Breadcrumb-Navigation

Going to School: Amerikanisches Schulwesen in Mannheim nach 1945

Kategorien
Bild schwarz-weiß des Schulgebäudes an der Columbusstraße, das ab 1956 als High School genutzt wurde

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Mannheim zu einer amerikanischen Garnisonsstadt, die in den folgenden Jahrzehnten für viele tausend Soldaten zur Heimat auf Zeit werden sollte. Kampf- und Kampfunterstützungseinheiten diverser Truppengattungen der U.S. Army, aber auch wichtige Hauptquartiere sowie Depots und Nachschubeinheiten prägten über die Jahre das Gesicht der Garnison, die in Spitzenzeiten fast 9.000 Soldaten umfasste, darunter zeitweise sogar Angehörige der U.S. Air Force und U.S. Navy.

Schon kurz nach Kriegsende mehrten sich in den USA die Forderungen nach einer zügigen Zusammenführung der durch den langen Weltkrieg getrennten Militärfamilien, weshalb die ersten Familienangehörigen von Soldaten bereits im April 1946 in Deutschland eintrafen – darunter natürlich auch zahlreiche Kinder und Jugendliche. Während des Sommers 1946 wurde in den größeren Garnisonsstädten unter erheblichem Zeitdruck ein Schulsystem aufgebaut, das amerikanischen Standards genügen und vollständige Anschlussfähigkeit an normale Schulen in den USA garantieren sollte. Im Oktober des gleichen Jahres konnten die ersten 43 Schulen in Europa eröffnet werden, darunter eine Elementary School in Mannheim-Feudenheim mit zunächst 55 Schülern der Klassenstufen 1 bis 6.

Obwohl sich die Zahl der Soldaten in Mannheim während der 1940er Jahre stetig verringerte, machte der weitere Zuzug von Familienangehörigen schon bald eine Verlegung der Elementary School in das "Clock Tower Building" der Funari Barracks erforderlich, wo 1949 die "Mannheim American School" ins Leben gerufen wurde.

Gebäude der Mannheim American School (rechts) in der Funari Barracks um 1950, Quelle: Walter Elkins

Mit dem zeitgleich beginnenden Kalten Krieg nahm die Zahl der in Mannheim stationierten Soldaten sprunghaft zu, was neben einer eigenen Wohnsiedlung für amerikanische Militärfamilien – der späteren Benjamin Franklin Village – schon bald auch einen Schulneubau erforderlich machte. Im Juli 1952 zog die Mannheim American School in einen neu errichteten Gebäudekomplex an der Columbusstraße, der 1953 bereits von 685 Schulkindern der Klassenstufen 1 bis 8 besucht wurde; ältere Kinder mussten wie schon zuvor mit dem Schulbus ins nahe Heidelberg pendeln, wo bereits seit 1946 eine reguläre High School bis Klassenstufe 12 bestand.

Schulgebäude an der Columbusstraße, das ab 1956 als High School genutzt wurde, Quelle: Mannheim High School

Bereits bei der Eröffnung der neuen Schule an der Columbusstraße war ein weiteres Wachstum der Schülerpopulation in der Mannheimer Garnison absehbar, weshalb nun an der Monroe Street ein weiterer großer Schulkomplex errichtet wurde, der zum Schuljahr 1955/56 den Betrieb als "Mannheim Elementary School" aufnahm (einschließlich einer Vorschule). Der damit freigewordene Schulkomplex an der Columbusstraße wurde derweil in eine High School umgebaut, die am 5. September 1956 als "Mannheim American High School" ihre Pforten für die Klassenstufen 7 bis 12 öffnete. Fortan konnte die Garnison Militärfamilien das volle Spektrum einer normalen amerikanischen Schulausbildung bieten, und es kam insbesondere der ungeliebte Pendelverkehr zur High School in Heidelberg zum Erliegen.

Der erste Schultag des kleinen Michael Montgomery an der Mannheim Elementary School im Jahre 1967, Quelle: Wesley B. Montgomery

Die Mannheim American High School entwickelte sich als Teil des "Department of Defense Dependents' School System" (Schulbehörde des amerikanischen Militärs) rasch zu einer typisch amerikanischen High School mit allen für diese Schulart im Mutterland üblichen Traditionen und Ritualen. Hierzu gehörten Äußerlichkeiten wie eigene Schulfarben, ein Maskottchen (ein Büffel namens "Geronimo") und andere Symbolik ebenso wie aufwendige "Homecoming"-Paraden zu Beginn eines Schuljahres, prunkvolle Abschlussfeiern für die Absolventen und ein umfangreiches Angebot an extracurricularen Aktivitäten. Umfassende Mitspracherechte von Schülern und Eltern bildeten an der Mannheim American High School von Beginn an einen integralen Bestandteil des Schullebens, was ein an deutschen Schulen noch unbekanntes Gefühl von Schulgemeinschaft begründete.

