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Mannheim und der Luftkrieg vor 1939 - Teil I

schwarz-weiß Foto eines Militärflugzeugs im Ersten Weltkrieg, aufgenommen während des Flugs und datiert auf den 8. August 1917

Während des Zweiten Weltkriegs boten Schutzräume und Bunker tausenden Menschen vor Luftangriffen Schutz. Wie aber war das im Ersten Weltkrieg? Gab es damals auch schon solche Angriffe und was passierte konkret in Mannheim?

Seit es Fluggeräte gibt, wurden diese auch immer zu Kriegszwecken genutzt, mal nur zur Beobachtung mal auch für kleinere Angriffe wie zum Beispiel im Italienisch-Türkischen Krieg im Jahr 1911. Eine umfassendere Entwicklung des Luftkriegs mit strategischen Luftangriffen jedoch, auch auf zivile Ziele, erfolgte erst mit Kriegsbeginn 1914.


Flugzeuge hatten im Ersten Weltkrieg die Aufgabe, Aufnahmen über wichtige Gebietsabschnitte zu fertigen. Dafür wurden eigens Konstruktionen angebracht, die der Pilot bedienen konnte. Hier eine Aufnahme, datiert auf den 8. Mai 1918 und aufgenommen von dem Mannheimer Flieger Stefan Heyman (1896-1967), der rechts in der Ecke zu sehen ist, um 1918; MARCHIVUM

Waren Flieger zu Beginn nur Beobachter aus der Luft, so griffen sie bald selbst mit Waffen in die Kämpfe ein. Es begann ein Wettrüsten der Kriegsparteien. Im Sommer 1915 gab es erste Kampflugzeuge.

Der Luftkrieg stellte eine völlig neue Form der Kriegsführung dar, bei der auch Zivilisten mit dem Kriegsgeschehen direkt konfrontiert wurden, ohne, dass es zu einer Invasion oder einer direkten Feindbegegnung kam. Angriffe auf zivile Ziele sollte die gegnerische Gesellschaft demotivieren. Zugleich verursachten sie durch die notwendig gewordenen Gegen- und Schutzmaßnahmen beim angegriffenen Land wirtschaftliche Probleme, die weitreichende Auswirkungen hatten.


Links: Spähballon, auch Feldluftschiffer, wurden als Beobachtungsposten verwendet, um 1916; rechts: ein Zepellin im Kriegseinsatz, begleitet von Flugzeugen in einem Gemälde von Hans-Rudolf Schulze; MARCHIVUM

Direkt nach Kriegsbeginn war in Mannheim in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1914, laut Zeitzeugenbericht, ein heftiges Gewehrfeuer zu hören. Posten gaben an, dass feindliche Flieger die Stadt überflogen. Eine offizielle Meldung gab es aber nicht.


Bunker wie im Zweiten Weltkrieg gab es im Ersten Weltkrieg noch nicht. Die Zeichnung von Architekt Thomas Walch zeigt Schutzsuchende im Keller von B 6, 6 während eines Luftangriffs; MARCHIVUM

Deutschland flog selbst seit Kriegsbeginn Angriffe beispielsweise auf Städte wie Lüttich und Antwerpen. Ab Januar 1915 starteten deutsche Zeppeline Angriffe auf englische Ziele, bei denen bis Ende des Kriegs hunderte Menschen starben. In London flüchteten sich viele Menschen bei den häufiger werdenden Angriffen in die U-Bahn-Schächte. Einer der schwersten Angriffe ereignete sich am 8. September 1915. Bei dieser Attacke war das Luftschiff des in Mannheim geborenen Kapitänleutnants Heinrich Mathy (1883-1916) dabei.


Links: Foto mit Unterschrift: "Zeppeline über der englischen Küste. Unser Bild zeigt die Wirkung der Bomben, welche heruntergeworfen wurden." in: "Kriegsbilder des Weltkriegs" Nr. 13 / Beilage im Mannheimer Generalanzeiger; rechts: Artikel zum Zeppelinangriff vom 15. September 1915 auf London:
"... Der Schaden betrage mehrere Millionen Dollars. Eine Anzahl Häuser sei vollständig zerstört. Die Zeppelinfurcht habe in der Londoner Bevölkerung einen hohen Grad erreicht..." in: Mannheimer Generalanzeiger, 18.9.1915; MARCHIVUM

Die Schäden durch diesen massiven Angriff waren groß: 22 Menschen wurden getötet, darunter sechs Kinder. Die englische Presse forderte daraufhin mehr Schutz vor den deutschen Zeppelinen, die als "baby killers" betitelt wurden. Auch Luftschiffe von Schütte-Lanz warfen Bomben auf Nancy, Compiège und London ab.

