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Das geplante Kernkraftwerk der BASF

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Gesamtansicht des Kraftwerks

Die Suche nach alternativen, umweltfreundlichen Möglichkeiten der Stromerzeugung steht im Mittelpunkt der heutigen Energie-Debatten. Auch die BASF investiert aktuell große Summen im Bereich der Windenergie. Bereits in den 1960er Jahren war der Chemiekonzern auf der Suche nach einer Alternative zu fossilen Brennstoffen. Allerdings ging es damals nicht um Windenergie, sondern, ganz im Trend der damaligen Zeit, um die Errichtung eines Kernkraftwerks.

Um der Luft- und Wasserverschmutzung entgegenzuwirken und der heraufziehenden Ölkrise zu trotzen, erschienen in den 1960er Jahren Kernkraftwerke die ideale Lösung zu sein. Kernenergie erschien sicher und sauber, ein regelrechter Planungsboom kam auf. Allein im Großraum rund um Mannheim waren fünf Kernkraftwerke in Planung oder im Bau: Biblis und Philippsburg, die tatsächlich verwirklicht wurden, sowie die geplanten Kernkraftwerke BASF, Kirschgartshausen und Neupotz bei Wörth am Rhein.

Das Kernkraftwerk der BASF sollte auf dem Ludwigshafener Werksgelände des Chemiekonzerns errichtet werden. Durch das Kernkraftwerk erhoffte sich die BASF eine massive Einsparung im Bereich der Energiekosten, die rund 30 Prozent der Fertigungskosten ausmachten. Geplant waren zunächst zwei Druckwasserreaktoren, die die energieintensiven Anlagen der BASF mit preiswertem Strom und Prozessdampf versorgen sollten. Die elektrische Leistung sollte laut den ersten Planungen 2 x 600 Megawatt betragen. Als Standort bevorzugte die BASF das zentral gelegene Gelände ihrer alten Karbidfabrik, da Prozessdampf nicht über weite Entfernungen transportiert werden kann.

 
Gesamtansicht. Aus: Kernkraftwerk der BASF, Kurzfassung des Sicherheitsberichtes

Zunächst versuchte die BASF für ihre Pläne die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) zu gewinnen. Da man sich aber nicht einig wurde, führte die BASF das Projekt ab 1968 in eigener Sache weiter. Auch ein anvisiertes Gemeinschaftsprojekt mit dem Großkraftwerk Mannheim (GKM) kam über einen Entwurfsvertrag zur Gründung der "Kernkraftwerk-BASF-Mannheim AG" nicht hinaus.

Im Juni 1969 informierte die BASF die Öffentlichkeit im "Haus- der Industrie und Handelskammer für die Pfalz" über ihre Pläne. Auch Mannheims Oberbürgermeister Dr. Reschke und Ludwigshafens Oberbürgermeister Dr. Ludwig nutzten rege das Informationsangebot. Im Vordergrund standen die Vorteile für die beiden Städte, wie z.B. die günstigere Energie und die Sicherung von Arbeitsplätzen beim Ludwigshafener Chemiekonzern.

Im Juli beantragte die BASF die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Kernkraftwerks beim Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz. Das geplante Kernkraftwerk war wegen seiner Lage auf dem Werksgelände einer chemischen Fabrik und inmitten eines dicht besiedelten Ballungsgebiets (im Umkreis von 10 km um das geplante Atomkraftwerk wohnten 535.203 Menschen) ein Novum. Die Standortfrage löste darum heftige Debatten aus. Nach Einreichung des Antrags der BASF gingen 49 Einsprüche gegen den geplanten Reaktor beim rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium ein. Auch die Mannheimer Bürgerinnen und Bürger waren gegenüber den Kraftwerksplänen skeptisch, und die Stadt Mannheim erhob einen Einspruch: Alle wichtigen Anlagen sollen unterirdisch eingebunkert werden, damit im Falle eines Explosionsunglücks auf dem Werksgelände das Kernkraftwerk nicht beschädigt werden könne. Mannheims Oberbürgermeister schrieb am 24. Februar 1970 an das Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz: "Die Stadt Mannheim steht der Errichtung eines Kernkraftwerks der BASF auf ihrem Werksgelände in Ludwigshafen grundsätzlich positiv gegenüber." Bedenken habe man hinsichtlich des Standorts des Atomkraftwerks, da es auf dem Gelände der BASF bereits 1921 und 1948 zu Großunfällen gekommen sei. "Falls die Bauausführung an dieser Stelle vorgenommen werden sollte, kann ein optimaler Schutz nur dann angenommen werden, wenn die Errichtung des Kraftwerks unter der Erde erfolgt."

Lageplan. Aus: Kernkraftwerk der BASF, Kurzfassung des Sicherheitsberichtes

Im Gegensatz zur Stadt Mannheim, die das Atomkraftwerk nicht generell ablehnte, wurden auch Einwände grundsätzlicher Art erhoben, die den Bau eines Kernkraftwerks komplett ablehnten. Hingewiesen wurde insbesondere darauf, dass die Auswirkungen der Kernenergie zu wenig erforscht waren. Man befürchtete die Gefährdung der Bevölkerung durch radioaktive Emissionen, das Gelangen von Radioaktivität in die Nahrungskette und die übermäßige Erwärmung des Rheinwassers.