Der Homecoming King und die Homecoming Queen des Schuljahres 1990/1991 bei ihrer Ernennung im Oktober 1990, Quelle: Jahrbuch der Mannheim High School von 1991

Mit der Abschaffung der Wehrpflicht in den USA 1973 erhöhte sich allmählich das Durchschnittsalter der in Mannheim ansässigen Soldatenpopulation – ein Trend, der durch das parallel ansteigende technische Anforderungsniveau des Soldatenberufs weiteren Auftrieb erhielt. In der Folge erhöhte sich auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen in der Mannheimer Garnison, was die beiden Schulen in der Benjamin Franklin Village schon bald an ihre Kapazitätsgrenzen führte: So brachte es die Mannheim Elementary School in Spitzenzeiten auf zum Beispiel über 2.200 Schüler.

Schulklasse der Mannheim Elementary School während des Schuljahres 1972/1973, Quelle: Tony L. Barnes

An der Birkenauer Straße wurde deshalb im September 1975 die Mannheim Middle School eröffnet, die die Klassenstufen 6 bis 8 der anderen beiden Schulen aufnahm und somit für spürbare Entlastung sorgte. Bis in die frühen 1990er Jahren brachte es die Mannheim High School – das "American" im Namen war inzwischen weggefallen – fortan auf gut 600, die Mannheim Middle School auf rund 850 und die Mannheim Elementary School auf etwas über 2.000 Schüler. Darüber hinaus gab es in der Garnison stets schulpflichtige Kinder und Jugendliche, die von einem Elternteil zu Hause unterrichtet wurden.

Das Ende des Kalten Krieges führte zwischen 1990 und 1995 zu einer Halbierung der  Mannheimer Soldatenpopulation, was nicht ohne Folgen für die amerikanischen Schulen in der Benjamin Franklin Village bleiben konnte. Im Jahre 1995 kamen die drei Schulen zusammen auf nur noch rund 2.000 Schüler, was die Klassengrößen merklich schrumpfen ließ, naturgemäß aber auch zu einem Personalabbau führte. Unter dem Strich kam es zu einer Verbesserung des Betreuungsverhältnisses, was angesichts der nun häufigen Auslandseinsätze von Soldaten aus der Garnison auch dringend geboten war (Ex-Jugoslawien in den 1990er Jahren, später folgten Afghanistan und der Irak). Die Lehrkräfte mussten sich fortan vermehrt auch um psychische Belange ihrer Schüler kümmern, die unter der langen Abwesenheit eines Elternteils zu leiden hatten.

Mit dem Abzug weiterer Einheiten aus Mannheim nahm die Zahl der Schüler an allen amerikanischen Schulen ab 2005 kontinuierlich ab, der letzte Abschlussjahrgang der Mannheim High School brachte es 2011 auf nur noch 45 Absolventen. Im gleichen Jahr wurden die Mannheim High School und Mannheim Middle School geschlossen, ältere Schüler mussten nun wie schon ihre Vorgänger während der 1940er und 1950er Jahre mit dem Schulbus nach Heidelberg pendeln.

Die Mannheim Elementary School schloss ihre Pforten schließlich am 8. Juni 2012 im Rahmen einer sehr emotionalen Zeremonie, die auch einige ehemalige Lehrer und Schüler zurück in die Kurpfalz führte. Mit der Schließung der einst größten amerikanischen Schule in Europa und größten Schule Mannheims endete an diesem Tag ein lebhaftes Kapitel Mannheimer Schulgeschichte, verschwand ein authentisches Stück Amerika für immer aus der Quadratestadt.

Der Blogbeitrag ist die Kurzfassung eines Vortrages, den Prof. Dr. Führer 2021 im MARCHIVUM gehalten hat.

 

Wohnen in der Sternwarte

Wohnen in der Sternwarte – herrliche Aussicht in alle Himmelsrichtungen, aber auch keine alltägliche Wohnung. Denn jedes kleine Ding – und vor allem das Heizmaterial – muss nach oben getragen werden. Komfortabler wurde es erst, als bei der großen Renovierung 1958 die Zentralheizung eingebaut wurde.

Ganzer Beitrag