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Die Verfolgung queerer Menschen in der NS-Zeit

Polizeifoto von Otto Scheuerbrand, 1937. Generallandesarchiv Karlsruhe

In unserer Reihe über das queere Leben in der Geschichte Mannheims und der Rhein-Neckar-Region berichten wir heute über die Verfolgung queerer Menschen in der NS-Zeit.

Bereits 1933 ging die Polizei rigoros gegen Lokale vor, in denen sich Menschen trafen, die heute als schwul, lesbisch, bi, trans*, inter*, queer bezeichnet werden. Das Hakenkreuzbanner zitierte den Berliner Polizeipräsidenten, der von „Brutstätten menschlichen Ungeziefers“ sprach. Das Berliner Institut für Sexualwissenschaften von Magnus Hirschfeld, das sich für die Anerkennung queerer Sexualitäten und Identitäten einsetzte, wurde geschlossen und der Kampf gegen sogenannte „Schund- und Schmutzliteratur“ intensiviert. Die Schriften der queeren Emanzipationsbewegung landeten 1933 auf den Scheiterhaufen der Bücherverbrennung.

1935 wurde der seit der Kaiserzeit bestehende § 175 erheblich verschärft. Hatte er bisher „beischlafähnliche Handlungen“ zwischen Männern als „widernatürliche Unzucht“ unter Strafe gestellt, so wurde jetzt der allgemein gefasste Begriff der „Unzucht“ eingeführt. Nun konnte bereits ein Blick als Beweis für Homosexualität gelten und zur Verurteilung führen, wie Christian Könne im Buch „Queer im Leben! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region“ schreibt.

Auch das 1933 verabschiedete Gesetz „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ diente der Verfolgung queerer Menschen. Die Medizin wurde zum Handlanger der Verfolgung, sie ordnete Einweisungen in die Psychiatrie an und ließ Personen, die als „gefährliche Sittlichkeitsverbrecher“ eingestuft wurden, sterilisieren oder kastrieren.

Mit der 1936 gegründeten „Reichzentrale zur Bekämpfung von Homosexualität und Abtreibung“ trat die Verfolgung in ihre nächste Phase. Betroffen waren neben homosexuellen Männern auch lesbische Frauen und transidente Personen. Sie alle hatten im Menschenbild der Nationalsozialisten keinen Platz. Die Ideologie der „deutschen Volksgemeinschaft“ grenzte diejenigen aus, die nicht dem heteronormativen Muster entsprachen.

Die gleichgeschaltete Presse ereiferte sich gegen Homosexuelle und brandmarkte sie als „Volksschädlinge“ und „Volksfeinde“. Männliche Homosexualität wurde regelmäßig mit Pädophilie in einen Zusammenhang gebracht. Das Denunziantentum wurde gefördert und bedeutete für die Betroffenen, dass sie in ständiger Angst lebten, angezeigt zu werden. Aus der Rhein-Neckar-Region sind im Zusammenhang mit Anklagen wegen des Vergehens gegen § 175 mehrere Suizide und Suizidversuche bekannt.

1936 bezeichnete der hiesige Polizeipräsident die Bekämpfung der Homosexualität als „augenblicklich eine der wichtigsten Aufgaben der Kriminalpolizei Mannheim“. Allein im November 1936 liefen in der Quadratestadt 24 Verfahren gegen Homosexuelle. Aus Polizeiakten wissen wir, dass stundenlange, zermürbende Verhöre die Regel waren und es zu körperlicher Gewalt kam.

Kennzeichen der KZ-Häftlinge, um 1940. Bundesarchiv, Bild 146 - 1993-051-07

Der weitere Schritt der Verfolgung war die Deportation sogenannter „Wiederholungstäter“ in die Konzentrationslager. Dort wurden als homosexuelle Männer inhaftierte Gefangene mit dem Rosa Winkel gekennzeichnet. Sie standen in der Lagerhierarchie an unterster Stelle. Die Forschung geht von 150.000 inhaftierten und zwischen 5.000 bis 15.000 zu Tode gekommenen Personen aus. Heute erinnern in Ludwigshafen drei Stolpersteine an Opfer aus der Rhein-Neckar-Region, in Mannheim, Heidelberg und Worms jeweils ein Stolperstein.

Der Mannheimer Pianist und Klavierlehrer Herbert Klingmann wurde wegen seiner Homosexualität 1938 erstmals verhaftet und 1940 in das KZ Dachau verschleppt, wo er im Alter von 36 Jahren starb. Sein Stolperstein befindet sich in F 4, 17. In der Maxstraße 52 in Ludwigshafen wird die Erinnerung an Otto Scheuerbrand wachgehalten, der 1934 als erst 17-jähriger zwangssterilisiert, später mehrfach verhaftet und 1944 im KZ Mauthausen ermordet wurde. In Hamburg erinnert ein Stolperstein an die aus Ludwigshafen stammende trans Frau Liddy Bacroff, die in Mauthausen 1943 ermordet wurde.

Stolperstein für Herbert Klingmann in F 4, 17. Foto: Kathrin Schwab, MARCHIVUM

Christian Könne verweist in seinem Buchbeitrag über die Verfolgungen queerer Menschen in der NS-Zeit auf viele weitere Personen der Rhein-Neckar-Region, die zu Opfern wurden, und betont, dass dies nur den aktuellen Forschungsstand abbilden kann. Es sind viele weitere Namen und Einzelschicksale zu vermuten.

Das Buch „Queer im Leben! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region“ ist mit einer Film-DVD ausgestattet und im MARCHIVUM-Shop, im Buchhandel und beim Verlag Regionalkultur zum Preis von 29,80 € erhältlich.

Transidente Menschen in der queeren Geschichte der Rhein-Neckar-Region

Transidente Personen identifizieren sich nicht mit ihrem angeborenen, biologischen Geschlecht, sondern fühlen sich dem Gegengeschlecht zugehörig. Anknüpfend an das vom MARCHIVUM herausgegebene Buch "Queer im Leben! Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Geschichte und Gegenwart der Rhein-Neckar-Region", blicken wir heute in die Geschichte transidenter Menschen in der Region und stellen die Biografien von zwei trans Frauen mit ganz unterschiedlichen Schicksalen vor.

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