Breadcrumb-Navigation

270 laufende Meter Viernheimer Stadtgeschichte

Kategorien
mit Schrift beschriebene Schiedsurkunde Kurfürst Philipps von der Pfalz (Ausschnitt)

Es ging, wie so oft, ums Geld. Das Kloster Schönau und die Gemeinde Viernheim stritten Anfang des 16. Jahrhunderts über die Höhe der Abgaben, welche die Dorfbewohner entrichten sollten. Das Kloster hatte in Viernheim die Grundherrschaft inne und bestand auf die Ableistung von Frondiensten, auf die Zahlung der "vierten Garbe" (1/4 der Ernteerträge auf den Sandäckern), des Zehnten sowie anderer Naturalleistungen. Dies war nicht unumstritten, zumal sich die Steuer- und Abgabelast in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erhöht hatte. Kurfürst Philipp von der Pfalz gelang es, diesen Streit mit einem Schiedsspruch beizulegen. Niedergeschrieben wurde dies in einer Urkunde vom 5. Dezember 1503.

Diese Urkunde des Stadtarchivs Viernheim wird mittlerweile im Mannheimer MARCHIVUM verwahrt. Sie stellt eine Besonderheit dar, da sie nunmehr das älteste Dokument im Haus ist und den bisherigen Spitzenreiter – ein Weistum aus Sandhofen aus dem Jahr 1527 auf Platz zwei verdrängt hat.

Schiedsurkunde Kurfürst Philipps von der Pfalz, Stadtarchiv Viernheim (VH_1/1978_089_012)

Doch warum liegt die Viernheimer Urkunde nun im MARCHIVUM und nicht in der Brundtlandstadt im Süden Hessens? Mehr als drei Jahrzehnte waren das Stadtarchiv Viernheim und damit auch die Urkunde von Kurfürst Philipp im Untergeschoss des dortigen Rathauses untergebracht. Doch die Gegebenheiten erfüllten bald nicht mehr die fachlichen Anforderungen an ein Archivmagazin. Ebenso waren die räumlichen sowie personellen Kapazitäten seit einigen Jahren erschöpft.

Aus diesen Gründen beschloss die Stadt Viernheim im November 2019, eine Archivkooperation mit dem MARCHIVUM einzugehen. Das historisches Archivgut der Stadt Viernheim mit einem Umfang von 270 laufenden Metern wurden in die Quadratestadt verbracht und werden hier seitdem in den Rollregalanlagen und Planschränken des MARCHIVUM verwahrt, wo ideale Lagerungsbedingungen herrschen.

Das Viernheimer Archiv
Die eingelagerten Unterlagen unterteilen sich in das Historische Archiv, die städtischen Aktenbestände ab 1945, private Nachlässe sowie verschiedene Sammlungen.

Blick in den Magazin-Bereich des MARCHIVUM, Foto: Kathrin Schwab

Das Historische Archiv umfasst etwa 280 Aktenbände, bestehend aus ca. 3.000 Einzelakten. Sie bilden die Geschichte Viernheims bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ab. Die Überlieferung beginnt mit den ältesten Schätzen des Archivs, der oben erwähnten Schiedsurkunde, und reicht über das 18. und 19. Jahrhundert bis 1945. Dabei ist die Überlieferung weitgehend vollständig – anders als in Mannheim gab es hier keine nennenswerten Kriegsverluste. Und so finden sich neben Unterlagen des Gemeinderats, des Gemeindegerichts auch zahlreiche Rechnungsbände, Nachlasspapier oder Einquartierungslisten über die Jahrhunderte hinweg.

Die neueren Bestände umfassen die Amtsakten der Stadtverwaltung Viernheim von 1945 bis zur Gegenwart. Erwähnenswert sind insbesondere die Hauptamtsakten mit Schwerpunkten zur Nachkriegsgeschichte bis 1960. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit bieten beispielsweise Akten, die sich mit den Protesten und Auseinandersetzungen um die Freigabe des Viernheimer-Lampertheimer Waldes von der militärischen Nutzung durch die amerikanischen Streitkräfte beschäftigen.

Das Stadtarchiv verfügt auch über eine umfangreiche Fotosammlung mit historischen Stadtansichten, Bilddokumentationen zu Abrissgebäuden bzw. Neuerrichtungen von Gebäuden, Personen und Personengruppen. Diese soll zu einem späteren Zeitpunkt in großen Teilen über das Internet digital einsehbar werden.

Ab sofort besteht für alle interessierten Personen die Möglichkeit, sich im Internet in der Datenbank Findstar über die Bestände zu informieren. Eingesehen werden können die Unterlagen dann im Lesesaal des MARCHIVUM. Beide Kooperationspartner versprechen sich eine verstärkte Nutzung und gehen davon aus, dass Themen der Viernheimer Stadtgeschichte verstärkt in wissenschaftliche Forschungen aufgegriffen werden können und somit die weitere Forschung zur Geschichte der Stadt gefördert wird. Denn in den Beständen wartet noch mehr als die Urkunde von1503 auf seine Entdeckung.

alles zum Thema: Archivschätze, Viernheim

"Die Zeit entscheidet, was Bestand haben wird."

Im MARCHIVUM steht ein Führungswechsel an. Zum ersten August übergibt der langjährige Direktor Ulrich Nieß die Geschäfte an seinen bisherigen Stellvertreter Harald Stockert. Im Gespräch mit Cathrin Siegler vom Kulturmagazin, wo dieses Interview als erstes erschienen ist, blicken beide zurück und sprechen über die Zukunft von Mannheims Archiv, Haus der Stadtgeschichte und Erinnerung.

Ganzer Beitrag