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Oberbürgermeisterwahlen seit 1945

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schwarz-weiß Foto einer Menschenmenge und Spruchbannern vom Fackelzug für OB Hans Reschke,11. Mai 1962

Nach 16 Jahren hat Mannheim einen neuen Oberbürgermeister. Den diesjährigen Wechsel an der Stadtspitze wollen wir zum Anlass nehmen, um einmal einen Blick auf die Wahlen unseres Stadtoberhauptes seit Kriegsende zu werfen.

Christian Specht ist der erste von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählte CDU-Oberbürgermeister Mannheims. Nur einmal stand bereits ein Christdemokrat an der Spitze der Stadt: nach Kriegsende wurde Josef Braun von den Amerikanern als Oberbürgermeister eingesetzt und im Juli 1946 von den Stadträten im Amt bestätigt. Braun, der zuvor bei den Stadtwerken gearbeitet hatte, war in der Weimarer Zeit Mitglied der Zentrumspartei und saß im Stadtrat. Er war also politisch erfahren und galt als unbelastet. Daher war der spätere CDU-Politiker für die Besatzer der ideale Mann für den Posten des Oberbürgermeisters.

Die erste Direktwahl des Stadtoberhauptes fand im Februar 1948 statt. Die SPD stellte Fritz Cahn-Garnier (ehemaliger Syndikus der Stadt Mannheim) auf, das bürgerliche Lager den bisherigen Amtsinhaber Josef Braun.

Wahlplakat, 1948, MARCHIVUM.

Cahn-Garnier konnte sich mit 56,6 % der Stimmen gegen Braun (43,3 %) durchsetzen. Er galt als kompetenter und entschlussfreudiger Oberbürgermeister. Doch hatte er sein Amt nur etwas über Jahr inne. Sein überraschender Tod im Juni 1949 erschütterte die Öffentlichkeit.

Fritz Cahn-Garnier, ohne Datum, MARCHIVUM.

Bei der nun erforderlichen Neuwahl wurde Hermann Heimerich (SPD), der bereits in der Weimarer Zeit das Oberbürgermeisteramt innehatte und 1933 von den Nationalsozialisten entlassen worden war, gemeinsam von SPD, CDU und FDP/DVP nominiert. Sein einziger wirklicher Konkurrent war der ehemalige evangelische Pfarrer und Landtagsabgeordnete der Kommunistischen Partei Erwin Eckert. Dieser konnte mit 34,7 % der Stimmen einen Achtungserfolg erzielen. Heimerich siegte mit 65,3 %. Alle übrigen Bewerber erhielten einzelne oder überhaupt keine Stimmen. Heimerich, der die Geschicke der Stadt maßgeblich prägte, verfügte über ein großes Maß an Erfahrung und Kompetenz.

Oberbürgermeister Hermann Heimerich (Mitte) im Gespräch mit Handwerkskammerpräsident Robert Sieber (links) und seinem zukünftigen Nachfolger im OB-Amt Dr. Hans Reschke (rechts), 1955, MARCHIVUM.

1955 stellte ein überparteilicher Block (CDU, DP, FDP und BHE) den parteilosen Hans Reschke als Kandidaten auf. Bei der Wahl konnte er sich mit 51,1 % der Stimmen gegen Werner Jacobi (Kandidat von SPD und KPD) durchsetzen. Während Jacobi acht Jahre in faschistischer Haft saß, unterstellte die "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes" (VVN) Reschke, mit den Nationalsozialisten im Bunde gewesen zu sein. Aufgrund eines Einspruchs gegen die Wahl Reschkes konnte er sein Amt erst nach über einem Jahr und einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts am 10. Dezember 1956 antreten.

Doch in seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister überzeugte er. Als er 1962 ein Angebot des Deutschen Städtetags nach Köln erhielt, zogen tausende Bürgerinnen und Bürger mit Fackeln über die Planken, um ihn mit Plakaten wie "Wir lassen unseren OB nicht gehen!" zum Bleiben zu bewegen. Und 1964 unterstützen alle vier im Gemeinderat vertretenen Parteien Reschke, da sie mit seiner Arbeit außerordentlich zufrieden waren. Und so wurde er ohne Gegenkandidat mit überwältigenden 99,8 % der Stimmen wiedergewählt.

Fackelzug für Oberbürgermeister Hans Reschke am 11. Mai 1962, MARCHIVUM.

