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Der Nestor der Binnenschifffahrt auf dem Rhein – Jacob Hecht (1879-1963)

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schwarz-weiß Familienportrait der Familie Hecht um 1910

Jacob Hecht lebte nur für kurze Zeit in der Quadratestadt, so dass man ihn eigentlich nicht als Mannheimer bezeichnen kann. Dennoch hat er die Stadt mitgeprägt und in ihrer Wirtschaft tiefe Spuren hinterlassen.

Geboren 1879 in Gondelsheim bei Bruchsal, arbeitete er 1898 für wenige Monate in der Speditionsfirma seines Onkels Samuel Rosenberg in Mannheim. Dann jedoch suchte er den Weg in die weite Welt. Doch statt wie von ihm gehofft nach Argentinien, Nicaragua oder Südafrika gelangte er "nur" bis Antwerpen. Von hier aus baute er zusammen mit seinem älteren Bruder Hermann Hecht (1877-1969) die Rhenania-Schifffahrtsgruppe auf, die ihren Sitz in Mannheim hatte und im neuen Industriehafen angesiedelt war. Hermann residierte dabei in der Quadratestadt, wo sich die Firma zum größten Binnenschifffahrtsunternehmen am Rhein entwickelte, das mit seiner Flotte Rohstoffe wie auch Konsumgüter transportierte.


Die erfolgreiche Familie Hecht mit Jacob (zweiter von links) und Hermann (Mitte) um 1910, Foto: MARCHIVUM

Nach dem Ersten Weltkrieg musste Jacob Hecht Antwerpen verlassen. Er siedelte nach Basel über, gründete dort die Speditionsfirma Neptun AG, die eng mit der weiterhin von seinem Bruder geführten Rhenania in Mannheim zusammenarbeitete. Weitere Firmengründungen in Belgien, Frankreich und Deutschland folgten, so dass die Hecht-Brüder zu Inhabern eines international tätigen Konzerns unter dem Dach der Rhenania wurden.


Lagerhaus der Rhenania im Industriehafen, Foto: MARCHIVUM


Schiff der Rhenania im Verbindungskanal, 1921, Foto: MARCHIVUM

Obwohl in der Schweiz lebend, war Jacob Hecht ab 1933 als Jude von der Verfolgung der Nationalsozialisten betroffen. Die Mannheimer Rhenania wurde "zwangsarisiert", er musste seine Anteile an den bayerischen Staat abtreten. Und selbst aus der Neptun musste er ausscheiden, obwohl diese ja ein Schweizer Unternehmen war. Sie galt in den Augen der Nationalsozialisten als "jüdisch dominiert", weshalb ihr das Anlegen von Schiffe an deutschen Häfen verboten wurde, solange Hecht an der Spitze war. Diesem Druck gab Hecht schließlich nach, überschrieb seine Anteile an einen Schweizer Kompagnon und ging 1941 für mehrere Jahre ins Exil in die USA, wohin auch sein Bruder Hermann geflohen war. Anders als dieser kehrte Jacob nach Kriegsende zurück nach Basel. Es gelang ihm, wieder in den Besitz seiner Firmen zu gelangen. Bis zu seinem Tod 1963 führte er als Präsident die Schweizer Neptun sowie als Aufsichtsratsvorsitzender die Rhenania, die in der Wirtschaftswunderzeit ein florierendes Mannheimer Vorzeigeunternehmen war. Hecht wurde mit verschiedenen Ehrungen ausgezeichnet, darunter die Ehrenbürgerwürde von Gondelsheim.

Dabei war Jacob Hecht ein Kaufmann im alten patriarchalischen Stil. Noch im hohen Alter kam er täglich ins Büro, regierte mit harter Hand und zeigte dabei für moderne Errungenschaften wie Gewerkschaften und die Mitbestimmung wenig Verständnis. Dennoch bleibt ihm das Verdienst "der Nestor der Binnenschiffahrt der fünf Rheinuferstaaten" zu sein, so seine Selbsteinschätzung – mit der Mannheimer Rhenania als maßgebende Zentrale.

Hochgeachtet starb er 1963 in Basel. Er hinterließ seine Frau Flora Ella, mit der er zwei Söhne hatte. Zu diesen war das Verhältnis zeitweise sehr schwierig gewesen, da sie beide nicht in die unternehmerischen Fußstapfen des Vaters hatten treten wollen. Stattdessen zogen beide nach Israel. Prominent wurde dort der ältere Sohn Rudolf (Reuben) Hecht. Dieser hatte sich der zionistischen Bewegung angeschlossen und während der Nazizeit hochriskant Jüdinnen und Juden aus Deutschland gerettet. Letztlich folgte er dann doch dem Vorbild des Vaters: Reuben gründete in Haifa eine Speditionsfirma und ist dort als Kulturmäzen bis heute unvergessen.

Die Rhenania hingegen wurde nach Jacob Hechts Tod wiederholt verkauft und aufgespalten. Heute erinnern nur noch wenige Gebäude im Industriehafen an das bedeutende Mannheimer Unternehmen – und nicht zuletzt das Firmenarchiv, das in den 1990er Jahren in das damalige Stadtarchiv Mannheim bzw. heutige MARCHIVUM gelangte.

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