von dem ehemaligen Street Art-Duo Herakut stammt, das auch in Mannheim für "Stadt.Wand.Kunst" gemalt hat.

Diese ganzen Spuren sind kein Zufall: Um 1850 waren rund 63% aller Einwohner des Viertels deutsche Migrant*innen. Sie lebten nördlich der Innenstadt, auf der anderen Seite des heute zugeschütteten Miami and Erie-Kanals – wegen der vielen Einwohner mit deutschen Wurzeln wurde der Kanal im Volksmund schnell zum "Rhine River" und das Viertel damit zu "Over-the-Rhine". Im Laufe der Zeit – beschleunigt durch den Ersten Weltkrieg und die Prohibition – verlor das Viertel seine deutsche Prägung. Später wurde es zu einem sozialen Brennpunkt mit einer hohen Kriminalitätsrate. Doch seit mittlerweile über einem Jahrzehnt ist Over-the-Rhine in einem Prozess der Revitalisierung. Weite Teile des Viertels präsentieren sich heute trotz mancher Ecken und Kanten als ein lebendiges Ausgehviertel mit Märkten, Restaurants und Cafés.

In diesem Viertel liegt auch der Washington Park. Am Wochenende ist er gut besucht und, wenn der FC Cincinnati ein Heimspiel hat, treffen sich die Fans hier für eine Pre-Game-Party. In genau diesem Park, hinter ein paar Büschen, steht ganz unauffällig eine Büste – kaum jemand nimmt von ihr Notiz und vermutlich weiß auch normalerweise niemand in dem Park, wer da eigentlich abgebildet ist. Nun begab es sich, dass sich ganz zufällig ein Archivar aus Mannheim nach Over-the-Rhine verirrt hatte, und – ein noch größerer Zufall – sich fragte, was denn da für eine Büste steht, so ganz versteckt, hinter ein oder zwei Büschen. Nicht wenig war er überrascht, als er sich durch die Büsche geschlagen und mit freudigem Erschaudern bemerkte, wen er da vor sich hatte: Es war tatsächlich niemand Geringeres als Friedrich Hecker!


Das Friedrich-Hecker-Denkmal im Washington Park in Cincinnati. Auf den verschiedenen Seiten steht außer dem Namen und den Lebensdaten: "In Memoriam by his Cincinnati friends", "He lived and died a true patriot, able statesman, brave soldier, good citizen, and noble character" und "Mit Wort und That fuer Volksfreiheit im alten und neuen Vaterlande". Foto: Thomas Throckmorton

Wie ist es dazu gekommen? Der eben erwähnte Archivar hat sich nach seiner überraschenden Begegnung einmal schlau gemacht: Viele wissen, dass Friedrich Hecker nach der gescheiterten 1848er-Revolution in die USA floh und später dort sogar für die Union im Amerikanischen Bürgerkrieg kämpfte. Als er in den USA eintraf, machte er an verschiedensten Stationen halt, ehe er sich in der Nähe von St. Louis niederließ. Dabei machte er auch Station in Cincinnati und gründete dort einen Turnverein. Im Laufe seines Lebens blieb Hecker für die deutsch-amerikanische Community in den USA von großer Bedeutung. Als er 1881 verstarb, gründete sich der Deutsch-Amerikanische Hecker-Denkmal-Verein von Cincinnati mit dem Ziel, ihm zu Ehren eine Büste zu errichten. Am 24. Juni 1883 wurde sie unter Anwesenheit von Veteranenverbänden des Bürgerkriegs, Turn- und Gesangsvereinen und dreier Söhne Heckers schließlich eingeweiht.

So kommt es also, dass man vom Oberrhein nach Over-the-Rhine fahren und dort Friedrich Hecker begegnen kann. Sollten Sie einmal zufällig etwas Zeit haben, lohnt sich ein Besuch!