1972 trat Ludwig Ratzel (SPD) Reschkes Nachfolge an. Der Physiker war Rektor der Städtischen Ingenieurschule Mannheim und 1955-1960 Mitglied des Bundestags. Er setzte sich u.a. gegen Roland Hartung (CDU), Walter Ebert (DKP) und Martin Bangemann (FDP) mit 53,6 % der Stimmen im ersten Wahlgang durch. Im Gegensatz zu seinen eher moderierenden Vorgängern verstand sich der bekennende Sozialdemokrat Ratzel als Parteipolitiker. Aufgrund seines fortgeschrittenen Alters (er war Jahrgang 1915) trat er acht Jahre später nicht mehr zur Wahl an.

Wahlplakat, 1972, MARCHIVUM.

1980 bewarben sich sieben Kandidaten um das OB-Amt. Wilhelm Varnholt (SPD) erhielt im zweiten Wahlgang 51,9 % der Stimmen. Sein starker Gegner, CDU-Mann Roland Hartung, unterlag mit 47,8 %. Allerdings wurde die Wahl von Kandidat Florian Burlafinger angefochten, der nur 169 Stimmen auf sich vereinen konnte. Sein Vorwurf: die Gleichheit der Chancen sei im Wahlkampf verletzt worden. Seine Mitbewerber seinen bevorzugt worden, die Veranstaltung zur Vorstellung der Bewerber sei zu schlecht besucht gewesen (da der Termin in der Ferienzeit lag) und seine Redezeit sei zu kurz gewesen. Auch die Presseberichterstattung sei zu seinem Nachteil erfolgt und er sei vom Mannheimer Morgen als "Exot" abgestempelt worden. Hans-Peter Schöbel spottete in einem Offenen Brief im Mannheimer Morgen: "Und auch ich muss bekennen, ihn im ersten Wahlgang meine Stimme verweigert zu haben, einfach, weil ich ihn nicht näher kannte. Aber auch im zweiten Wahlgang konnte ich ihm meine Stimme nicht geben, diesmal, weil ich ihn inzwischen kennengelernt hatte." (MM, 27.9.1980). Die Klage wurde schließlich zurückgewiesen und die Wahl anerkannt.

Varnholt, der zuvor als Bürgermeister in Ludwigshafen und dann in Mannheim tätig gewesen war, starb bereits drei Jahre nach seinem Amtsantritt.

Wilhelm Varnholt, 1984, MARCHIVUM.

Nach dem überraschenden Tod Varnholts wurde 1983 der Ingenieur und ehemalige Berufsschullehrer Gerhard Widder (SPD) im Zweiten Wahlgang mit 58,4 % der Stimmen zum Oberbürgermeister gewählt. Auch bei dieser Wahl war Roland Hartung, nunmehr zum dritten Mal, von der CDU ins Rennen geschickt worden. Und auch bei dieser Wahl legte ein Mitbewerber Einspruch gegen die Wahl beim Regierungspräsidium ein. Widder konnte sein Amt aber alsbald antreten, da sein Gegenkandidat Werner Tereba den Einspruch zurückzog. Tereba (94 Stimmen) sah sich benachteiligt, insbesondere weil der Mannheimer Morgen eine Presseerklärung Terebas, der seinen Wahlkampf nach eigenen Angaben durch das Einsammeln von weggeworfen Pfandflaschen finanzierte, nicht abdrucken wollte.

Wahlplakat, 1983, MARCHIVUM.

Acht Jahre später setze sich Widder mit 55,7 % der Stimmen gegen Hansjörg Probst (CDU, FDP, ML) durch. Bei dieser Wahl traten mehr Bewerber als bei jeder anderen OB-Wahl zuvor an. Insgesamt stellten sich 14 Kandidaten zur Wahl, bei der sich immer zeigte, dass zunehmend auch nicht ganz ernste Bewerbungen eingereicht werden.

Positiv ist, dass erstmals auch eine Frau als Kandidatin auftrat. Obgleich es sich um ein aussichtloses Unterfangen handelte. Kandidatin Doris Grimm äußerte lapidar: "Wenn ein Schauspieler Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden kann, warum dann nicht eine Hausfrau Oberbürgermeister von Mannheim?" (MM, 16.5.1991). Für ihren Wahlkampf gab die neunfache Mutter nichts aus. Stattdessen setzte sie auf ihr "einnehmendes Wesen". Was ihr letztlich aber nur 0,5 % der Stimmen einbrachte.

