Da die beiden Ausstellungen zur Stadtgeschichte und des NS-Dokumentationszentrums von der Übung nicht tangiert waren, wurden diese Bereiche ausgeschildert und die übenden Kolleg*innen der Feuerwehr mit Hinweisschildern informiert. Die Rettungsleitstelle sowie das Polizeirevier Neckarstadt-West waren eingebunden, damit weitere Alarmmeldungen keine Irritationen auslösen konnten.
Gegen 9.15 Uhr wurde der Alarm ausgelöst, und wenige Minuten später erfüllten Sirenen und Blaulicht den Archivplatz. Drei Einsatzfahrzeuge der Freiwilligen Feuerwehr mit über 40 Kolleg*innen rückten an und bereiteten sich routiniert auf das für sie zu diesem Zeitpunkt unbekannte Szenario in einem für sie völlig unbekannten Gebäude vor.
Archivplatz Westseite, Foto: FF Feudenheim
Nach der ersten – realistischerweise noch unvollständigen – Sachstandsmeldung ging ihr Weg zur Brandmeldezentrale im Eingangsbereich des Hauses: Dort liegen beim Feuerwehrinformationszentrum alle wichtigen Unterlagen vor und von dort können zentrale Elemente wie der Feuerwehrfunk im Gebäude aktiviert werden. Von besonderem Interesse sind die Feuerwehrlaufkarten; genau definierte Grundrisspläne der einzelnen Geschosse, mit deren Hilfe die Feuerwehrmänner und –frauen sich auch in einem unbekannten Gebäude schnell orientieren können.
Der Einsatzauftrag für die Gruppenführer: Menschenrettung im Keller, dem Osttreppenhaus und den beiden betroffenen Magazingeschossen sowie die Beseitigung der Gefahrenlage. Aus naheliegenden Gründen hatte das MARCHIVUM gebeten, auf den Einsatz von Wasser und / oder anderen Löschmitteln im Gebäude zu verzichten.
Parallel dazu war nach der Meldung, dass mit Verletzten zu rechnen ist, das DRK alarmiert, dessen Auszubildende mit einem Einsatzleitwagen und vier Rettungsfahrzeugen anrückten. Sie bereiteten die Übergabestelle vor und bauten eine Erstversorgung für die Betroffenen und Verletzten auf.
Rettung durchs Treppenhaus, Foto: Christoph Popp
In voller Montur und mit Pressluftatmern mussten die Kolleg*innen der Feuerwehren sich den Weg über das Treppenhaus in den Keller und die beiden Magazingeschosse bahnen – bei bis zu 40 kg Gewicht von Montur und Gerät keine leichte Aufgabe. Uns als Beobachter*innen war schnell klar, welche körperliche Herausforderung schon allein das Bewegen unter diesen Bedingungen ist – vom Treppensteigen und Hantieren mit schwerem Gerät ganz zu schweigen.
Die beiden liebevoll geschminkten Verletzten aus dem Kellergeschoss lagen an schwer zugänglichen Stellen im sog. Pumpensumpf. Die dadurch erschwerte Versorgung und Rettung forderte eine gute Übersicht, klare Kommunikation und Absprachen und nicht zuletzt: viel Fingerspitzengefühl!
Wahrscheinlich noch schwerer hatten es die Kolleg*innen aus dem Magazinbereich. Wer schon einmal eine Führung durch die mit Fahrregalanlagen komplett ausgefüllten Stockwerke erlebt hat, kann sich vorstellen, dass schon die Orientierung zwischen den Anlagen und den separaten Kammern extrem schwierig ist – zumal die Übungsbedingung war: Stromausfall und damit nur Taschenlampenlicht. Und weil realistischerweise die genaue Anzahl der in den Magazinen verbliebenen Schüler*innen nicht bekannt war, mussten alle Fahrregalanlagen abgesucht werden, Gang für Gang und Anlage für Anlage. Die ebenfalls geschminkten Verletztendarsteller*innen taten ein übriges, die Rettung realistisch und, das heißt, schwierig werden zu lassen. Deren schauspielerische Leistung trug nicht wenig dazu bei, dass keine Routine aufkam und kein halbherziges Einsatzgefühl ("ist ja nur eine Übung").
Die Einsatzleitung hatte in diesem Moment alle Hände voll zu tun, die Übersicht zu behalten, neue Informationen umzusetzen und nicht zuletzt: den gesamten Einsatz zu dokumentieren. Allein schon der Abgleich der Listen der Verletzten und Geretteten bei unbekannter Ausgangslage ist eine Herkulesaufgabe!
Mit vollem Einsatzwillen konnten die Rettung 35 Minuten nach Einsatzbeginn abgeschlossen und nach rund einer Stunde die Lage unter Kontrolle gemeldet werden. Und dann kam das 6. OG des MARCHIVUM ins Spiel: Die Beteiligten hatten sich nicht nur den Eintopf mehr als verdient, sondern auch das allseitige Lob für so viel ehrenamtliches Engagement und Leistung.
Als Bürger*innen der Stadt und als Mitarbeiter*innen des MARCHIVUM wissen wir dieses Engagement zu schätzen: Im Notfall können wir uns auf unsere Feuerwehr und unser DRK verlassen – und nach einer Stunde Notfallszenario war uns klar, was das bedeuten kann!
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