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1974 - Vom Eigenbetrieb zum Unternehmen

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 Plakatausschnitt mit dem Gebäude der MVV Energie am Neckar, 1983

Wasserhahn aufgedreht und es kommt das kühlende Nass heraus, Heizung an und uns wird es kuschelig warm, Stecker in die Steckdose und uns geht ein Licht auf (oder zumindest an). Das ist ein Standard in unserem Leben, den wir erwarten und brauchen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg musste der damalige Standard im kriegsbeschädigten Mannheim wiederhergestellt werden.

 

Die Eigenbetriebe Stadtwerke hatten dabei die Aufgaben der Erzeugung und Verteilung von Gas, die Verteilung von Strom und die Gewinnung sowie Verteilung von Wasser bis zum Transport von Menschen im öffentlichen Personennahverkehr.

Zur Erledigung der Aufgaben benötigten die Eigenbetriebe Platz; das eigentliche Verwaltungsgebäude in K 7 musste während des Kriegs geräumt werden und man siedelte in die K 5-Schule. Dort waren die Werke noch bis ins Jahr 1965 untergebracht. Nach der Fertigstellung zog man in das neu errichtete Hochhaus am Luisenring – noch heute Sitz der MVV Energie AG.

Das Hochaus am Luisenring nach der Gründung der MVV GmbH und ihrer Tochtergesellschaft, MARCHIVUM.

Die Versorgung mit den Leitmedien Energie, Wasser, Wärme und die Personenbeförderung war bis in die 1970er Jahre uneinheitlich und kompliziert. Die Stadtwerke waren, als unselbstständiger Eigenbetrieb der Stadt Mannheim, für die Verteilung von Strom, Wasser und Gas sowie für den öffentlichen Nahverkehr im Stadtgebiet zuständig. Auch wenn sie als Eigenbetrieb eine eigene Wirtschafts- und Finanzplanung aufstellen konnten, stellten sie dennoch keine eigene Rechtspersönlichkeit dar. Sie blieben weiterhin Teil der Stadtverwaltung – wenn auch finanztechnisch als Sondervermögen dort geführt. Ihre Kontrolle und auch ihre Verbindlichkeiten verblieben damit bei der Kommune und ihrem Haushalt, eine Interessenskollision war somit potenziell vorhanden, eigenständige wirtschaftliche Entscheidungen jedenfalls sehr limitiert.

Die Energie- und Wasserwerke Rhein-Neckar AG (bis 1966 Gas- und Wasserwerke Rhein-Neckar AG, Rheinag, danach RHE AG) wiederum war seit 1958 eine Eigengesellschaft der Stadt. Die Stadtwerke hielten 100 Prozent der Aktien. Es handelte sich um eine Organschaft mit steuerlicher Wirkung. Sie war an die Stadtwerke durch einen Gesellschaftsvertrag gebunden und so auch zur Gewinnabführung verpflichtet. Ihre Aufgabe war die Erzeugung bzw. Gewinnung und der Bezug von elektrischer Energie, Gas und Wasser. Zudem versorgte sie Mannheim mit Fernwärme. Während die Stadtwerke für die Lieferung innerhalb des Stadtgebiets zuständig waren, lieferte die Rheinag Energie und Wasser an die umliegenden Gemeinden.

Zudem hielt die Stadt 99,96 Prozent der Aktien an der Oberrheinischen Eisenbahn-Gesellschaft AG (OEG).  Die OEG war für den Überlandverkehr im Dreieck Mannheim–Heidelberg–Weinheim zuständig, daneben betrieb die OEG die Stromversorgung einiger Stadtgebiete wie Wallstadt, Friedrichsfeld, Seckenheim und Teile von Rheinau und lieferte Strom an Neu-Edingen. 

Die verschiedenen Gesellschaften und Eigenbetriebe erschwerten ein wirtschaftlich effizientes Arbeiten, die Zusammenarbeit, die Rationalisierung sowie Vereinfachung von Verwaltungsvorgängen. Daher beschloss der Werksausschuss in einer nicht öffentlichen Sitzung die Neuordnung der Versorgungs- und Verkehrsbetriebe 1972. Ein Grund für eine solche Umgründung war jedoch auch das große Defizit in der Verkehrssparte. Die Stadtwerke schlossen das Jahr 1973 mit 16 Mio. DM Verlust ab, wovon 32 Mio. DM Verluste in der Verkehrssparte auftraten, denen nur 16 Mio. DM Gewinn beim Versorgungsbetrieb gegenüberstanden.

Nach einer langen Umgründungsphase und Verschiebungen konnte am 27. März 1974 der Gesellschaftsvertrag unterzeichnet werden. Damit wurde die Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH (MVV GmbH) als übergeordnete Holding gegründet. Ihr unterstanden drei Aktiengesellschaften: die Stadtwerke Mannheim Aktiengesellschaft (SMA AG), die für die Versorgung des Stadtgebiets mit Elektrizität, Gas, Wasser und Wärme verantwortlich war, die Energie- und Wasserwerke AG (RHE AG) für Gewinnung und Erzeugung von Gas, Wasser und Wärme sowie die Mannheimer Verkehrs-Aktiengesellschaft (MVG AG), die den städtischen Personennahverkehr unterhalten sollte.

OB Ludwig Ratzel (Mitte) bei der Vertragsunterzeichnung zur Gründung der SMA AG, MARCHIVUM.

Der Zweck des Unternehmens war "die Versorgung der Stadt Mannheim und ihrer Umgebung mit Elektrizität, Gas, Wasser und Wärme sowie die Unterhaltung des öffentlichen Verkehrs in diesem Raum." Die Treiber für die Umgründung im Jahr 1974 waren die wirtschaftliche Flexibilität und die überörtliche Zusammenarbeit. Nachweislich ermöglichte die Privatisierung aber auch größere Investitionen. Die 1980er Jahre standen unternehmerisch im Zeichen von Umweltaspekte, dem Energieversorgungskonzept für Mannheim und sozialpolitischer Unternehmensentscheidungen.

Plakat der MVV GmbH aus dem Jahr 1983, MARCHIVUM.

Der Text basiert auf dem von der Autorin bearbeiteten Kapitel "Der Weg vom Eigenbetrieb zum Unternehmen", das in der MVV-Festschrift "150 Jahre Mannheimer Energien" im Siedler-Verlag 2023 veröffentlicht wurde.

Transidente Menschen in der queeren Geschichte der Rhein-Neckar-Region

Transidente Personen identifizieren sich nicht mit ihrem angeborenen, biologischen Geschlecht, sondern fühlen sich dem Gegengeschlecht zugehörig. Anknüpfend an das vom MARCHIVUM herausgegebene Buch "Queer im Leben! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region", blicken wir heute in die Geschichte transidenter Menschen in der Region und stellen die Biografien von zwei trans Frauen mit ganz unterschiedlichen Schicksalen vor.

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Jakob Sommer - "Kämpfer für Menschenwürde"

Sein Leben hatte er den Menschen in Mannheim und den Arbeiterrechten gewidmet. Als aufrechter und toleranter Mann blieb er den Mannheimerinnen und Mannheimer in Erinnerung. Er stand mit Leidenschaft für seine Überzeugungen ein, konnte aber auch die Meinungen und Argumente anderer anerkennen. Als "Kämpfer für Toleranz und Gerechtigkeit", aber auch als "Mann des Ausgleichs", so charakterisierte Oberbürgermeister Hermann Heimerich seinen Freund Jakob Sommer bei dessen Beerdigung (Allgemeine Zeitung, 16.3.1955).

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