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Die Eingemeindung vor 125 Jahren - Neckarau wird "mannemerisch"

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farbige Postkarte mit Motiven aus Mannheim-Neckarau, 1899

Am 29. Dezember 1899 knallten im Neckarauer Rathaus die Sektkorken. Es gab Gesangsvorträge, gewichtige Reden und so manches Hoch auf Großherzog, Vaterland und vor allem auf die gemeinsame Zukunft von Neckarau und Mannheim. Denn gefeiert wurde die bevorstehende Eingemeindung des Dorfes in die Großstadt, die zum 1. Januar 1899 vollzogen werden sollte.

Doch trotz aller schulterklopfender Sympathiebezeugungen dürften die Beteiligten die Veranstaltung mit unterschiedlichen Gefühlslagen begleitet haben. Zufrieden war sicherlich Alexander Pfisterer, der Leiter des Bezirksamts Mannheim. Er hatte die Ehe zwischen beiden Seiten gewissermaßen arrangiert bzw. den Neckarauern klargemacht, dass sie sich ihre Selbständigkeit finanziell nicht mehr lange leisten konnten. Eher wehmütig dürfte es um Valentin Orth bestellt gewesen sein. Er hatte für Neckarau die Verhandlungen geführt, dabei so manche Kritik seiner Dörfler hinnehmen müssen, um schließlich als letzter Bürgermeister in die Ortsgeschichte einzugehen. Und auch der Mannheimer Oberbürgermeister Otto Beck war sicherlich nicht ganz glücklich. Zwar hatte er für seine Stadt das Ziel der Eingemeindung erreicht. Allerdings musste er so manche bittere Pille schlucken, da Orth ausgesprochen hartnäckig und gut die Interessen des Dorfes verhandelt hatte.


Das Gesetz zur Eingemeindung von Neckarau nach Mannheim, Abbildung: Badische Landesbibliothek

Begonnen hatte alles im Februar 1898 mit einem Impuls von außen: Die Rheinau GmbH, die südlich von Neckarau einen großen Hafen samt Siedlung errichtete, hatte den Antrag gestellt, eine eigenständige Gemeinde zu gründen und zwar aus Neckarauer und Seckenheimer Gemarkungsflächen. Das angefragte badische Innenministerium lehnte dieses Begehren ab und empfahl stattdessen die Eingemeindung des Rheinaugebiets und zusätzlich auch von Neckarau nach Mannheim. Im Falle Neckaraus verwies es zudem auf große anstehende Investitionen wie einer zentralen Wasserversorgung, der Errichtung einer Kanalisation, Gasversorgung sowie Schulneubauten – allesamt Projekte, die das Dorf allein nicht hätte stemmen können.


Der letzte Bürgermeister von Neckarau: Valentin Orth, um 1907, Foto: MARCHIVUM

Ab März wurde verhandelt. Dabei ging es, das zeigte sich bald, um mehr als um die Infrastruktur. Die Neckarauer bangten um ihre lokale Identität und um die landwirtschaftliche Prägung ihres Dorfes. Dabei hatte dieses schon in Teilen den Charakter einer Industriesiedlung angenommen, mehrere tausend Arbeiter wohnten hier und arbeiteten etwa in der Rheinischen Gummi- und Zelluloidfabrik sowie in anderen jüngst erst entstandenen Betrieben. Dank des Dreiklassenwahlrechts sowie ihres Reichtums dominierten politisch am Ort nach wie vor die Großbauern. Diese zeigten sich als sehr widerspenstig gegen die Eingemeindung. Erst Druck seitens des Bezirksamts, seitens der lokalen Industriellen und nicht zuletzt große Mannheimer Zugeständnisse brachten sie zum Einlenken. Mannheim garantierte umfangreiche Investitionen in Höhe von 1 Million Mark in die Infrastruktur und garantierte so lange Steuererleichterungen für Neckarau, bis die Summe auch tatsächlich geflossen sein sollte. Am 23. Mai stimmte der Neckarauer Bürgerausschuss mit 57 Ja bei 22 Nein-Stimmen daher der Eingemeindung zu.


1899 werden neue Ansichtskarten gedruckt: Die Grüße kommen nun aus Mannheim-Neckarau, Abbildung: MARCHIVUM

Auch wenn es keine Liebesheirat war, so sollten doch Mannheim und Neckarau in den folgenden Jahren vergleichsweise gut und harmonisch zusammenwachsen. Neckarau hat bis heute im Innern ein kleinstädtisches, fast dörfliches Gepräge behalten und sich so seine Identität als Teil in der Großstadt bewahrt. Die Einwohner sind Neckarauer geblieben und Mannheimer geworden. Daher sind 125 Jahre Eingemeindungsvertrag ein guter Anlass zum Feiern. Und das für beide Seiten.

alles zum Thema: Neckarau, Stadtgeschichte

Der Zettelträger – ein unbekannter Beruf mit großer Öffentlichkeitswirkung

Im Gegensatz zu den berühmten Mannheimer Sackträgern, die im 19. und 20. Jahrhundert im Mannheimer Hafen schwere Arbeit leisteten und denen im Jungbusch ein Denkmal gewidmet ist, sind die Mannheimer Zettelträger und ihr Beruf weitgehend unbekannt. Zahlenmäßig können es die Zettelträger mit den Sackträgern sicher nicht aufnehmen, und sie waren im Stadtbild natürlich nicht so präsent wie die schwerbeladenen kräftigen Männer. Beiden Berufsgruppen ist jedoch gemeinsam, dass sie für die Verteilung von Gütern zuständig waren: die Sackträger für die frisch eingetroffenen Konsumgüter im Hafen, die Zettelträger für das Kulturgut Theater im Stadtgebiet. Die Zettelträger hatten nämlich die Aufgabe, die Theaterzettel mit den aktuellen Informationen über die Ereignisse und Vorführungen am Mannheimer Nationaltheater in der Stadt "unter die Leute" zu bringen.

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