Kapitänleutnant Mathy selbst starb am 2. Oktober 1916, als sein Luftschiff bei einem weiteren Angriff auf London von der gegnerischen Abwehr in Brand geschossen wurde.


Josef Höhl (1894-1916), im Flugzeug stehend, mit anderen Soldaten im September 1916 in der Geschwaderschule in Freiburg; MARCHIVUM

Die alliierten Flugzeugverbände flogen ab Mitte 1915 vermehrt in Süddeutschland Luftangriffe. Die deutsche Armee setzte wiederum Kampfflugzeugverbände ein, um diese feindlichen Bomber aufzuhalten. Einer dieser Flieger war der Mannheimer Josef Höhl (1894-1918). Zuvor auch als Bomberpilot eingesetzt, wurde er Ende 1916 mit der Staffel 9 ("Kampfgeschwader") in Süddeutschland "zum Schutze unseres Badenerlandes vor feindlichen Fliegerangriffen" stationiert. Bei seinen Patrouillenflügen steuerte er sein Flugzeug auch über Mannheim.


Links: Portrait von Josef Höhl in Fliegermontur, 1917; rechts: Todesanzeige von Josef Höhl, 1918; MARCHIVUM

Er starb am 12. Februar 1918 in Frankreich, als er ein neues Flugzeug testete und dabei abstürzte. Seine Witwe erhielt am Aschermittwoch die Todesnachricht. Sein Bruder schrieb wenige Tage nach dem Unglück: "Er hinterläßt eine Frau mit einem Kind; ein zweites dürfte in Bälde seine Pilgerreise auf dieser Erde des Jammers und des Unglücks beginnen."

Mannheim erlebte seinen schwersten Luftangriff am 29. Juni 1918, einem Samstagmorgen. Nachdem sich starker Bodennebel verzogen hatte, begann das geschäftige Treiben. Es war Markttag.


Der Marktplatz kurz nach dem Luftangriff am 29. Juni 1918. Hinter dem Brunnen sieht man das Haus G 2, 6, dessen Dach durch eine Bombe beschädigt wurde; MARCHIVUM

Als sich die feindliche Bomberstaffel näherte, wurden die Marktbesucher – um Panik zu vermeiden – noch vor dem Alarm von Polzisten gewarnt. Um 9.10 Uhr ertönte dann der Alarm, Flakfeuer war zu hören. Ein Schüler berichtete: "Um 9.30 Uhr ein sehr heftiger Knall, Sekunden später ein zweiter etwas schwächerer: Bomben. Während wir schleunigst vom zweiten Stock in den Keller eilen, hört man das unregelmäßige Abwehrfeuer und einige Bombentreffer."


Links: Zerstörung am Haus in der Dalbergstraße 2 nach dem Luftangriff vom 29. Juni 1918. Im Haus gegenüber mit der Nummer 9 wurde die 20-jährge Emilie Elz, die sich mitten im Zimmer befand, von einem handgroßen Bombensplitter tödlich verwundet; rechts: Die Todesanzeige von Emilie Elz im Mannheimer Generalanzeiger; MARCHIVUM

Am Ende waren es an die 20 Bomben, die in der Neckarstadt-West, dem Jungbusch und der Innenstadt vergleichsweise große Verwüstungen angerichtet hatten. Es gab insgesamt acht Tote. Hinzu kamen etwa zehn Schwerverletzte und 15 leichter verletzte Personen. Auch sechs Pferde und ein Hund fanden den Tod.

Am 9. November 1918 erfolgte der letzte Luftalarm. Dabei handelte es sich aber wohl um einen Fehlalarm. Ursache wären Flugzeuge gewesen, die dem hiesigen Soldatenrat vom Hamburger Soldatenrat hätten Grüße übermitteln sollen, "und die man nicht gleich als deutsche erkannte". Als kurz danach der Erste Weltkrieg endete, machte sich Erleichterung breit – auch die Luftangriffe hatten nun ein Ende.


Zeitungsausschnitte aus dem Mannheimer Generalanzeiger vom 1. Juli 1918. Links: Aufruf der Behörden, den Alarm bei Luftangriffen ernst zu nehmen, da beim schweren Angriff vom 29. Juni 1918 immer noch viele Menschen keine sicheren Räume aufgesucht hatten; rechts: Werbeannoncen; MARCHIVUM


Aufnahme von Zerstörungen durch Bombenangriffe im Ersten Weltkrieg in Mannheim; MARCHIVUM