Auch Werner Tereba war wieder mit von der Partie und brachte "Schwung" in den Wahlkampf. Rund 50 Mal hatte er sich inzwischen nach eigenen Angaben auf Bürgermeisterposten an verschiedenen Orten beworben. "Dort, wo er nicht persönlich erschien, bekam er die meisten Stimmen" äußert er selbstironisch (MM, 21.5.1991). War er für viele ein rechtes Ärgernis, so freuen sich andere über die Auflockerung des Wahlkampfs durch ihn. Und der Kandidat Karl-Heinz Maisenhelder begründete seine Kandidatur mit: "Ich wollte einfach mal sehen, ob man auch als Parteiloser eine Chance hat und für ein bisschen Wirbel sorgen" (MM, 17.5.1991).

Im Jahr 1999 wurde Widder schließlich ein drittes Mal gewählt. Diesmal im zweiten Wahlgang mit 51,3 % der Stimmen knapp vor dem CDU-Kandidaten Sven-Joachim Otto (47,6 %). Damit ist Widder der Oberbürgermeister mit der längsten Amtsperiode. Immerhin 24 Jahre stand er an der Spitze der Quadratestadt. Die OB-Wahl 2007 trat er aus Altersgründen nicht an.

Stattdessen wurde der Jurist Dr. Peter Kurz (SPD) mit 50,5 % der Stimmen im ersten Wahlgang zu seinem Nachfolger gewählt. Sechs Kandidaten waren zugelassen worden: Ingo Wellenreuter (CDU, 32,07 %,), Wolfgang Raufelder (Die Grünen, 13,3 %), Siegfried Ulbrich (1,3 %), Gerd Wilde (1,2 %) und Stefan Wollenschläger (1,3 %).

Wahlplakat, 2007, MARCHIVUM.

Acht Jahre später setzte sich Kurz im zweiten Wahlgang mit 52 % der Stimmen gegen den CDU-Mann Peter Rosenberger (44,9 %) durch. Erstmals trat "Die Partei" mit einem Kandidaten an. Christian Sommer wollte Satire und Humor in den Wahlkampf bringen. In seinem Wahlprogramm sprach er sich unter anderem dafür aus, die freiwerdenden US-Militärflächen den amerikanischen Ureinwohnern zurückzugeben, was ihm immerhin 2,9 % der Stimmen einbrachte.

Und seit diesem Jahr steht nun der langjährige Kämmerer und Erste Bürgermeister Christan Specht an der Spitze unserer Stadt. Aufgrund einer Klage gegen die Oberbürgermeisterwahl zunächst kurzzeitig nur als vom Gemeinderat bestellter Oberbürgermeister (Amtsverwalter). Doch die Klage vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen die Oberbürgermeisterwahl wird bereits im Oktober als "substanzlos" abgewiesen.

Wahlplakat, 2023, MARCHIVUM.

Im ersten Wahlgang waren sechs Kandidaten und zwei Kandidatinnen angetreten. Neben Specht traten an: Thorsten Riehle (SPD), Raymond Fojkar (Die Grünen), Isabell Belser (Linke), Thomas Bischoff (Die Partei), Tanja Krone (parteilos), Ugur Cakir (unabhängig) und David Frei (parteilos). Das sich zwei Frauen bewarben, ist durchaus bemerkenswert, da das Bewerberfeld bislang fast ausnahmslos rein männlich war.

Im zweiten Wahlgang konnte sich Specht mit 49,9 % der Stimmen ganz knapp gegen SPD-Kandidat Thorsten Riehle (48,7 %) durchsetzen. Damit ging das seit Kriegsende fast ausschließlich von der SPD besetzte Amt an die CDU.

Abschließend noch ein paar Worte zur Wahlbeteiligung. Die Wahlbeteiligung war 1983 mit über 60 % (erster Wahlgang) am höchsten. In den Jahren davor lag sie zwischen 47 und 59 %. Seither sinkt sie drastisch. Ihren niedrigsten Wert erreichte sie 2015 mit 28,7 % (zweiter Wahlgang).

Berühmter Besucht Teil 4: Jens Baggesen (1789)

„Über, unter, um uns herum Wasser, Wasser und nochmals Wasser!“ - Jens Baggesen erlebte Mannheim während des Hochwassers 1789, wodurch er einige Tage in der Stadt festsaß: „Wären hier nicht der Dichter Iffland, der Philosoph Dufresne und insbesondere die Sängerin Madame Beck, wäre es hier vor Langeweile nicht auszuhalten, seitdem wir schlechterdings nicht aus der Mitte der Stadt herauskommen können, denn Rhein und Neckar und dazu ein Wolkenbruch haben sämtliche Brücken, Tore und die hinausführenden Straßen unter Wasser gesetzt.“

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