Reaktorgebäude. Aus: Kernkraftwerk der BASF, Kurzfassung des Sicherheitsberichtes

Im Zuge des Genehmigungsprozesses wurden die Auflagen und Sicherheitsbestimmungen mehrfach verschärft. Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft schaltete sich in den 1970er Jahre ein. Am 17. August 1970 erklärt Bundeswissenschaftsminister Leussink vor der Bundespressekonferenz in Bonn, dass die Genehmigung für den Bau des Kernkraftwerks der BASF zwei Jahre aufgeschoben werde. Grund dafür sei, dass die Sicherheit in Stadtnähe nicht gewährleistet sei. Leussink führte aus: "Beim BASF-Projekt, das in unmittelbarer Nähe der Stadt Ludwigshafen inmitten großtechnischer chemischer Industrie errichtet werden soll, erhob sich die Frage, ob von der internationalen Sicherheitslinie abgegangen werden kann. Im Augenblick ist es noch verfrüht. Zunächst sollen in einem groß angelegten Forschungsprogramm die sicherheitstechnischen Anforderungen an Kernkraftwerke in Großstadtnähe noch einmal grundlegend überprüft und die Möglichkeit für eine weitere Verbesserung der technischen Schutzmaßnahmen untersucht werden. Für dieses Forschungsprogramm sollen 137 Millionen DM innerhalb von vier Jahren zur Verfügung gestellt werden. Die Entscheidungen zum BASF-Projekt ändern nichts an der positiven Einstellung der Bundesregierung gegenüber der Kernenergie."

Im Sommer 1975 sprachen sich in Mannheim mehrere Stadträte gegen das Kernkraftwerk aus. Die Stadtverwaltung sollte, so die Stadträte Augenthaler (ML) und Kirsch (CDU), einen konsequenten Einspruch gegen das Kernkraftwerk erheben. Dem schlossen sich weitere Stadträte an. Hingewiesen wurde insbesondere auf die große Abwärmezufuhr in den Rhein, die Gefährdung der Menschen bei Reaktorunfall sowie die latente Angst vieler Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Städte und den damit verbundenen Vertrauensverlust in die Politik. Die Anfang der 1970er Jahre veröffentlichte Studie „Die Auswirkung sehr schwerer Schäden an Kernkraftwerken" warnte, dass bei einer Reaktorkatastrophe rund 100.000 Menschen im Großraum Ludwigshafen-Mannheim sofort sterben würden und über eine Million Bewohnerinnen und Bewohner verstrahlt seien. Bürgerinitiativen, Interessen- und Aktionsgemeinschaften formierten sich gegen die Kernkraftwerkspläne.

Gefährdete Zone rund um die möglichen Kernkraftwerkstandorte

1976 wurde das Sicherheitskonzept der BASF von der Reaktorsicherheitskommission (RSK) positiv bewertet. Allerdings wurde zeitgleich eine Richtlinie erlassen („Druckwellenverordnung“), nach der Kernkraftwerke 425 m einem Ufer entfernt sein müssen. Das geplante Kernkraftwerk war aber nur 50 m vom Rhein entfernt. Das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium empfahl daher, den Standort ins fünf Kilometer nördlich gelegene Frankenthal zu verlegen. Dies aber hätte ein neues Verfahren und weitere enorme Investitionen erfordert. Doch die Kosten waren ohnehin inzwischen explodiert. Statt 500 Millionen Mark wurden nun 1,5 bis 2 Milliarden Mark veranschlagt. Preissteigerungen und die ständige Erhöhung der Sicherheitsauflagen machten das Projekt unbezahlbar. Daher gab die BASF im Dezember 1976 ihre Kernkraftwerkspläne auf. Der Chemiekonzern baute schließlich an der Stelle der alten Karbidfabrik ein eigenes Kohlekraftwerk.

Die Broschüre "Kernkraftwerk der BASF", aus der die Bilder stammen, wurde 1970 von der BASF verteilt.

Anmerkung:
Die Verfasserin dankt BASF Corporate History, dass sie das aus der Quelle stammende Bildmaterial verwenden durfte.

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Wer trifft, gewinnt: die Schützengesellschaft 1744

Die Schützengesellschaft 1744 ist der älteste Mannheimer Verein, der durch alle Höhen und Tiefen der Zeiten seine Traditionen zu wahren und am Leben zu erhalten wusste. Dies ist nicht immer selbstverständlich, denn dafür ist nicht nur ein hohes ehrenamtliches Engagement aller Mitglieder nötig, sondern besonders ebenso die Fähigkeit, Begeisterung für die Sache auch bei jungen Menschen zu fördern. Gerade die Traditionsvereine bilden ja auch immer einen Teil der Stadtgeschichte ab und fördern die Entwicklung einer vielfältigen Vereinslandschaft, die viele Menschen in ihren Bann zieht.

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